Das Haus der verschwundenen Kinder
von Claire LegrandGenre: phantastischer Abenteuer-Grusel-Roman
Original: The Cavendish Home for Boys and Girls
empf. Alter ab 12 Jahren
Verlag: Heyne fliegt
Seitenzahl: 320
Hardcover: 14,99 €
ebook: 11,99 €
1. Auflage: Aug 2014
Kinder, ob Jungen oder Mädchen, gebildet oder unwissend,
müssen so oft wie möglich so still wie möglich sein.
Kinder sind weder klug noch erfahren genug, um selbst zu beurteilen,
was zu sagen ist und was nicht.
Daher müssen sie sich immer der Weisheit der Erwachsenen fügen.
Sie dürfen nie ungefragt sprechen. Sie dürfen nie widerspenstig sein.
Sie müssen außergewöhnlich sein, ohne vom Gewöhnlichen abzuweichen. S. 178
Zum Inhalt
Belleville - in diesem kleinen Städtchen ist der Name Programm. Die Menschen sind darauf bedacht, alles perfekt und ordentlich zu machen, alles, was außer der Norm läuft, ist verpönt.
Selbst die Kinder streben dem Vorbild ihrer Eltern nach, so auch die 12jährige Victoria, für die Ehrgeiz und Ideale an erster Stelle stehen. Freunde hat sie dadurch keine - bis auf den gleichaltrigen Lawrence Prewitt, der eigentlich so gar nicht zu ihrem Weltbild passt. Er ist verträumt, schludrig und sein Herz hängt nicht an guten Noten, sondern an der Musik, in der er sich regelrecht verlieren kann. Seine Freundschaft sieht Victoria allerdings eher als Projekt, als Herausforderung, ihn auf den rechten Weg zu bringen.
Doch eines Tages ist er verschwunden und an die Ausreden seiner Eltern, dass Lawrence bei seinen Großeltern ist, glaubt Victoria keine Sekunde. Keiner scheint zu wissen, wo er ist und ihr fällt auf, dass auch andere Kinder plötzlich nicht mehr da sind. Die Erwachsenen verhalten sich immer seltsamer und die Spur führt Victoria zu dem düsteren Anwesen des Kinderheims von Mrs Cavendish. Victoria muss mehr als einmal über ihren Schatten springen, um das Geheimnis aufzudecken, das ihr kleines Städtchen schon seit Generationen fest im Griff hat.
Meine Meinung
Das Cover hat mich hier schon irgendwie magisch angezogen, obwohl ich so überzeichnete Figruen nicht so gerne mag. Aber es passt auf jeden Fall perfekt zur Geschichte.
Diese wird aus der Sicht der jungen Victoria erzählt und ist vom Stil her sehr schön zu lesen, ohne dass man merkt, dass es eher ein Kinderbuch ist. Die Autorin transportiert eine sehr dichte Atmosphäre mit einer leicht gruseligen Stimmung, die sich durch die ganze Handlung zieht.
Victoria ist auf den ersten Blick ein eher unsympathisches Mädchen. Sie ist ehrzeigig, lügt nie, hat keine Geheimnisse und will immer und überall die Beste sein. Eine Note 2 wäre für sie eine Katastrophe, denn sie möchte es allen recht machen und setzt hohe Maßstäbe an sich selbst - wie auch an andere. Aber sie liebt auch die Herausforderung und setzt gerne ihren Willen durch. Ihr Freund hingegen, ihr "Projekt" Lawrence, ist das genaue Gegenteil. Ihn stört es nicht, wenn mal der Hemdzipfel aus der Hose hängt, wenn die Noten nicht ganz so erstklassig sind oder was andere über ihn denken. Als er verschwindet kreisen Victorias Gedanken nicht als erstes darum, vielleicht einen Freund zu verlieren, sondern diesen ungewohnten und ungemütlichen Zustand zu bereinigen, den sie in ihr kleines, perfektes System nicht einordnen kann. Sie macht dabei eine große Wandlung durch, wobei ihr auch gerade ihre innere Stärke hilft, die Gefühle außer Acht zu lassen und mit Mut und Verstand ihren Plan durchzusetzen - denn ein Versagen kommt für das Mädchen überhaupt nicht in Frage. Ihre Neugier treibt sie weiter und schließlich entdeckt sie, dass eine perfekte Welt ohne Makel keine "wirkliche" Welt sein kann.
Ungeachtet ihres radikalen Charakters habe ich sie ins Herz geschlossen, denn trotz ihrem Perfektionismus, ihres Siegeswillen und Ordnungsticks kann sie aus ihren Eigenschaften das positive ziehen und wie alle anderen Menschen auch möchte sie im Grunde ihres Herzens auch nur gesehen, akzeptiert und angenommen werden, so, wie sie ist.
