Dienstag, 12. Oktober 2021

Der Uhrmacher in der Filigree Street von Natasha Pulley

London, Oktober 1883 
 
Eines Abends kehrt Thaniel Steepleton, ein einfacher Angestellter im Innenministerium, in seine winzige Londoner Mietwohnung heim. Da findet er auf seinem Kopfkissen eine goldene Taschenuhr. Es ist ihm ein Rätsel, was es mit ihr auf sich hat. Sechs Monate später explodiert im Gebäude von Scotland Yard eine Bombe. Steepleton wurde gerade rechtzeitig gewarnt, weil seine Uhr ein Alarmsignal gab. Nun macht er sich auf die Suche nach dem Uhrmacher und findet Keita Mori, einen freundlichen, aber einsamen Mann aus Japan. So harmlos Mori auch scheint, eine Kette von unheimlichen Ereignissen deutet schon bald darauf hin, dass er etwas zu verbergen hat ... 

 
 
 
 
 


Der Uhrmacher in der Filigree Street von Natasha Pulley 


Genre Steampunk / magischer Realismus / Spionage
Schauplatz London / Japan Ende 19. Jahrhundert
Band 1 der Reihe "Der Uhrmacher"
Im Original  The Watchmaker of Filigree Street - übersetzt von Jochen Schwarzer
 
Verlag Hobbit Presse / Klett Cotta - Seitenzahl 448
1. Auflage September 2021



 
 Meine Meinung
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Ein äußerst ungewöhnliches Buch und völlig anders, als ich es erwartet habe! 

Thaniel Steepleton ist ein bescheidener und pflichtbewusster Mitarbeiter im Innenministerium von London im Jahr 1883, als eine Bombenanschlag angekündigt wird. Die ständige Bedrohung der irischen Nationalisten ist ein ernstes Problem und spielt hier immer im Hintergrund mit. Ein bisschen hat mich das ganze auch an einen Spionage Thriller erinnert, denn der phantastische Anteil kommt eher auf Umwegen und sehr dezent daher. 

Thaniel findet nämlich eine goldene Taschenuhr auf seinem Kopfkissen, die sein weiteres Leben völlig auf den Kopf stellen wird. Welche Bewandtnis es damit auf sich hat, verrate ich an dieser Stelle nicht ;) 
Die Uhr führt ihn jedenfalls zu Keita Mori, dem japanischen Uhrmacher in der Filigree Street, dessen Vorliebe für mechanische Spielereien eine ganz besondere Bewandtnis hat. 
Besonders ist auch die Beziehung, die sich zwischen den beiden entwickelt: Einerseits geprägt durch Thaniels Misstrauen, andererseits aber auch durch die zurückhaltende Offenheit von Mori, was zuerst eine unstimmige Verbindung spürbar macht, im Verlauf aber Entwicklungen durchmacht, die nicht wirklich greifbar sind, man aber dennoch wahrnehmen kann.

Thaniel fand ich eine sehr interessante Figur. Er ist eigentlich ein Künstler, der Musik und das Klavierspiel liebt, aber alles aufgegeben hat, weil er seine alleinstehende Schwester mit ihren Kindern finanziell unterstützen muss. Sein Leben wirkt trist und eintönig und er scheint keine Veränderung in der Zukunft zu sehen. 
 
Der Charakter des Uhrmachers bleibt undurchsichtig, bis man etwas mehr über seine Person in Rückblicken aus seiner Vergangenheit in Japan erfährt. 
Ebenso vage hab ich Grace wahrgenommen. Eine wissenschaftlich ambitionierte Studentin, die aus den Konventionen ausbrechen und ihren eigenen Weg gehen will, dem sich allerdings die Familie entgegen stellt. 
 
Alles wird sehr ruhig erzählt, unaufgeregt und in einem gemächlichen Tempo, dem ich mich gut anpassen konnte. Etwas gestört haben mich die plötzlichen Sprünge in andere Szenen und bei manchen Dialogen war ich mir nicht sicher, ob ich den Sinn dahinter tatsächlich verstanden habe. Man muss hier schon etwas konzentrierter lesen, um nichts zu verpassen, bekommt aber dafür auch einen sehr ausgefeilten Stil mit vielen leisen Hintergrundtönen geboten, der mir wirklich gut gefallen hat.  
Dabei streift alles oft immer nur die Oberfläche und es dauert etwas, bis man tiefer eintaucht, wenn man zwischen den Zeilen liest und sich dann alles wie Zahnrädchen ineinander fügt. 

Wissenschaftliche Thesen und Magie werden hier gegeneinander aufgewogen und das Konzept dahinter fand ich sehr faszinierend. Ohne zu spoilern ist es schwierig, mehr darüber zu sagen - es ist defintiv mal was ganz anderes, nicht unbedingt neu, aber in der Zusammensetzung auf jeden Fall einzigartig. 

Man darf keinen typischen Fantasyroman erwarten: es geht um Spionage, Rebellion, den Willen zur Umsetzung der eigenen Wünsche und was man dafür in Kauf nimmt. Um die Entscheidungen, die man trifft, um Schicksal und Zufall, und die Manipulation der zwischenmenschlichen Beziehungen, der auch eine Art Magie innewohnt.
Manches hätte dabei etwas klarer sein können, andererseits entwickelt das Ganze gerade durch die Latenz eine sehr ausgefallene Wirkung - wobei die Nähe zu den Charakteren ein bisschen auf der Strecke bleibt.
Auch die dezente Liebesgeschichte war zwar kaum spürbar, hat in ihrer Dosis aber genau gepasst und empfand ich als perfekt inszeniert. 

