Samstag, 10. Oktober 2015

Rezension: Der Reiter der Stille von Gonzalo Giner


Genre: Historischer Roman

im Original: El jinete del silencio
aus dem spanischen übersetzt von Barbara Reitz, Maria Zybak

Verlag: blanvalet
Seitenzahl: 768
Taschenbuch: 9,99 €
ebook: 8,99 €

1. Auflage: Okt 2014






Zum Inhalt

Andalusien, 1522

In einem Stall entbindet die unverheiratete Magd den kleinen Yago, entsprungen aus einem sehr flüchtigen Verhältnis mit dem angesehenen Plantagenbesitzer Luis Espinosa. Doch ebenso wie die Umstände seiner Geburt ist auch sein weiteres Leben von Schmerz und Enttäuschungen geprägt. 
Durch die grausame Erziehung seiner Tante und seinem daraus folgenden Unvermögen, sich anderen Menschen mitzuteilen, ist Yago ein nahezu unmenschlicher Weg bereitet worden, der ihn an den Rand der Gesellschaft drängt und der Willkür seiner Mitmenschen aussetzt. 
Ein paar kleine, zarte Lichtblicke schaffen es jedoch, ihn aus seiner in sich zurückgezogenen Welt hervorzulocken und die enge Verbundenheit zu Pferden rettet ihm nicht nur mehrfach das Leben, sondern zeigt ihm auch eine Chance zu entdecken, wer er wirklich ist.

Meine Meinung

Ich muss ja gestehen, dass ich hier im ersten Moment von dem Cover total begeistert war. Die Farben und das Arrangement haben mich sofort angesprungen und auch die Geschichte hat sich spannend angehört. 

Der Klappentext verrät leider meiner Meinung nach etwas zuviel. Deshalb war ich am Anfang etwas enttäuscht, weil ich nicht mit so einer ausführlichen "Vorgeschichte" gerechnet hatte. Ich konnte mich dann aber recht schnell darauf einstellen und fand gerade die Passagen um Yago faszinierend, gleichzeitig aber auch erschreckend. Was er hier erleben muss ist an Grausamkeiten kaum noch zu überbieten und ich habe sehr mit ihm mitgelitten. Umso beeindruckender fand ich, wie er es trotz seines Autismus immer wieder schafft, zaghafte Verbindungen mit der "Außenwelt" zu knüpfen und sich einer Normalität anzunähern, die ihm seit seiner Geburt verwehrt worden ist. 
In Einsamkeit und ohne Liebe aufzuwachsen, misshandelt und gefangen in beständiger Angst und Hilflosigkeit - ein Schicksal unter vielen zur damaligen Zeit, dass der Autor hier mit viel Feingefühl und Anschaulichkeit erzählt hat.

Es gab aber auch noch andere Handlungsstränge, die mich nicht alle gleichermaßen begeistern konnten
  • Das Leben von Yagos Vater, Luis Espinosa, der sich dem Ziel von Reichtum und Macht verschrieben hat und dazu über Leichen geht.
  • Fabián Mandrago, ein Inspekteur, der Luis Machenschaften auf der Spur ist
  • Der Kartäusermönch Camilo, der durch sein Mitgefühl eine große Rolle in Yagos Leben spielen wird und
  • Volker von Wortmann, ein deutscher Offizier und Kommandant der Leibgarde des Vizekönigs von Neapel, der eine große Wandlung durchmacht.
Das sind nur einige, denn auf Yagos Reise begegnen ihm noch viele weitere Figuren, die ihn in die tiefsten Abgründe der menschlichen Hölle führen, aber auch einige, die ihn wieder daraus hervorlocken. 

Viele Themen wurden in der Handlung angeschnitten; die Pferdezucht, der Glaube, die Seefahrt, die Sklaven, Krankheiten und Medizin, die Regierung, die Musik, die Kunst ... ein wirklich vielfältiges Spektrum, das aber sehr gut aufeinander abgestimmt war und sich auch wunderbar miteinander verwoben hat. Trotzdem waren mir einige Abschnitte zu langatmig und ich musste mich beim Lesen doch manchmal überwinden. Manche Wendungen und Verläufe sind mir zu umständlich gewesen und es gab auch sehr viele Zufälle, auch wenn sie geschickt kaschiert worden sind.
Manchmal hatte ich den Gedanken, dass es etwas zu viel war, was Yago in seinem Leben passiert ist, das soviel Unglück einem einzelnen Menschen gar nicht passieren kann! Dadurch war es aber auch umso realistischer, denn die damalige Zeit ist eben auch in vielerlei Hinsicht genau so gewesen.

