Als ein toter Obdachloser in der Gerichtsmedizin eingeliefert wird, schenkt
niemand ihm einen zweiten Blick – niemand außer der jungen Ärztin Fanny
Goldmann. Ihr fallen Ungereimtheiten auf, aber keiner ihrer männlichen
Kollegen will auf sie hören. Daher obduziert sie die Leiche nachts heimlich.
Eine gefährliche Entscheidung, denn plötzlich findet sie sich mitten in einer
tödlichen Verschwörung rund um einen charismatischen Dieb und Kaiserin Sissis
verschwundene Diamantsterne wieder. Ihre Ermittlung führt Fanny von den
mondänen Salons und prunkvollen Palais der Oberschicht bis in die schäbigen
Spelunken und Bordelle der Wiener Unterwelt. Hier lauert an jeder Ecke der
Tod, dessen Opfer Fanny auf ihrem Sektionstisch ihre intimsten Geheimnisse
offenbaren ... (Verlagsinfo)
Wiener Blut von René Anour
Band 1 der historischen Krimireihe "Die Totenärztin"
Schauplatz Wien im Jahre 1908
Verlag Rowohlt -- Seitenzahl 416
1. Auflage Juni 2021
Meine Meinung
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Von René Anour hab ich ja schon den historischen Roman "Im Schatten des Turms" sehr gerne gelesen und war jetzt natürlich neugierig, wie ihm ein Krimi gelingt. Auch dieses Mal hat er den Schauplatz seiner Heimat gewählt, allerdings rund 100 Jahre früher.
1908 war die Medizin natürlich noch nicht auf dem heutigen Stand, allerdings gab es bemerkenswert viele neue wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Forschungen liefen sicher auf Hochtouren. Leider waren die gesellschaftlichen Konventionen noch nicht so weit, vor allem was das Los der Frauen anbelangt. Sie konnten zwar an der Universität ein Studium abschließen, doch um dann tatsächlich in diesen Berufen Fuß zu fassen, war es ein steiniger Weg.
Fanny Goldmann ist mit ihren unverheirateten 25 Jahren fast schon eine alte Jungfer. Ihr schlichtes Auftreten und dazu ihre Faszination der pathologischen Arbeit drängen sie ins Abseits des gesellschaftlichen Ansehens. Das hält sie jedoch nicht davon ab, ihren Weg zu gehen, auch wenn sie im gerichtsmedizinischen Institut nur als Gehilfin wirken darf und niemand ihren Doktortitel ernst nimmt.
Trotz einiger direkten Einblicke in Obduktionen bleibt alles aber recht unblutig und ohne unnötige Effekthascherei an grausigen Details. Ich fand das in dieser Art sehr gut gewählt, da es deutliche Einblicke zulässt ohne verstörende Bilder zu provozieren.
Als Fanny einem Mörder auf die Spur kommt, fängt sie an zu ermitteln. Niemand scheint sich für die tatsächliche Todesursache zu interessieren, aber gerade das ist der Grund, warum sie sich für diesen Beruf entschieden hat: für die zu sprechen, die nicht mehr dazu in der Lage sind.
Während sie die ersten Schritte unternimmt kommt die Handlung nur langsam in Fahrt. Die ersten 100 Seiten hat es mich nur mäßig fesseln können, auch wenn grade der österreichische Flair und die Amtosphäre aus der damaligen Zeit sehr lebendig beschrieben wurden. Ich hab mich wirklich zurückversetzt gefühlt und ein authentisches Bild erleben dürfen mit realen Schauplätzen und bekannten historischen Persönlichkeiten, die besucht bzw. erwähnt wurden.
Während der Beginn für mich eher so dahingeplätschert ist, wurde es dann aber richtig spannend, als Fanny einen, sagen wir mal, Verbündeten gefunden hat. Ab da hat es mich sehr gefesselt und die dynamische Entwicklung des Falls hat mir viel Spaß gemacht! Die vielen Facetten der Menschen und das Leben, in dem jeder seine Träume verwirklichen will, war äußerst lebendig und hat eine Menge Schwung in die Geschichte gebracht. Zwei-drei Sachen waren mir zwar etwas zu leicht dahingedreht, wo es hin sollte, aber wirklich gestört hat es dann im Endeffekt auch nicht.
