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Samstag, 20. April 2019

Rezension zu Mach mal halblang von Matt Haig

 Rezension zu Mach mal halblang von Matt Haig


Sind Sie schon durchgedreht oder arbeiten Sie noch daran?

Wir leben in einem Zeitalter der Ängste und der überdrehten Schnelligkeit. Man könnte meinen, unsere gesamte Lebensweise wäre darauf ausgerichtet, uns ins Unglück zu stürzen. Der Life-Overload hat uns fest im Griff. Aber: Können wir etwas dagegen tun? Matt Haig beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie die lärmende Außenwelt unser Denken beherrscht und wie wir uns zur Wehr setzen können. Es geht um große und kleine Dinge, um Weltpolitik, Gesundheit, Smartphones, Social Media, Sucht, Vernetzung. Ein Buch, das uns alle angeht und das uns unserer eigentlichen Aufgabe wieder ein wenig näherbringt: dem Menschsein.
 (Verlagsinfo)





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Mach mal halblang

Anmerkungen zu unserem nervösen Planeten

von Matt Haig

Im Original Notes on a Nervous Planet
übersetzt von Sophie Zeitz
Genre Psychologie / Gesellschaft / besser leben

Verlag dtv // Seitenzahl 320
1. Auflage März 2019

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Meine Meinung

"Notes on a Nervous Planet" ist ein wirklich passender Titel, denn es wirkt vom Aufbau her wirklich wie ein Notizbuch, in das Matt Haig alles notiert hat, was ihn zu diesem Thema über die Zeit hin durch den Kopf gegangen ist. Ich hab mir auch unzählige Textstellen markiert die ich euch gerne zeigen würde, was aber den Rahmen sprengt - so dass ich mich auf einige wenige beschränken werde.

Ich weiß, momentan boomen die Bücher zu dem Thema: Stressabbau, Schnelllebigkeit, Achtsamkeit und mehr Besinnung auf "weniger Konsum" und "mehr leben" - aber ich lese nichts darüber, weil mir vieles davon einfach schon klar ist. Da ich von dem Autor aber schon einige tolle Bücher gelesen habe war ich neugierig, was er dazu zu sagen hat. Es gab nichts wirklich neues für mich und durch den Rundumschlag an Themen hat er vieles nur angekratzt. Genau richtig für diejenigen, die sich vor Augen führen möchten, wo es in ihrem Leben haken könnte.

Außerdem ist er selbst betroffen von Angststörungen und Depressionen und ich bin wieder überrascht, wie offen er damit umgeht und wie gekonnt er auch in Worte fassen kann, was das alles für ihn wie auch für andere im Leben bedeutet. Vor allem auch grade im Bezug auf unsere Gesellschaft, wie sie sich zu einer fortschreitenden Menge mit Siebenmeilenstiefeln entwickelt hat, die über alles hinwegtrampelt, ohne zu sehen, was sie hinter sich lässt.
Er nimmt hier auch immer wieder Bezug auf psychische Krankheiten, die noch immer viel zu wenig ernst genommen werden. Körperliche Symptome werden sofort anerkannt, psychische Probleme klein geredet - dabei sollte eigentlich klar sein, dass das immer zusammenhängt und sollten aufhören, das eine vom anderen zu trennen.

Aber es geht vor allem um die Gegenwart, um das Jetzt, denn das ist es ja, was wir kaum noch wahrnehmen. Dabei ist das Jetzt gerade das wichtige, der Moment, in dem wir etwas erleben, den wir mit allen Sinnen spüren sollten.  Was man nicht immer möchte, grade wenn es einem nicht gut geht und was macht man dann? Man lenkt sich ab. Das mach ich auch, aber bringen tut es im Endeffekt nichts. Denn man lenkt sich von sich selber ab und so schwer es auch scheint: wenn man lernt, sich so zu sehen wie man ist und sich zu akzeptieren, fühlt es sich extrem befreiend an.

Gerade das wird uns aber ständig eingeredet: dass wir nicht "vollständig", nicht "richtig" sind: zu dünn, zu dick, zu arm, zu reich, zu langweilig, zu selbstbewusst, zu dumm, zu überheblich usw. aber das sind Bilder aus der Welt von anderen, nicht unsere eigenen - und auf die kommt es an. Wenn man zufrieden ist mit sich selbst, kann einen nichts mehr so runterziehen. Das ist natürlich nicht einfach, Werbung und Nachrichten tun ihr übriges, um uns ein verzerrtes Bild zu zeigen. Sich davon abzugrenzen, grade auch was die sozialen Medien betrifft, ist oft ein innerer Kampf, aber es lohnt sich, sich ihm zu stellen.

