Familie Mohn hat die Mutter verloren. Jetzt steht sie im Verdacht, die
Trauerarbeit zu verschleppen. Das Leben muss doch weitergehen, sagen die
Nachbarn, meint das Traueramt. Doch Vater Adam, die wütende Linne, der nach
Hause zurückgekehrte Student Steve und Micha, der Jüngste, wollen nicht
weitergehen. Sie möchten Johanne bewahren – nicht nur in ihren eigenen
Erinnerungen, sondern in unzähligen Geschichten, die deren Leben so vielleicht
gar nie geschrieben hat.
Schlangen im Garten von Stefanie vor Schulte
Thema Tod - Abschied - Trauer
Genre Roman / magischer Realismus
Verlag Diogenes -- Seitenzahl 240
1. Auflage August 2022
Meine Meinung
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Der Klappentext klingt jetzt gar nicht nach einer Geschichte, die ich lesen
würde - und ich wusste auch ehrlich gesagt überhaupt nicht, was mich hier
erwartet. Warum ich das Buch lesen wollte? Weil mich das Debüt der Autorin
"Junge mit schwarzem Hahn" so begeistert hat und ich unbedingt noch mehr von
diesem eigenwilligen und originellen Stil lesen wollte.
Auch hier taucht man wieder in eine Welt ein, die teilweise schwer zu erfassen
ist. Die Geschichte spielt dieses Mal in der Gegenwart und beschäftigt sich
mit der Trauerbewältigung einer Familie, in der die Ehefrau und Mutter
gestorben ist.
Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe.Zitat, erster Satz
Den Einstieg fand ich schon sehr genial! Die Notiz- bzw. Tagebücher der
Verstorbenen sind ihnen heilig. Sie lesen nicht darin, möchten sie aber auf
diese Weise bei sich tragen, bei sich behalten und die Erinnerungen an sie
sozusagen einverleiben.
Adam, der Vater, ist völlig überfordert und kommt mit der Situation nicht
klar. Er kündigt seine Arbeit und kämpft dagegen an, sich zu verlieren. Er
will für seine Kinder da sein, will alles richtig machen, findet aber keinen
Weg aus seiner Traurigkeit.
Micha ist 11 und er sucht sich einen Halt, denn er fühlt sich wie Wasser,
weich, treibend und hofft auf ein Ufer, dass er erreichen kann.
Linne ist 12 und dagegen voller Wut, die sie auch auslebt. All die Gefühle hat
sie in sich verborgen, zusammen gedrängt und hart werden lassen wie Steine.
Sie weiß nicht, damit umzugehen, und so lässt sie ihre Hilflosigkeit an
anderen aus, um sich nicht mehr selbst so zu fühlen.
Dann ist da noch Steve, der große Bruder, 20 schon. Er kommt zurück nach
Hause, um für Ordnung zu sorgen, zu helfen, zu unterstützen. Aber auch er weiß
nicht so recht, fühlt sich rastlos und befangen...
Erschwerend kommen die Einmischungen von außen dazu. Die Nachbarn, Bekannte,
die Schule von Linne - sie alle glauben zu wissen, was die Familie durchmacht
und doch kann niemand in diese Seelen blicken und verstehen. Die Gefühle bei
einem Verlust sind natürlich oft ähnlich und doch geht jeder auf seine ganz
eigene Art damit um und es braucht seine Zeit, um das zu verarbeiten.
Auch der Trauerbegleiter Ginster, der die Familie hier regelrecht verfolgt und
beobachtet, hat seine eigene Geschichte, seine eigene Vergangenheit, mit der
er kämpft:
Ich mag die Menschen nicht. Sie verschließen die Augen vor der einzigen Wahrheit, die es in Verbindung mit Verlust gibt: dass wir uns an diesen gar nicht gewöhnen, sondern tatsächlich einfach vergessen. Es uns aber natürlich nicht eingestehen wollen und uns für das Vergessen schämen.Zitat
Zu viele Enttäuschungen haben ihn zu einem Hass auf die Menschen geführt und
er erwartet nichts gutes mehr - wird aber nicht verschont von dem Neid, der
sich in ihn hineinfrisst, wenn er bemerkt, dass andere glücklich sind.