Vor allem mochte ich aber auch Tilde sehr, Fannys Freundin, die das genau Gegenteil der etwas schüchternen und in sich gekehrten Gerichtsmedizinerin ist. Durch ihre unbeschwerte und flatterhafte Art ergänzen sich die beiden sehr gut!
Außerdem fand ich auch Maestro im Theater ganz fantastisch! Er spielt zwar eher eine Nebenrolle, dafür aber eine sehr wichtige, und ich hoffe sehr, dass er auch im nächsten Band wieder auftauchen wird. Ich hab ihn sehr ins Herz geschlossen :)
Vom Schreibstil her ist der Autor sich treu geblieben und hat eine einfache und flüssig zu lesende Art, die viele kleine Feinheiten in sich birgt und wieder etwas besonderes daraus machen. Schön auch der Wiener-Dialekt, auch wenn er nur bei wenigen Charakteren am Rande gebraucht wird, wie auch ein paar typische Bezeichnungen in österreichischer Mundart, was den Charme des Landes wunderbar unterstrichen hat.
Am Ende gibts ein sehr aufregendes Finale und eine überraschende Auflösung, die vielleicht etwas weit hergeholt scheint, sich aber nahtlos als logische Erklärung aller Fragen ergeben hat. Der kleine Teaser am Schluss macht mega neugierig auf die Fortsetzung und ich freu mich, Fanny bei ihrem nächsten Fall wieder begleiten zu können.
Im Anhang erklärt René Anour übrigens nochmal im wesentlichen, welche belegten historischen Details er mit eingebaut hat und bei welchen er seine Fantasie hat spielen lassen ;)
Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Autor und den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
Ebenfalls rezensiert von
Band 2 --- Wien, 1908. Die junge Gerichtsmedizinerin Fanny Goldmann liebt ihren Beruf.
Auch wenn die Vorstellung, tote Menschen aufzuschneiden – oder die Tatsache,
dass sie als Frau überhaupt arbeitet –, für viele ein Graus ist, fühlt sie
sich nirgends so wohl wie am gerichtsmedizinischen Institut. Doch ihr neuester
Fall gibt ihr ein Rätsel auf. Sie findet eine geheime Botschaft an der Leiche.
Ist die für sie bestimmt? Stammt sie vom Mörder? Fanny ahnt noch nicht, dass
dieser Mord der Auftakt zu einem Machtkampf zwischen zwei sehr gefährlichen
Männern ist. Dass nicht nur sie selbst, sondern auch ein Künstler namens
Gustav Klimt hineingezogen wird. Und dass sie unmögliche Entscheidungen
treffen muss, um die Menschen, die sie liebt, zu beschützen …
Liebe Aleshanee,
AntwortenLöschenschön, dass es dir auch so gut gefallen hat! ich freue mich shcon auf den zweiten band. Ist ja nicht mehr lange hin...
Liebe Grüße
Martina
Ja, das hat wirklich Spaß gemacht! Am Anfang hats zwar ein bisschen gedauert, aber dann lässt es einen nicht mehr los :D
LöschenFreu mich auch schon auf die Fortsetzung!
Ich finde die Zeit um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert spannend, weil in sehr vielen Bereichen Entwicklungssprünge erreicht wurden. Es war ja auch die Zeit der industriellen Revolution. Ich habe einen coming of age Roman geschrieben, der in dieser Zeit spielt. Allerdings in Deutschland von 1904 -1910. Wenn du Zeit und Lust hast, findest du auf der Homepage www.aktuelleromane.com mehr. Auch viele Hintergrundinfos zu Zeit und Gesellschaft. Liebe Grüße Reinhard
AntwortenLöschenDanke für den Tipp, werde ich mir mal anschauen :)
LöschenLiebe Aleshanee
AntwortenLöschenDas klingt ja super!! Ich habe schon einige Rezensionen zum Buch gelesen, die mich alle sehr neugierig gemacht haben und möchte nun - nach dem Lesen deiner Rezension - erst recht zu diesem Buch greifen.
Hoffentlich kommt es ganz bald dazu ;-)
Alles Liebe an dich
Livia
Das freut mich sehr! Ich fands wirklich sehr spannend - und Band 2 steht ja auch schon in den Startlöchern :)
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