Auch die Grübelei darüber, was man alles hätte tun und erleben können täuscht uns darüber hinweg, was wir schon erlebt haben und hält uns davon ab die Dinge und Gefühle zu genießen, denen wir tagtäglich begegnen. Das ständige Schüren von Ängsten, was uns überall begegnet, manipuliert uns uns lässt uns nicht sehen, das gleichzeitig auch so viel gutes in der Welt passiert.
Dazu gehört auch das Loslassen, denn Kontrolle ist eine Illusion. Wir haben keine Kontrolle über das, was passiert - das kann einem Angst machen, kann einen aber auch entlasten, frei machen von zu viel Verantwortung darüber, was wir einfach nicht ändern können. Nur an uns selbst können wir etwas ändern und es ist selbstverständlich, Fehler zu machen oder auch seine Vorstellungen zu ändern ... das macht uns zu Menschen und nicht zu Robotern.

Matt Haig erwähnt hier auch das Experiment, das wissenschaftliche Belege dafür ergeben hat, dass die Natur gut ist für Körper uns Seele. Dafür braucht man Belege? Ernsthaft?
Er findet aber auch wunderbare Worte über das Lesen von Büchern - das ja oft als Flucht vor der Realität gesehen wird. Aber es kann auch ein Weg zur Wahrheit sein, zur Wahrheit über einen selbst!

Ich hab in diesem Buch nicht viel neues erfahren, aber ich konnte mir wieder viele kleine, aber wichtige Dinge bewusst machen, die ich immer wieder vernachlässige oder vor mir hergeschoben habe. Außerdem schreibt Matt Haig super sympathisch, offen, manchmal ernst, aber auch mit Humor, was das ganze zu einem positiven Blick auf die Zukunft macht. Eine Zukunft, die jeder für sich selbst entscheiden muss. Denn jeder schafft sich seine eigene Welt und am besten schafft er sie sich so, wie er sie gerne möchte.
Nach den Hoffnungen und Forderungen anderer zu leben ist nicht MEIN Leben, deshalb lasst euch nichts einreden und seht euch selbst als etwas besonderes, als einzigartig.


Zitate

"Die ganze Konsumgesellschaft basiert darauf, dass wir 
nicht mit dem zufrieden sind, was wir haben, sondern immer
etwas Neues wollen. Das fast perfekte Rezept zum
Unglücklichsein." Seite 57 

"Symptome werden stärker, wenn man sie unterdrückt.
Ablenkung ist ein Fluchtversuch, der selten gelingt.
Man löscht ein Feuer nicht, indem man es ignoriert.
Man muss das Feuer zur Kenntnis nehmen." Seite 200

"Denk an die Menschen, die du in deinem Leben geliebt oder
gerngehabt hast. Und dank denk an die Freude, die ihr Anblick
bei dir auslöst. Diese Freude hat nichts damit zu tun, wie sie
aussehen, sondern nur damit, wer sie sind." Seite 240

"Tu nicht, was andere von dir erwarten.
Tu, was dir sinnvoll erscheint.
Du hast nur ein Leben. Lebe es nach deinen Vorstellungen." S. 260


Meine Bewertung

http://blog4aleshanee.blogspot.de/search/label/4%20Sonnen

© Aleshanee


Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.


Über den Autor:  Matt Haig wurde 1975 in Sheffield geboren und hat bereits eine Reihe von Romanen und Kinderbüchern veröffentlicht, die mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet und in über 30 Sprachen übersetzt wurden. In Deutschland bekannt wurde er mit dem Bestseller ›Ich und die Menschen‹. 
Quelle: dtv Verlag


In dem Zusammenhang kann ich immer wieder auch das Buch "Momo" von Michael Ende empfehlen, der "damals" schon mit dieser Geschichte zeigt, dass wird die Zeit viel zu oft mit unnützem verbringen und nicht mit den Menschen, die uns am Herzen liegen oder Dingen, die uns wichtig sind.

Meine Rezension zu Momo



14 Kommentare:

  1. Wow das klingt interessant , ich kann mich immer schwer überwinden so ein Buch zur Hand zu nehmen es ist einfach so wahr. Aber das hier kommt auf die Wunschliste, toll geschrieben !

    Liebe Grüße Nessi von Nessis Bücher

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    1. Dankeschön Nessi <3

      Ich lese solche Bücher eigentlich auch nicht, weil es meist einfach nichts neues gibt für mich was drinsteht. Wie schon gesagt weiß ich eigentlich, woraus es ankäme, man macht es sich nur einfach zu wenig bewusst.