Das ganze hat mich vor allem gegen Ende ein bisschen an Coraline von Neil Gaiman erinnert, denn die ganze Handlung durchzieht eine etwas skurrile, makabere Stimmung, von der ich mich leicht gefangen nehmen lassen konnte. Was mir als Thema bei Coraline oft nicht greifbar rübergebracht wurde, konnte Claire Legrand sehr zielgerichtet und ungeschminkt vor Augen führen. Die Gesellschaft in dieser Geschichte ist hier sehr ignorant, jeder ist so auf sich selbst und seinen kleinen Horizont beschränkt, dass das Schicksal Einzelner vollkommen nebensächlich und unrelevant ist. Die Botschaft, dass jeder so bleiben soll, wie er ist, mit all seinen Stärken und Schwächen, seinen Fehlern und seiner Individualität kommt hier sehr gut an. Gerade in der heutigen Zeit, wo es heißt, dass jeder so frei ist wie nie zuvor, wird man so vielen Dogmen ausgesetzt (gerade auch die Kinder), dass die wirklich wichtigen Werte dabei oft vergessen werden.
In der Mitte des Buches wurde die Handlung kurzzeitig etwas gestreckt und verwirrend, was die Spannung am Ende aber wieder gut aufgefangen hat. Als richtig gruselig hab ich es jetzt nicht empfunden, aber für ein Kind könnte es schon unheimlich sein. Vor allem manch grausame Strafen und Lieblosigkeit der Eltern sind sehr prägnant und es wird zum Schluss auch ziemlich abgefahren. Im Vordergrund stehen immer wichtige Eigenschaften wie Mut, Selbstvertrauen und Freundschaft.
Die Schwarzweiß Zeichnungen im Buch haben mir persönlich jetzt nicht so gut gefallen und erinnern in ihrem Stil an Kinderbücher von früher. Witzig fand ich die kleinen Käfer, die überall auf den Seiten verteilt auftauchen und eine wichtige Rolle spielen.
Zusammengefasst
Thematik: Individualität, Akzeptanz und der Glaube an sich selbst
Schreibstil: einfach, glaubhaft und lebendig, atmosphärisch dicht
Charaktere: skurril und überzeugend
Spannung: leicht gruselig und fast durchweg spannend
Umsetzung: ungewöhnlich, stimmungsvoll, mit einem elementaren Hintergrund
Fazit
Ein sehr skurriles, phantastisches Abenteuer mit einem leichten Gruselfaktor. Wichtige Werte werden vermittelt, in der heutigen genormten Gesellschaft nicht unterzugehen und die Individualität jedes Menschen zu akzeptieren.
Bewertung
© Aleshanee
Über die Autorin: Claire Legrand war Musikerin, bevor sie entdeckte, dass ihr das Schreiben noch mehr Spaß macht. "Das Haus der verschwundenen Kinder" ist ihr Debütroman, der mit dem Preis der New York Public Library als bestes Jugendbuch 2012 ausgezeichnet wurde. Die Autorin lebt und arbeitet in New Jersey.
Quelle: Heyne Verlag
Freut mich, dass dir das Buch so gut gefallen hat! :) Ich habe meine Rezension dazu vor ein paar Tagen veröffentlicht und konnte mich leider gar nicht damit anfreunden...
AntwortenLöschenLG, Anto ♥
Gleich mal nachgucken :D
LöschenHallöchen,
AntwortenLöschenach mensch, ich weiß nicht, ob ich das Buch lesen soll. Ich hatte es in meinem Überraschungspaket von Randomhouse mit drin, aber irgendwie .. ich meine, es ist ein Kinderbuch, oder? Aber weggeben werde ich es auch nicht. Dafür ist es einfach zu schön. :D Und wer weiß, vielleicht hat man ja selber mal Kinder. ;)
Liebst, Lotta
Es ist schon ziemlich strange ... aber ich finds besser und nicht gar so verwirrend wie Coraline.
LöschenIch kann damit eigentlich auch nicht soviel anfangen, aber das Buch wollte ich schon so lange lesen, hauptsächlich auch wegen dem Cover *g* und trotz der ganzen komischen Art und Weise hats mir gefallen :)
Hallo liebe Alex =)
AntwortenLöschenDas Buch habe ich auch noch auf dem SuB. Mal sehen wann ich das lese =)
Ich habe hier mal einen TAG für dich. Ich hoffe du machst mit =)
http://sunnyslesewelt.blogspot.de/2015/03/tag-versatile-blogger-award.html
LG Sunny <3
Ich liebe das Buch zu Coraline, auch der FIlm ist toll umgesetzt und skurril ist immer gut :)
AntwortenLöschenIch glaube, das Buch muss ich mir mal vormerken und es unbedingt auch bald lesen :)
Liebste Grüße ♥