Zwei große SF-Romane von Ursula K. Le Guin in vollständiger
Neuübersetzung.
Ursula K. Le Guins visionäre Hainish-Romane, die davon erzählen, wie die Menschheit ferne Planeten besiedelt, haben die Landkarte der modernen Science Fiction neu entworfen.
In "Das Wort für Welt ist Wald" versklaven Kolonisten einen ganzen Planeten,
um sich seiner Ressourcen zu bemächtigen – doch die Waldbewohner wissen sich
zu wehren.
"Die Überlieferung" ist die erschütternde Geschichte einer Gesellschaft, die
ihr kulturelles Erbe unterdrückt hat.
Eine straffe, an Gehorsam gewöhnte Organisation war leichter zu übernehmen als ein lockerer Verband eigenständig denkender Männer ...Zitat Seite 93
Meine Meinung
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Der erste der beiden Romane "Das Wort für Welt ist Wald" spielt auf
einem fernen Planeten in einer fernen Zukunft. Ein bisschen hat mich das
Szenario an den Film "Avatar" erinnert - aber die Idee an sich ist schon recht
alt, denke ich, denn was hier auf fernen Planeten passiert, geschah und
geschieht auf unserer Erde leider schon seit Menschengedenken.
Es ist mein erstes Buch von der Autorin und an den Schreibstil hier musste ich
mich etwas gewöhnen. Ich weiß natürlich nicht, wie die vorherige Übersetzung
ausgefallen ist und habe deshalb keinen Vergleich... Es wirkte etwas sehr
sachlich und nüchtern auf mich, direkt und ohne Umschweife, auch wenn es an
manchen Stellen unnötig kompliziert war - also etwas mühsam, zumindest für
mich, aber insgesamt gut zu lesen. In manchen Passagen durchaus auch elegant,
wortgewandt und immer anschaulich.
Ich hab allerdings auch schon lange keine SciFi mehr gelesen, erst recht
nichts älteres aus dem Genre und es kann gut sein, dass ich mich da einfach
wieder reinlesen muss.
Die Handlung ist ein bekanntes Muster: ein Gebiet - hier die "Welt 41" wird
entdeckt, von den Einheimischen Athsche genannt, und vor allem die darauf
befindlichen Rohstoffe, die man dringend braucht. Das Volk, das hier lebt,
wird als unzivilisiert betrachtet und als Arbeitskraft und schlimmeres
missbraucht - ob als Mensch angesehen oder nur als "besseres Vieh" ist je nach
Nutzen Auslegungssache.
Dieses Volk, das inmitten riesiger Wälder lebt, ist friedliebend. Sie kennen
keinen Krieg und sie kennen auch nicht, sich gegenseitig zu töten - sie haben
andere Mittel gefunden, um eventuelle Streitigkeiten zu regeln, was die
Autorin zwar immer nur kurz aber verständlich erklärt.
Was passiert nun mit Menschen - denn trotz ihres unterschiedlichen Aussehens
sind sie den Menschen sehr ähnlich - die plötzlich von anderen so übermannt
werden. Die keine Unterdrückung kennen, keine Gewalt (zumindest nicht in dem
Ausmaß) und deren Welt Stück für Stück zerstört wird?
Ich war während dem Lesen die ganze Zeit gefesselt von dem Verlauf, der zum
einen durch den durchweg bösen Captain Davidson erzählt wird, durch den
Vermittler Lyobov und den Athscheaner Selver. Während die ersten beiden sehr
stereotyp sind, ist Selver ein sehr komplexer "Mensch" der sich wandelt. Sich
wandeln muss aufgrund der Umstände und der am Ende zeigt, wie einschneidend
solche Übergriffe werden können und damit eine ganze Welt
verändern.
Grade zum Schluss wird einem das so richtig bewusst und geht total unter die
Haut. Eine sehr eindringliche und aufrüttelnde Geschichte, die Vergangenheit
nicht immer und immer wieder zu wiederholen.
"Du sprichst die Wahrheit, die du kennst", sagte Selver. "Und ich die Wahrheit, die ich kenne. ..."Zitat Seite 129
Der zweite Roman "Die Überlieferung" handelt von Sati, die auf unserer
Erde aufgewachsen ist; in einer Zukunft, die von Glaubenskriegen regiert
wurde.
Für ein Studium der Schriften ist sie auf einen fernen Planeten umgesiedelt,
allerdings wird ihr der Zugang verwehrt, weil altes Wissen und das
geschriebene Wort als gefährlich eingestuft wurden und verboten sind. Die
Zeit, die sie in einer der Großstädte dort lebt, ist einsam und nicht wirklich
zielführend, da ihr der Kontakt mehr oder weniger versagt wird. Bis plötzlich
ein Antrag bewilligt wird, sie reisen zu lassen. In einem kleinen Dorf
schließlich lernt sie hiesige Bewohner kennen, die noch um die alten
Überlieferungen wissen.