      Er hat hier wirklich viele Dinge angesprochen, kurz und prägnant, deshalb ist es sehr gut, wenn man sich einfach mal wieder etwas mehr vom Alltag entfernen und zu sich selber finden möchte.

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  2. Hallo Aleshanee,

    was für eine tolle Rezension! Es hat mir ganz großes Vergnügen bereitet, deine Worte zu diesem Buch zu lesen. Das Buch selbst ist zwar nichts für mich, weil ich mich mit dem Thema nicht bewusst auseinandersetze, aber deine Rezension ist der Hammer!

    Liebe Grüße,
    Nicole

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    1. Ganz lieben Dank Nicole, das freut mich sehr! So ein tolles Lob hört man natürlich gerne <3

      Ich frag mich grade natürlich, warum du das Thema "meidest"? ^^ Hast du deine eigene Strategie entwickelt wie du dem Stress aus dem Weg gehst? Oder geht das alles einfach an dir vorbei?

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    2. Nein, ich meide es nicht. Aber für mich ist es so klar, dass ich mich damit gar nicht weiter auseinandersetzen will. Man muss sich halt immer selbst an der Nase nehmen, wenn etwas im Leben nicht funktioniert. Zum Beispiel habe ich auch total gern neue Sachen. Ich frage mich dann, brauche oder will ich es wirklich? Wenn die Antwort ein deutliches Ja ist, dann kaufe ich es mir. Ansonsten halt nicht. Dafür habe ich dann das Geld für die Sachen, die ich wirklich will (auch wenn ich sie nicht brauche :P).

      Ich bin eher für Stress anfällig, weil ich gedanklich meist zwei bis drei Schritte weiter bin. Daran arbeite ich bewusst, dass ich mich auf die Sache konzentriere, die ich grad mache. Aber mal ehrlich, auch wenn man nicht alle To-dos auf einer Liste sofort abhaken kann, davon geht die Welt nicht unter. Ich glaube, wir nehmen vieles viel zu wichtig und die wirklich wichtigen Dinge verschwinden zu sehr im Hintergrund. Und das ist ebenfalls keine neue Erkenntnis sondern Hausverstand.

      Ich versuche halt selbst - mit Hausverstand - meine Lebensmitte zu finden. Was ist mir wichtig? Worauf kann ich verzichten? Was brauche ich, damit es mir gut geht? Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Dabei kann mir kein Buch, Ratgeber, Coach oder sonst was helfen.

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    3. Ja, das ist richtig, freut mich, dass du so denkst. Dir ist es bewusst - vielen ist es aber leider nicht bewusst und da kenne ich alleine in meinem Bekanntkreis nicht wenig ...

      Ich selber weiß das auch alles, was in dem Buch steht - aber wissen und selbst es sich bewusst machen heißt (zumindest bei mir) - noch lange nicht dass ich es auch umsetze. Das verschwindet ganz schnell wieder im Alltagstrott und schon bin ich in meinen üblichen Mustern drin.
      Ich "arbeite" ja schon seit Jahren an mir und es wird definitiv besser, aber gerade deshalb war so ein kleiner Push in die richtige Richtung wieder ganz gut.

      Das hat auch ein bisschen mit meinem Bauchgefühl zu tun: wenn ich so eine Art Buch sehe und denke "ja, das würde mich jetzt doch interessieren", ist es einfach mal wieder Zeit mir bestimmte Dinge ins Gedächtnis zu rufen.

      Ich hab auch eine Menge zu planen und hab öfter Stress als mir lieb ist, aber durch die Pausen die ich mir gönne und die Zeit die ich mir für mich selbst einplane, wird der "Stressfaktor" immer weniger. Aber ich bin halt noch lange nicht "am Ende" angelangt oder zumindest da wo ich hinwill ;)

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    4. Ja, der Alltagstrott ist fies und holt einen schnell aus der Mitte. Hier helfen mir unsere Reisen und der Urlaub an sich. So komme ich aus dem Alltag raus und konzentriere mich auf das Wesentliche. Mir ist aber bewusst, dass das eben nicht bei jedem geht, und ich diesbezüglich in einer glücklichen Situation bin. Wobei der Urlaub für mich ein Will-ich-unbedingt ist, und ich dafür bei anderen Dingen straff spare.

      Bezüglich der Ratgeber: ich bin meistens enttäuscht davon, weil sie doch immer Plattitüden beinhalten. Mir ist es bisher selten passiert, dass ich einen Ratgeber richtig schön ins 'echte' Leben integrieren konnte. Aber wenn es um Bewusstseins-Bildung geht, kann ich sie mir doch gut vorstellen.