Die Bewertung ist mir hier sehr schwer gefallen, weil gerade der Lebensweg von Yago mir imponiert hat und eindrucksvolle Momente geschaffen wurden; demgegenüber aber auch vieles andere streckenweise zäh und für mich leider auch langweilig war. Am liebsten würde ich die Sterne komplett weglassen - aber da ich es auf anderen Plattformen eh angeben "muss", hab ich mich für eine Zwischenlösung entschieden. Wirklich zufrieden bin ich damit aber auch nicht.

Zusammengefasst

Thematik: Zwischenmenschliche Abgründe und die heilsame Wirkung in der Arbeit mit Tieren
Schreibstil: detailliert, anschaulich auf etwas nüchterne Art
Charaktere: sehr differenziert und gut ausgearbeitet
Atmosphäre: düster und traurig
Umsetzung: etwas zu viel reingepackt, auch wenn es insgesamt stimmig war


Fazit

Beeindruckende und gut recherchierte Geschichte um Yago, der kaum Chancen hatte, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sein besonderes Gespür zu Pferden hat ihm jedoch einen Ausweg gezeigt, der ihm immer wieder den Mut gegeben hat, weiterzumachen und seinen Weg zu finden.

Bewertung

© Aleshanee

Eine tolle Rezension dazu findet ihr auch bei der Insi Eule


Über den Autor: Gonzalo Giner, 1962 in Madrid geboren, schrieb 2004 seinen ersten Roman, der in sechs Sprachen übersetzt wurde. Der Heiler der Pferde ist sein dritter Roman – und sein persönlichster, denn Gonzalo Giner studierte Veterinärmedizin und ist praktizierender Tierarzt. Er erzählt von der hohen Kunst der Tierheiler im Mittelalter, eingebettet in die prächtige historische Kulisse Spaniens im 12. und 13. Jahrhundert. 
Quelle: Blanvalet




8 Kommentare:

  1. Hey,
    das Buch ist eines der wenigen, die mich zum Weinen gebracht hat. Meistens vor Wut, weil die Menschen damals einfach grausam waren und Yago so viel passiert ist. Mich hat das Buch unglaublich beeindruckt.
    Lg Kerstin

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    1. Beeindruckt hat es mich auch, Kerstin, vor allem die Geschichte um Yago, das war wirklich extrem gut beschrieben und anschaulich erzählt. Aber das andere drum herum ... also damit konnte ich leider meistens nicht viel anfangen

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  2. Hallo Alex,

    das Cover spricht auf jeden Fall an. Von der Geschichte her klingt das auch nicht so schlecht, müsste man einfach mal ausprobieren.

    LG Jana

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    1. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es dir gefällt ^^

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  3. Ich hab das Buch mal bei Amazon gesehen, der Klappentext klang interessant. Gerade auf Grund des Themas rund um Pferde. Damals war ich skeptisch, weil ich wenig historische Bücher lese und mir nicht der Sinn nach so etwas düsterem stand. Ich denke, ich werde davon Abstand nehmen. Gerade wenn es in historischen Romanen langatmig wird, bin ich meistens raus. Danke für die Rezi. :)

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    1. Schade ... denn die Geschiche um Yago ist wirklich großartig beschrieben. Ich kann halt auch nicht einschätzen, wie andere diese "Passagen" empfinden, die für mich langatmig waren. Die Insi Eule liest das Buch auch grade, und sie findet es z. B. gar nicht langweilig ;)

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  4. So, nun habe ich meine Rezi auch endlich geschrieben und mir deine jetzt so richtig mit Verstand angucken können ;).
    Du hast es mal wieder auf den Punkt gebracht. Sehr schön erklärt. Ich kann deinen Zwiespalt gut nachvollziehen, für mich persönlich war das aber nicht so ein großes Problem wie du ja weißt, auch wenn natürlich neben Yagos Handlungsstrang alle anderen ziemlich verblasst sind und sich dadurch natürlich etwas zäher gestaltet haben an manchen Stellen. Mir hat es dennoch gefallen und ich denke, du bist mit deiner 'Zwischenlösung' auch gut dabei ;). Letztendlich habe ich ja auch nur einen halben Stern besser bewertet als du ;).

    Liebe Grüße
    Insi Eule

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    1. Ja, da waren wir doch wieder ziemlich nah beinander ;) Ich finde es ja auf jeden Fall lesenswert, auch wenn mir manches zu langatmig vorkam, ist es für andere vielleicht ja auch anders

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