"Klammer dich nicht an Dinge, sie belasten dich nur. Was du behalten willst, behalt im Kopf."Zitat Seite 245
Ich hab mich etwas schwer getan, in die Geschichte reinzufinden. Es kommen
auch sehr viele fremde Wörter vor, mit denen ich nichts anfangen konnte (Prox,
partizzen, VR-Proprios ect). Ob es daran liegt, dass es sich ja hier um den 5.
und 8. Band der Hainish Romane handelt und mir deshalb vielleicht einiges
Vorwissen fehlt, weiß ich nicht. Manche Wörter erklären sich zwar von selbst,
aber eben nicht alle.
Da die beiden Geschichten so unterschiedlich sind, denke ich, dass jede für
sich alleine steht. Dennoch hab ich das Gefühl, dass in den ersten Büchern
dieser Romanreihe doch einiges erklärt wurde, das mir hier weitergeholfen
hätte.
Das Thema in dieser Geschichte ist jedenfalls die Vergangenheit und vor allem,
diese zu bewahren. Geschichten zu erzählen, weiterzugeben, sie festzuhalten,
ob im Wort oder schriftlich - und was es für Auswirkungen hat, wenn dieses
Wissen vernichtet wird.
Auch über den Glauben wird viel gesprochen, von Gott (dem einen) oder den
vielen und welche Auswirkungen eine fanatische Religion haben kann.
Besonders schön fand ich hier die Geschichten auf diesem Planeten, da sie
keine direkt Moral haben am Ende, so wie man es ja kennt, grade natürlich auch
bei Märchen und Sagen. Man muss sich selbst Gedanken darüber machen und es für
sich enträtseln, was dahinterstecken könnte oder welche Bedeutung man
herausliest. Es sind Anregungen, kein Wissen, die vermittelt werden - und jede
davon ist ein Teil vom großen Ganzen, also nur Stückwerk. Denn "alles" zu
wissen ist unmöglich.
Es hat mich schon ganz schön gefordert, hier am Ball zu bleiben, mitzudenken
und den Faden nicht zu verlieren.
Am Ende zeigt sich, wie aus Hass Verständnis erwachsen kann, in dem man
einfach nur zuhört. Und zwar richtig hinhört, damit man verstehen lernt, die
Hintergründe erkennen kann - auf beiden Seiten und schließlich, vielleicht,
auf einer gemeinsamen Basis eine friedliche Lösung findet.
Ich fand das Vorwort der Autorin (von 1977) übrigens sehr interessant. Es
geht um Kriege, Rebellionen und dem Traum von Freiheit: in unserer, realen
Welt. Etwas, dass sie zu diesen Geschichten inspiriert hat.
Meine Bewertung
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Das Wort für Welt ist Wald
Die Überlieferung
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
Grenzwelten von Ursula K. Le Guin
Genre Science Fiction
beinhaltet "Das Wort für Welt ist Wald" und "Die Überlieferung"
Teil 6 und 8 aus den Hainish Romanen
Im Orginal The Word for World is Forest / The Telling
Neu übersetzt von Karen Nölle
Neu übersetzt von Karen Nölle
Verlag Fischer TOR --- Seitenzahl 398
Neuauflage Januar 2022
Im Original März 1972 / September 2000
Die Hainish Romane
1 - Das zehnte Jahr
2 - Rocannons Welt
3 - Stadt der Illusionen
5 - Planet der Habenichtse / Die Enteigneten / Freie Geister
6 - Das Wort für Welt ist Wald
7 - Four Ways to Forgiveness
8 - Die Erzähler / Die Überlieferung
Für mich ist sie eine der ganz Großen im Bereich Science Fictio. Ihre Themen sind zeitlos und regen auch heute noch zum nachdenken an. Ich habe als letztes Satdt der Illusionen gelesen und Hanish. Diese beiden Romane kenne ich nicht, also werde ich mal schauen, ob ich sie bekomme
AntwortenLöschenWelches "Hainish"? Das scheint ja eine ganze Romanreihe zu sein, wie ich gesehen habe. Da gehören ja diese zwei hier auch dazu...
LöschenLiebe Aleshanee
AntwortenLöschenOh, das klingt sooo gut und ich möchte gefordert werden und mitdenken müssen und gleichzeitig ist das Buch sehr schön aufgemacht und ausserdem nicht ganz sooo umfangreich, wie viele andere Schinken aus diesem Genre ;-)
Lieben Dank für den Tipp, ich werde mir die Autorin und diese Reihe generell einmal näher ansehen
Livia
Das freut mich sehr, dass ich dich neugierig machen konnte. Die Geschichten sind wirklich lesenswert!
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