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Dienstag, 23. Februar 2016

Rezension: Der Ruf des Henkers von Björn Springorum

 
Der Ruf des Henkers
von Björn Springorum

Genre: Historische Fantasy - Jugendbuch
empfohlen ab 13 Jahren

Verlag: Thienemann
Seitenzahl: 352
Hardcover: 14,99 €
ebook: 11,99 €

1. Auflage: Feb 2016



"Es war vielleicht gar nicht so schlecht, dass nicht alles, 
was in alten Sagen stand, erfunden war. 
Es brachte ein wenig Magie zurück in die Welt. 
Ein Gefühl von Abenteuer und Gefahr." S. 12


Klappentext

England, Mitte des 19. Jahrhunderts 
Unfreiwillig gerät Richard Winters in die Hände des berüchtigsten Henkers von ganz England. An der Seite von William Calcraft führt er fortan das finstere Leben eines Henkerslehrlings. Rasch merkt er, dass sein strenger Meister ein Geheimnis verbirgt, das seine Welt für immer aus den Angeln heben wird. Richard muss beweisen, dass er dieser Aufgabe gewachsen ist.

* * *

--- Beim Schreibstil --- fällt als erstes auf, dass aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Nicht unüblich - aber hier aus der Sicht von beiden Hauptprotagonisten im Wechsel. Sowas in der Art hab ich bisher noch nie gelesen und ich muss sagen, dass mir das sehr gut gefallen und ein ganz besonderes Lesen geschaffen hat.
Für ein Jugendbuch hat es Björn Springorum geschafft, einen guten Kompromiss zwischen dem einfachen Verständnis und einer fesselnden Wortgewandtheit zu kreieren. Die Atmosphäre einer düsteren Zeit, in der es noch Hinrichtungen am Galgen, den Beruf des Henkers und das Elend an jeder Straßenecke zu finden gab hat er wunderbar getroffen und seinen Stil sehr gut angepasst.
Allerdings hat er sich auch öfters mal wiederholt, was den Lesespaß zwar nicht gebremst hat, mir aber einfach aufgefallen ist.

Durch die Ich-Perspektiven fallen --- die Charaktere --- sehr ins Gewicht. Der Henker und sein Lehrling, die in dieser düsteren Zeit einem Beruf nachgehen, der allerorts nur Abscheu und Verachtung mit sich bringt.

  • William Calcraft ist es gewohnt, allein mit seinem Auftreten die Ängste der Menschen zu schüren, denn schon seit vielen Jahren zieht er als Henker durch das Londoner Umland. Doch er hat auch eine Mission zu erfüllen, die ihn misstrauisch und abweisend erscheinen lässt, grüblerisch und mürrisch. Ein typischer Einzelgänger, der sich durch die unerwartete Gesellschaft seines Lehrlings Richard einigen Veränderungen stellen muss. Doch es tut ihm gut, besser, als er es sich eingestehen würde, dennoch fällt es ihm extrem schwer, über seinen Schatten zu springen.
  • Richard Winters ist in einem Dorf an der Küste unweit von London als ungeliebter Sohn eines Pfarrers aufgewachsen. Er ist erst 14, als ihn der Henker durch ein unfreiwilliges Bündnis in die Lehre nimmt. Recht schnell merkt Richard, dass der Alte nicht nur verurteilte Verbrecher zu Tode bringt - und auch wenn die beiden trotz ihrer Verschiedenheit immer mehr zusammenwachsen, behält Calcraft vieles von seinem geheimen Wissen für sich. Richard wächst aber an seinen Aufgaben und das Geheimnis zu ergründen weckt seine Abenteuerlust. Dabei steht ihm jedoch seine Jugendliebe im Weg - eine blinde Schwärmerei, durch die er hin- und hergerissen wird zwischen der Loyalität zu seinem Meister und der Sehnsucht seines Herzens.

Außer den beiden gibt es noch den Juden Benjamin Goldberg, der dem Henker Unterschlupf bietet und seine reizenden Tochter Rose, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Ihre Gedanken erfährt man durch einige Tagebucheinträge, bei denen sie ganz unverblümt und liebenswert ihr Herz ausschüttet.
Und natürlich Elizabeth, derentwegen Richard nicht nur einmal in arge Gewissensbisse kommt.

