Dienstag, 14. Juli 2020

Rezension zu Die Wälder am Fluss von Joe R. Lansdale

Rezension zu Die Wälder am Fluss von Joe R. Lansdale

Anfang der Dreißigerjahre entdeckt der elfjährige Harry in Texas die Leiche einer Schwarzen. Zusammen mit seiner Schwester macht er sich auf die Suche nach dem Mörder. Lansdales Held, der an Tom Sawyer und Huckleberry Finn erinnert, enthüllt sich die Düsternis eines Faulknerschen Südens voll Aberglaube, Gewalt und Rassismus.
(Klappentext)










Meine Meinung
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Auf die Bücher von Joe R. Lansdale bin ich durch Nicole aufmerksam geworden und vor allem das hier hat mich durch ihre Rezension neugierig gemacht - und es war ein absolut fesselnder, großartiger erzählter Kriminalroman!

Harry ist 11 Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und seiner 9jährigen Schwester Thomasia "Tom" am Sabine River in den Wäldern von OstTexas. Es ist eine harte Zeit, aber seiner Familie geht es gut, bis er eines Tages im Wald eine schlimm zugerichtete Leiche findet.
Es handelt sich um eine schwarze Frau und deshalb kümmert es keinen groß, was mit ihr passiert ist. Die Sklaverei ist zu dieser Zeit zwar abgeschafft, trotzdem herrschen noch immer die Vorurteile und der Umgang mit Schwarzen wird nachdrücklich und in aller brutalen Deutlichkeit gezeigt. 

Harrys Vater ist Constable in dem kleinen Städtchen und trotzdem auch er noch immer die anerzogenen Vorbehalte nicht ganz ablegen kann, empfindet er keinen Hass gegen diese Menschen - vor allem geht es ihm gegen den Strich, dass dieser Mord ungesühnt bleiben soll. Seine Vehemenz, dem Mörder auf die Spur zu kommen, hat für alle aber ungeahnte Folgen.

Von Anfang an wird man in diese Zeit zurückversetzt und mit dem Leben von Harry konfrontiert, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Es ist eine raue, aber sehr naturverbundene Lebensweise und spiegelt für mich sehr eindrucksvoll wieder, wie die Menschen damals gelebt und gefühlt haben.

"... Tom und ich trieben uns von morgens bis abends in den Wäldern herum. Das war nicht unüblich zu der Zeit. Die Wälder waren für uns wie ein zweites Zuhause." Seite 14

"... dass man damals viel früher mit dem Tod in Berührung kam als heutzutage. Man konnte ihm nicht ausweichen: Wir züchteten und schlachteten Schweine, wir jagten und fischten und waren somit ständig mit dem Tod konfrontiert. Vielleicht hatten wir dadurch mehr Respekt vor dem Leben - sinnloses Leid jedenfalls ließen wir nicht zu." Seite 15

Die Atmosphäre ist geprägt einerseits durch eine gewisse Unbedarftheit, der strengen, aber dennoch ungestümen Kindheit der Geschwister - andererseits natürlich durch die Arbeit und Ernsthaftigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen und den vielen Charakteren, die der Autor perfekt gezeichnet hat. 
Er schreibt sehr bildhaft, so dass man die Schauplätze immer direkt vor Augen hat, als säße man vor ihm und hört ihm beim Erzählen zu, während man sich völlig in der Geschichte verliert. 
Es gibt auch einige grausige Details, die sich aus der Ermittlung ergeben, allerdings kommt Joe R. Lansdale ohne Effekthascherei aus und zieht einen immer mehr in die tragischen Ereignisse, die Harrys Leben in diesen Monaten für immer prägen werden. 

Natürlich sind die altmodischen Moralvorstellungen und Vorurteile ständig präsent und zeigen ein deutliches Bild der Gesellschaft ...

"Man muss wissen, dass weiße Männer sich nicht für farbige Frauen zu interessieren hatten; was natürlich, wie jeder wusste, eine Lüge war, aber es war eine von diesen wohlerzogenen Lügen damals. Wie auch die, dass Frauen nur zur Fortpflanzung Sex hatten und alle jungfräulich waren, wenn sie heirateten." Seite 129

Es war sicher nicht leicht, der allgemeinen Stimmung gegenzuhalten und grade Harrys Vater hat hier schwer mit sich zu kämpfen. Aber ich mochte ihn, weil er sich dagegen gestellt hat und er seine offene, tolerante Haltung an seine Kinder weitergegeben hat. Er nimmt Harry ernst, fordert ihn und versucht, ihm Verantwortung beizubringen, was auch und gerade zu dieser Zeit eine Menge von Kindern in dem Alter gefordert hat. 