Zum Ende hin gibt es einige Überraschungen und eine tolle Auflösung mit einem überzeugenden Abschluss.  
Trotz der minimalen Kritikpunkte fand ich es insgesamt sehr fesselnd auch ohne reißerisches Drama und grade die ungewöhnlichen Figuren, die in kein Schema passen, hatten ihren eigenen ganz individuellen Charme. 


 Meine Bewertung
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Vielen Dank an netgalley und den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
 
 
 
 
Auch rezensiert von
 
Nenaties Bücherwelt (war enttäuscht) 
Booknapping (war begeistert)
 
 
 
The Watchmaker of Filigree Street
 
1 - Der Uhrmacher in der Filigree Street
 
 

10 Kommentare:

  1. Hi Aleshanee,
    schön, dass Dir der Roman auch so gut gefallen hat. Und eine schöne Rezension, in der Du es auf den Punkt bringst, was das Buch ausmacht. Klar kann ich verstehen, dass das Buch so manchen Leser enttäuscht, vor allem, wenn er mit einer falschen Erwartungshaltung darangeht. Ich freue mich in jedem Fall, wenn Teil 2 hoffentlich bald erscheint ;)
    Viele Grüße
    Frank

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    1. Dankeschön, freut mich dass ich es gut ausdrücken konnte.
      Zurzeit hab ich das Gefühl, dass ich bei den Rezensionen irgendwie gar nicht auf den Punkt komme *lach* Das macht wahrscheinlich die ständige Wiederholung, irgendwann denke ich, ich schreib immer nur dasselbe ^^

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    2. Ich glaube, dass dieses Gefühl viele Blogger haben, wenn sie vergleichsweise viele Bücher vorstellen. Und hin und wieder ist es sicherlich auch so, dass Phrasen und Redewendungen von jedem einzelnen immer wieder verwendet werden. Im Detail sind die Rezis dann aber doch unterschiedlich, wobei ich immer wieder feststellen muss, dass ich ältere Rezensionen gerne komplett abändern möchte und mich dann dazu zwinge, es nicht zu tun ... :)

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    3. Haha, in alte Rezensionen von mir schau ich gar nicht mehr rein... das liest sich teilweise echt schlimm *lach* Wenn ich da zum ändern anfangen würde, könnte ich gar nicht mehr aufhören :D
      Ich habs halt damals so geschrieben und gut ist.

      Allerdings drehe ich jetzt auch nicht mehr jedes Wort um und feile stundenlang dran, da hab ich anfangs schon erheblich mehr Zeit verbraucht. Jetzt schreib ich einfach was ich denke ohne groß jedes Wort auf die Waage zu legen. Natürlich gebe ich mir Mühe und möchte meinen Eindruck bestmöglich schildern, aber ich muss damit auch keine Preise gewinnen ^^

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    4. Ja, da ist was Wahres dran. Ich "gestehe", dass mir manchmal eine Rezension nicht gefällt, ich sie eigentlich komplett neu schreiben müsste, dann aber doch auf absenden drücke. Wir wollen ja keinen Pulitzer-Preis haben :D

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    5. Eben ... manchmal findet man einfach nicht so gut die richtigen Worte, aber was solls. Ich bin mittlerweile abgekommen zu viel Zeit zu investieren.
      Natürlich möchte man es so gut wie möglich formulieren, aber manchmal gelingt es besser als wann anders, so ist das nunmal :)

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  2. Hallo liebe Aleshanee,
    Der Uhrmacher in der F.Street hatte ich bislang noch gar nicht im Blick. Umso neugieriger war ich auf deine Rezension.
    Ich bin etwas skeptisch, ob das Buch etwas für mich sein könnte. Momentan brauche ich es etwas dynamischer, was die Geschichten angeht. Dennoch klingt das, was du über den Uhrmacher erzählst sehr interessant. Du hattest mich mit den leisen Hintergrundtönen; mit dem "zwischen den Zeilen lesen".

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Liebe Tanja, wenn du es etwas dynamischer magst, dann ist dann momentan wohl eher nicht so dein Fall... auch wenn an sich schon viel passiert, in meinen Augen, ist es einfach sehr ruhig eher etwas, worauf man sich konzentrieren "muss".
      Manche fanden es auch langweilig, aber dem kann ich mich nicht anschließen :)

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  3. Liebe Aleshanee,

    ich danke dir für deinen Besuch auf meinem Blog. Nun war ich ganz neugierig auf deine Rezension. Tatsächlich habe ich mich bei manchen Stellen auch wiedergefunden. So zum Beispiel bei deinem Eindruck, dass du dir bei manchen Dialogen nicht sicher gewesen bist, ob du den Sinn richtig verstanden hast. Das ging mir auch so, ziemlich oft wenn Matsumoto und Grace miteinander sprachen. Dann hatte ich oft das Gefühl, dass sie etwas sagten, aber etwas anderes meinten.

    Ich freue mich jedenfalls, dass dich die Geschichte so abholen und begeistern konnte. Für dich hoffe ich, dass Band 2 nicht allzulange auf sich warten lässt.

    Liebe Grüße
    Mo

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    1. Dankeschön Mo! Ich hoffe auch dass Band 2 bald kommt und nicht wieder so lange dauert, dass ich mich an viel nicht mehr erinnern kann ^^

      Ja, manche Dialoge waren schon seltsam oder? Da hatte ich das Gefühl, ich versteh überhaupt nicht was gesagt wird ^^ Vielleicht lag es an der Übersetzung, dass da was untergegangen ist? Aber ich habs dann einfach abgehakt und weitergelesen :)

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