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Montag, 8. Februar 2021

Außergewöhnlich: Piranesi von Susanna Clarke

Susanna Clarke
Piranesi von Susanna Clarke



Ein riesiges Gebäude, in dem sich endlos Räume aneinanderreihen, verbunden durch ein Labyrinth aus Korridoren und Treppen. An den Wänden stehen Tausende Statuen, das Erdgeschoss besteht aus einem Ozean, bei Flut donnern die Wellen die Treppenhäuser hinauf. In diesem Gebäude lebt Piranesi. Er hat sein Leben der Erforschung des Hauses gewidmet. Und je weiter er sich in die Zimmerfluchten vorwagt, desto näher kommt er der Wahrheit – der Wahrheit über die Welt jenseits des Gebäudes. Und der Wahrheit über sich selbst.
 
 
 
 
 
  
Meine Meinung
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Ein äußerst beeindruckendes Buch, bei dem ich mir wirklich schwer tue, Worte dafür zu finden.
Der Erzähler, Piranesi genannt, ist Wissenschaftler und sozusagen Erforscher des Hauses, in dem er lebt und das wortwörtlich grenzenlose Ausmaße zu haben scheint. Es besteht aus großen Hallen, Vestibülen und meterhohen Treppen, die sich in alle Himmelsrichtungen erstrecken und auch in tiefere Geschosse führen, in denen das Meer mit Ebbe und Flut die Räume umspült - aber auch in lichte Höhen voller Wolken und Vögel. 
Vor allem gibt es aber überall unzählige Säulen und Statuen mit Menschen, Tieren, aber auch phantastischen Wesen in unterschiedlichen Positionen und Tätigkeiten, die die Fantasie von Piranesi jeden Tag aufs neue anregen.

Piranesi verbringt seine Tage damit, diese Säle zu erforschen und hat auch begonnen, sich mit Dem Haus als Seiner Welt auseinander zu setzen, in dem er Ereignisse mit sich selbst und seinem Schicksal verbindet. 
Das fand ich wunderschön, denn es zeigt, wie verbunden er sich mit "seiner Welt" fühlt und - wie er selbst sagt - die Welt mit ihm spricht und ihm Zeichen sendet, für ein besseres Verständnis. 
 
Das Erforschen, was hinter den Grenzen ist, das besondere Wissen zu entdecken, was in diesem Haus versteckt sein soll, ist sein vorrangiges Ziel; allerdings wurde ihm das vorgegeben von Dem Anderen. Dem einzigen, lebenden anderen Menschen, dem er begegnet. 
Der Zweck dieser Suche wird schon auf den ersten Seiten erläutert und zeigt die typischen Bestrebungen, die viele Menschen schon seit langer Zeit immer wieder zu enträtseln streben: Unsterblichkeit, Telepathie, Macht, um nur einige zu nennen. 

Doch Piranesi selbst kann diese Faszination dafür nicht so recht teilen. Er ist ein sehr genügsamer Mensch, der völlig aufgeht in der Entdeckung all des wunderbaren, was sich ihm in Seinem Haus zeigt. Er hat Wasser zur Verfügung, geht auf die Jagd nach Fischen, die sich im Meer in den unteren Sälen tummeln und erfreut sich an den Vögeln, die immer wieder in Scharen die Hallen durchqueren. Vor allem die Statuen in diesem riesigen Labyrinth wachsen ihm ans Herz und zeigen ihm eine unerschöpfliche Fülle an Leben.

Ist es dem Haus gegenüber respektlos, einige Statuen lieber zu mögen als andere? Manchmal stelle ich mir diese Frage. Meine Überzeugung ist, dass Das Haus selbst alles, was es schuf, in gleichem Maße liebt und segnet. Sollte ich dasselbe versuchen? Doch ich stelle auch fest, dass es in der Natur des Menschen liegt, eines einem anderen vorzuziehen, eines als bedeutungsvoller als ein anderes zu empfinden.
Zitat Seite 27

Sich die Welt zu erschließen, um sie zu verstehen wird hier sehr schön deutlich anhand eines Vogelschwarms, in dem Piranesi ein Muster zu erkennen versucht, um eine mögliche Bedeutung für sich selbst herauszulesen. Das erinnert an alten Aberglauben, an Symbolik und den Versuch, sich selbst in das naturgegebene Leben mit einzubeziehen. 
Überhaupt schwingen hier eine Menge philosophischer Themen mit, die einen beim Lesen zum innehalten bewegen. Vor allem die Vorstellung der Menschen vor langer Zeit, denen das Leben nicht mit der Natur, sondern in die Natur integriert möglich war, löst eine Sehnsucht und Verbundenheit aus, die uns leider zu sehr abhanden gekommen ist. 