Es ist eine unglaublich gute Mischung aus einem bedrückendem Krimi, dessen Aufklärung viel Zeit in Anspruch nimmt, dadurch aber eher an Spannung gewinnt - und einem Roman über das Leben in den Wäldern am Fluss in einer Zeit, in der Diskriminierung, Härte und schlimme Schicksalsschläge an der Tagesordnung waren. Eine tiefgehende und beeindruckende Geschichte, die ich auf jeden Fall weiterempfehlen kann.


Meine Bewertung
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http://blog4aleshanee.blogspot.de/search/label/5%20Sonnen



Ebenfalls rezensiert von




Die Wälder am Fluss

von Joe R. Lansdale

Genre Kriminalroman
Schauplatz Texas in den 30er Jahren
Im Original The Bottoms
übersetzt von Mariana Leky

Verlag Dumont --- Seitenzahl 366
1. Auflage 2011 (im Original 2000)




10 Kommentare:

  1. Hallo Aleshanee,

    ich bin begeistert, dass du so begeistert bist! :) Eine großartige Rezension für einen großartigen Roman. Lansdale ist schon ein ehr besonderer Schrifsteller. Es war auch mein erstes Buch von ihm und mittlerweile kann ich gar nicht mehr genug von seinen Büchern bekommen.

    Liebe Grüße,
    Nicole

    P.s.: Herzlichen Dank für die Verlinkung <3

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    1. Auch dir ganz lieben Dank! Für den Tipp und für dein Lob <3
      Ich werde definitiv auch noch mehr von ihm lesen :)

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  2. Hallo Liebes,

    wow, deine Rezension ist so beeindruckend.
    Ich muss ehrlich sagen, dass ich wirklich nicht wissen möchte, wie es damals in dieser Region war. Weder für die Schwarzen, noch für die Weißen, die eben nicht dem Rassismus der Zeit erlegen sind.

    Ich werde mir das Buch definitiv einmal vormerken.

    Liebe Grüße,
    RoXXie

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    1. Dankeschön <3

      Das war sicher kein leichtes Leben und der Autor versteht es wirklich unglaublich gut, diese Atmosphäre zu transportieren. Ich kanns wirklich nur empfehlen :)

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  3. Eine wirklich sehr gute Rezi. Ich hab seine Bücher schon gesehen, aber noch nicht enger in Erwägung gezogen - aber jetzt muss ich sagen - ich wäre nicht abgeneigt hier mal ein bisschen intensiver meine Wunschliste zu füllen.


    Liebe Grüsse

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    1. Ich danke dir!
      Seine Bücher hab ich schon länger im Auge, und ich bin froh dass ich jetzt endlich dazu gekommen bin, etwas von ihm zu lesen! Das wird sicher nicht das letzte sein ;)
      Auch die Hap & Leonhard Reihe soll echt gut sein. Nicole und die anderen beiden aus der Leserunden-Gruppe schwärmen immer wieder davon :D

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  4. Huhu Aleshanee :)

    Eine sehr gute Rezension! Das Buch wäre glaube ich nicht so unbedingt was für mich, aber ich kann trotzdem sehr gut verstehen, warum es dir so gut gefallen hat. Die Thematik ist ja gerade auch sehr präsent. Ich werd das Buch mal im Hinterkopf behalten, für später ;)

    Lieben Gruß
    Andrea
    Meine Review of the month

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    1. Dankeschön!
      Ich hab es ja auch länger vor mir hergeschoben, denn an sich ist es eigentlich auch nicht so meine Richtung - aber so erlebt man immer wieder auch mal sehr positive Überraschungen :)

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  5. Hallo Aleshanee

    Du schaffst es immer sehr gut deine Eindrücke bildlich zu vermitteln. Ich war tatsächlich gerade in den Wäldern. Rassismus ist ja im Moment wieder ein ganz großes Thema. Sogar Reispackungen müssen umbenannt werden und Bilder verschwinden. Harrys Vater ist mir jetzt schon sympathisch, obwohl ich das Buch noch gar nicht gelesen habe. Danke für den tollen Tipp!

    Liebe Grüße,
    Gisela

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    1. Ganz lieben Dank, Gisela! <3

      Haha, ja Harrys Vater hat es natürlich nicht leicht, und auch wenn er manches noch einfach durch angewohnte Traditionen, aber er kämpft sehr dagegen an - und er versucht, diese "neuen" Wege an seine Kinder weiterzugeben, trotz vieler Gegenwehr von außen, das ist halt auch nochmal ein großer Pluspunkt!

      Ich könnte mir gut vorstellen, dass es dir gefällt :)

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