      Besonders dieses Magic-Cleaning-Thema hat es mir auch ein bisschen angetan, weil es im Großen und Ganzen meiner 'eigenen' Philosophie recht ähnlich ist. Zwar habe ich kein Buch dazu gelesen, mir aus dem Internet aber ein paar Tipps geholt.

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    5. Mir reichen eigentlich die Reisen, die ich in den Büchern unternehme *lach* Ich bin kein so großer Urlaubsfan muss ich sagen - was mich wirklich reizen würde, wäre meinen Rucksack zu packen und dann 1-2 Jahre komplett weg aus Europa und zu Fuß meinen Weg machen. Aber da trau ich mich einfach nicht^^

      Ratgeber gibts ja wie Sand am mehr; ich hab früher einige Bücher gelesen zu verschiedensten Themen und ich hab mittlerweile einige Menschen gefunden, die mich sehr inspirieren und zum Nachdenken gebracht haben. Das bringt mir auch mehr, weil bei den Büchern muss man sicher wirklich rauspicken, was einem tatsächlich noch was bringt. Das meiste weiß ich/man ja eigentlich eh.

      Jetzt musste ich grad erstmal googeln :D Magic-Cleaning. Ja ich kann mir vorstellen, dass das was bringt. Aber was ich jetzt im kurzen so überflogen habe: das mach ich eigentlich eh schon seit Jahren ;)

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  3. Hallo Alex,

    eine sehr, sehr guter Beitrag, in dem sehr viel Wahrheit steckt. Unsere Gesellschaft bewegt sich scheinbar auf einen Abgrund zu. Null Tolleranz, das Schüren von Angst, Gewalt und keine Akzeptanz für das Anders sein. Da ist es gut, sich auf sich selbst zu konzentrieren und Kraft aus den positiven Dingen für sich zu ziehen. Auf das neue Buch von Matt Haig freue ich mich auf jeden Fall und möchte es bald hören.

    Ich wünsche dir frohe Ostern und liebe Grüße,
    Uwe

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    1. Hi Uwe, vielen Dank <3

      Das Besinnen auf sich selbst ist ein wichtiger Schritt, ich denke, vor allem das Besinnen darauf, was für selber fühlen, also das Bauchgefühl, das ja meist gar nicht mehr wahrgenommen wird.
      Wie du schon sagst, das Schüren von Angst wird uns ja tagtäglich eingetrichtert und davon Abstand zu nehmen ist ein essentieller Schritt. Das funktioniert ja leider schon seit Jahrhunderten in den Gesellschaften und es wird Zeit, dass wir aufwachen und viel genauer hinschauen, was tatsächlich um uns herum passiert.

      Ich wünsch dir viel Spaß beim anhören und auch schöne Osterfeiertage!

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  4. Das Buch steht auch noch auf meiner Wunschliste, ich könnte ein ganzes Buch nur mit Zitaten von Matt Haig füllen. Ich liebe seine Worte und Ansichten und allein deswegen muss das Buch einfach auf meine want-to-read-Liste =)

    Frühlingshafte Grüße
    Vivka

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    1. Ja, da gibt es wirklich eine Menge "Zitate Weisheiten", ich hab mir da auch sehr viel angestrichen, an sich hätte ich die Rezension einzig mit den Zitaten machen können xD
      Ich wünsch dir jedenfalls viel Spaß beim Lesen und guten Input <3

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  5. Hallo Aleshanee,

    das Buch begibt sich nicht auf neues Terrain, sondern appelliert und macht bewusst. Ich denke, dass ist bei fast allen Büchern so, die sich mit unserer schnellen Zeit, Konsum, Umwelt und dem Mdnschen selbst beschäftigen.

    Ich finde es gut, dass der Strom an Büchern mit solcher Thematik nicht nachlässt. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen auch über seinen Schatten zu springen.

    Liebe Grüße
    Tina

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    1. Jap, sich das alles wieder bewusst zu machen ist definitiv gut. Aber einige neue Ansätze - also neuen Input für mich - würde ich mir schon mal wünschen :D
      Der Strom an Büchern hilft halt nicht, wenn jeder nur nickt und "ja ja" sagt, im Endeffekt aber nix ändert - ich denke das wird wohl ein ewig langer Prozeß werden, leider. Aber es hat ja auch lange gedauert bis wir soweit waren, als Gesellschaft, wie wir jetzt sind ^^

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