Piranesi berichtet dies alles in seinen Tagebucheinträgen und ich muss gestehen, dass ich auf den ersten Seiten noch nicht so ganz überzeugt war, ob mir diese Geschichte gefallen wird. Seine Beschreibungen sind sehr von den Örtlichkeiten geprägt, da sie seine einzige Orientierung sind und die Nummerierungen der Säle und Wegweiser war mir anfangs etwas zuviel. Dann entsteht jedoch ein Sog, der mich nicht mehr losgelassen hat und auch eine Spannung, die durch die Interessen Des Anderen geschürt wird. Dieser besucht ja Piranesi regelmäßig und erwartet von ihm Unterstützung in seiner Suche nach "dem Wissen". Die kurzen Momente dieser Treffen lassen allerdings schnell erkennen, dass dessen Intention eher kalte Berechnung innewohnt als freundschaftliche Zusammenarbeit. 

Die naive, fast schon kindliche Art von Piranesi bröckelt schließlich. Denn obwohl er ein unbefangenes und höchst liebenswertes Staunen in sich trägt, ist er nicht dumm und erkennt nach und nach mehr, als vielleicht gut für ihn ist.

Ich spürte Wut in mir aufwallen und überlegte kurz, ihm nicht zu erzählen, was ich weiß. Aber dann hielt ich es für nicht nett, ihn für etwas zu bestrafen, für das er nichts kann. Es ist nicht seine Schuld, dass er die Dinge nicht so sieht wie ich.
Zitat Seite 60

Ein wunderschöner Moment wie ich finde und ein so wichtiger Gedanke! Dieses naive Staunen hat so eine ursprüngliche Faszination in sich und verbindet sich mit den klaren Erkenntnissen, zu denen er gelangt. Wie eben, dass jeder eine andere Sicht auf die Dinge hat und darin keine "Schuld" zu finden ist.

Genauso seine Gedanken dazu, den Sinn dahinter ergründen zu wollen. Den Sinn hinter dem Haus, das Rätsel der Welt, um sie zu entschlüsseln, um ... über sie zu gebieten? Um den Wundern den Zauber zu nehmen? Die Schönheit in ihre Einzelteile zu zerpflücken?

Ich stellte fest, dass die Suche nach dem Wissen uns veranlasste, Das Haus als eine Art zu lösendes Rätsel zu betrachten, einen zu deutenden Text, und dass es, falls wir  Das Wissen jemals entdecken, sein wird, als wäre Dem Haus sein Wert abgerungen worden, und alles, was bliebe, wäre reine Kulisse.
Zitat Seite 73

Eine äußerst faszinierende Geschichte, die eine spannende Aufklärung bereit hält, die aber den Reiz hat, nicht alles völlig offenzulegen. Dieses Haus trägt eine Menge Geheimnisse in sich und der Versuch, sie alle zu enträtseln, würde die Magie dieses Ortes zerstören. Die Andeutungen dazu haben mir jedenfalls gereicht, um eine Vorstellung dazu zu bekommen und ich habe Piranesis Gedanken gerne gelauscht, die einen wieder näher an sich selbst heranbringen. 

Der Name "Piranesi" gehört übrigens einem berühmten Künstler und Archäologen, der im 18. Jahrhundert gelebt hat und für seine Ideen in vielen Bereichen der Architektur bekannt war.


Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
 
 
Ebenfalls rezensiert von 
 
 
 

 

Piranesi von Susanna Clarke

 
Genre fiktiver Roman
Im Original Piranesi - übersetzt von Astrid Finke

Verlag Blessing - Seitenzahl 272
1. Auflage Oktober 2020


 
 
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Wir schreiben das Jahr 1806. Seit Jahrhunderten gibt es keine Zauberei mehr in England. Doch während auf dem Festland der Krieg gegen Napoleon tobt, entdecken die Zaubereihistoriker, dass es noch einen praktizierenden Magier gibt: Mr. Norrell, ein Einzelgänger, der zurückgezogen in Hurtfew Abbey in Yorkshire lebt. Noch ehe sich Regierung und High Society von dieser Überraschung erholt haben, taucht ein zweiter Zauberer auf: der junge, charismatische Jonathan Strange. Die beiden Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, schließen sich im Dienste der Krone zusammen, um in den Krieg einzugreifen. Doch Strange wird von der dunklen, mysteriösen Magie des Rabenkönigs angezogen, des größten Zauberers aller Zeiten. Um mehr über ihn zu erfahren, riskiert er sogar die Freundschaft zu seinem Mentor. Doch Mr. Norrell hat ebenfalls ein magisches Geheimnis, das ihn und alles, was er sich aufgebaut hat, zerstören könnte, wenn es jemals ans Licht käme ...
 