--- Die Handlung --- beschränkt sich vor allem auf die beiden Protagonisten. Durch ihre Sichtweise konnte ich immer sehr gut nachvollziehen, was in ihnen vorgeht und wie sie mit sich und dem Schicksal kämpfen, dass das Leben ihnen beschert hat. Die Jagd nach den dunklen Feen, dem Mythos der grünen Insel, war sehr ungewöhnlich beschrieben, wobei mir da auch am Ende noch zuviel im Dunkeln geblieben ist. Da hätte ich mir gerne noch mehr gewünscht.
Etwas schade war, dass man schon sehr früh ahnt, worauf alles hinauslaufen wird, das hat ein bisschen die Spannung rausgenommen.

Alle Wege führen nach ... London. Ich liebe diese Stadt und darum liebe ich es auch, wenn sie wie hier so wunderbar treffend beschrieben wird. Zu der damaligen Zeit teilweise ein übles Pflaster: dreckig, stinkend, gefährlich; voller Bettler, Diebe und dunkler Gestalten und trotzdem mit einem gewissen Charme, dem ich mich einfach nicht entziehen kann :) Ein sehr guter Einblick grade auch für Jugendliche in ein Leben, wie wir es uns gar nicht mehr vorstellen können!

Als Thema ist mir hier vor allem das Vertrauen aufgefallen, wobei hier eher das mangelnde, denn weder William Calcraft noch Richard können sich dem anderen öffnen und die Wahrheit zulassen. Aus Angst, aus Scham, aus den Zweifeln an sich selbst. Dabei ist es so wichtig, in einer Beziehung, egal ob aus Liebe oder Freundschaft, dem anderen mit seiner Ehrlichkeit seinen Respekt zu zeigen.

Zitat

 Das war ja das Angenehme an ihm: Er machte keine Unterschiede.
Auf den Tod war mehr Verlass als auf jeden Menschen, den ich bislang kennengelernt hatte.
Er fragt nicht, woran jemand glaubte, woher jemand kam oder was jemand getan hatte.
Er holte die, die er zu holen hatte. S. 302

Fazit

Ein etwas ungewöhnliches Jugendbuch, das den Leser mitten in ein dunkles Abenteuer befördert. Eine Reise, eine Suche und ein dunkles Geheimnis werden in einen fesselnden Schreibstil und ein historisches England gekleidet, bei dem man kaum glauben mag, dass diese Verhältnisse gerade mal 150 Jahre her sind. Für Jung und Alt gleichermaßen zu empfehlen :)

Bewertung


© Aleshanee

Eine tolle Rezi dazu findet ihr auch von Philip bei Book Walk

Über den Autor: Björn Springorum, geboren 1982 in Calw, würde am liebsten am zweiten Stern rechts abbiegen, im Kleiderschrank eine neue Welt entdecken, durch einen Kaninchenbau ins Wunderland fallen, mit einem Ring unsichtbar werden, nur durch das Lesen eines Buches nach Phantásien reisen oder eine recht wagemutige Partie Quidditch spielen. Weil sich das alles als schwieriger herausstellt als gedacht, schreibt er eben solange seine eigenen Geschichten. Björn Springorum studierte Englisch und Geschichte, lebt, schreibt und liest in Stuttgart und wird von zwei Katzen gehörig auf Trab gehalten.

Über den Illustrator: Max Meinzold, geboren 1987, ist freischaffender Grafikdesigner und Illustrator. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Science-Fiction, Fantasy und der Kinder- und Jugendliteratur. Für seine moderne, innovative Buchgestaltung wurde er bereits für zahlreiche Preise nominiert. Er lebt und arbeitet in München.

Quelle: Thienemann Verlag


1 Kommentar:

  1. Das Cover finde ich richtig klasse und Deine Rezi hört sich auch gut an.

    Gruß und schönes Wochenende
    Babsi

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