 

 
 
 
      

11 Kommentare:

  1. Guten Morgen Aleshanee,

    den Roman habe ich auch auf der Wunschliste (ebenso wie Jonathan Strange & Mr. Norrell). Deine Rezension macht richtig Freude darauf, das Buch dann irgendwann selbst zu lesen. Sehr schön geschrieben! :)

    Liebe Grüße

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    1. Ganz lieben Dank <3 Es war echt schwierig, das ganze in Worte zu fassen...
      Ich wünsch dir jedenfalls ganz viel Spaß damit, wenn du es dann liest!

      Auf Jonathan Strange bin ich jetzt natürlich umso gespannter. Das ist ja wieder was ganz anderes und vor allem auch ein mega dicker Schmöker :D

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  2. Hallo Aleshanee,

    "Piranesi" habe ich im November gelesen und fand die Geschichte auch ganz besonders! Schön, dass es dir auch gefallen hat.
    Ich verlinke deine Rezension gerne bei mir. :)
    "Jonathan Strange & Mr. Norrell" ist im Dezember bei mir eingezogen und möchte ich ebenfalls bald lesen. :)

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. "Jonathan Strange..." wartet ja schon länger bei mir, aber das ist halt auch so dick *lach* Deshalb hab ich jetzt vorher doch Piranesi ausprobieren wollen. Jetzt freu ich mich umso mehr auf das andere - und dass es so viele Seiten hat :)

      Vielen Dank! Deine Rezension hab ich wohl mal wieder übersehen... die füge ich gerne noch mit ein!

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  3. Hi Aleshanee,

    find ich gut, dass Dir das Buch gefallen hat. "Jonathan Strange" habe ich tatsächlich auch angefangen zu lesen und habe dafür "Dune" pausiert, das ich nach der Graphic Novel angefangen habe. Beides sind allerdings gute Schwergewichte, aber beide machen bisher viel Spaß :)

    Viele Grüße
    Frank

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    1. Auf Jonathan Strange bin ich jetzt noch mehr gespannt. Ist sicher was ganz anderes, aber sicher auch so gut :)
      Ich hab auch einige Schwergewichte, ich lese grade (neben Dunkelgrün fast schwarz) Terror von Dan Simmons, auch ein ganz schöner Schinken ^^
      Aber ich mag nur 1 so dickes pro Monat lesen ...
      Im März ist The Stand dran :D

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    2. Oh, cool. Als ReRead oder kennst Du den noch nicht? Wenn Du The Stand noch nicht kennst, dann lies es langsam und genieß es - ich find, das ist einer seiner besten.

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    3. Komplett neu :D
      Die Serie läuft ja an, jetzt wirds Zeit dass ich es endlich lese!
      Ja, hab schon gehört, dass viele das zu einem seiner besten Bücher zählen.

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  4. Ahoi Aleshanee,

    Piranesi ist wirklich ein außerordentlich ungewöhnliches, merk-würdiges Buch... Mir hat es dann letztlich nicht so gut gefallen wie dir; irgendwas fehlte mir einfach. Die Beschreibungen und der Aufbau sind aber wirklich grandios!

    Wenn du magst, hier meine Rezension :)

    Liebe Grüße
    Ronja von oceanloveR

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  5. Huhu Aleshanee,

    ich habe das BUch jetzt auch gelesen, weil es in meinem Lesekreis vorgescalgenw orden war. Und du weißt ja, das Fantasy nicht wirkclih mein Genre ist. Ob Piranesi wirklich Fantasy ist - keine Ahnung. Es bleibt ja vieles offen zum Schluss.

    Mich macht das BUch etwas ratlos. ZUm einen hat mcih enttäuscht, dass so vieles am Ende offen bleibt, zum anderen war ich aber schon gefesselt und wollte wissen, wie die Geschichte ausgeht. Großartig fand ich die Welt in dem Haus, mit all den Statuen. Das hat mir sehr gefallen. Gewünscht hätte ich mir aber ein konkreteres Ende. Wie ich das in Worte fassen soll - in meiner Rezi meine ich - das weiß ich noch nicht ...

    LG Sabine

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    1. Ich habs ja als "fiktiver Roman" eingeordnet :)
      Fantasy Anteile hat es ja schon, da der Ort ja nicht in der realen Welt ist...

      Das Ende fand ich gut so. Hier hat es mich nicht gestört, dass einiges offen geblieben ist, die Botschaft ist ja auch so gut rübergekommen. Und wie es genau passiert sein konnte, dieser "Wechsel", das muss ich nicht so genau wissen ;)
      Ja, die Rezension hierzu ist mir auch echt nicht leicht gefallen.

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