Das Thema von Verlust und Trauer ist jetzt nicht unbedingt meins und
vielleicht hat mich deshalb hier die Autorin auch nicht so ganz erreichen
können wie in ihrem Debüt. Ich glaube auch, dass ich manches nicht verstanden
habe und vielleicht bei einem zweiten Mal lesen besser verstehen würde. Vieles
bleibt zwischen den Zeilen und versteckt sich hinter der imaginären
Schreibweise, die Realität und abstrakte Vorstellungen vermischen. Es gibt
keine komplexen Szenarien oder ähnliches, das Thema beschränkt sich allein auf
die Gefühlswelt dieser Menschen und doch ist es sehr fordernd, sich auf diese
unterschiedlichen Stimmungen einzulassen.
Hilfe bekommt die Familie schließlich von unerwarteter Seite. Von zufälligen
Begegnungen, die sie wieder herausholen aus dem Bodenlosen, die Verstehen und
mit ihren Geschichten weitere Ebenen schaffen, um nach dem hilflosen Treiben
im Nichts wieder festen Boden spüren zu können.
Ich fand es vom Stil her wieder absolut ungewöhnlich und mir gefällt diese Art
sehr - auch wenn es mich dieses Mal nicht so erreichen konnte, was am Kern des
Themas lag. Die Gefühlswelt der jeweiligen Figuren hat sie jedenfalls
großartig an mich herangetragen, das war schon wirklich außergewöhnlich! Nur
schade, dass ich nicht immer "dahinter" blicken konnte, was aber einfach an
meiner Distanz zu dem Thema liegen kann.
Das Lesen selbst war jedenfalls eine Art sanfter Rausch, eine Illusion
inmitten der Wirklichkeit, die mich sehr beeindruckt hat.
Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
Ebenfalls rezensiert von
Das Debüt der Autorin:
Junge mit schwarzem Hahn
Hey Alex,
AntwortenLöschenich hatte neulich ja schon deinen Post auf FB dazu gesehen, nun wollte ich dann auch noch mal in deine Rezension dazu reinschauen. Du meintest ja schon, du denkst eher nicht, dass das Buch was für mich ist und ich glaube, du könntest damit recht haben. Ich glaube schon, dass es ein wichtiges Thema ist und es sehr viele verschiedene Zugänge zu Trauer und Trauerbewältigung gibt. Am Ende muss sicher auch jeder seinen eigenen Weg finden, um damit umzugehen und klarzukommen. dabei gibt es ja auch nicht unbedingt richtig oder falsch, es muss eben für einen selbst funktionieren- natürlich möglichst ohne sein Umfeld "negativ zu beeinflussen", im Sinne von ihnen schaden.
Man spürt beim Lesen deiner Rezension, dass es ein besonderes Buch ist und es dir gut gefallen hat. Ich hoffe, das Buch wird noch einige Leser finden, denen es gefällt, für mich ist es vermutlich wirklich eher nichts, aber danke trotzdem für die ausführlichen Einblicke.
Liebe Grüße
Dana
Hi Dana, lieb dass du reingeschaut hast :)
LöschenEs ist ein Thema, dem wir alle begegnen - und das nicht gerne. Ich denke, manche suchen nach solchen Büchern in dieser Trauerphase, andere lesen sowas auch nebenbei, wie ja auch über viele andere Themen, die psychische Belastungen betreffen.
Ich selber geh ja solchen Büchern meist aus dem Weg, hab aber in diesem Jahr doch das ein oder andere ausprobiert - und das hier durfte nicht fehlen, da ich von dem Schreibstil der Autorin so begeistert war. Und der ist auch wieder ganz außergewöhnlich! Ebenso die Umsetzung, überhaupt alles, aber man muss sich eben mit dem Thema grade auseinandersetzen wollen, denke ich, damit man einen Draht dazu findet.
Hey liebe Aleshanee
AntwortenLöschen"Junge mit schwarzem Hahn" steht (immer noch) auf meiner Wunschliste und auch "Schlangen im Garten" klingt ebenfals nach einer spannenden, ganz eigenwillig erzählten Geschichte, die mir sehr gut gefallen könnte, auch wenn sie für dich nicht ganz an "Junge mit schwarzem Hahn" heranreicht. Aber noch so einem gefeierten Debut hat es wohl jeder zweite Roman nicht ganz einfach ;-)
Alles Liebe an dich
Livia
Ja, das ist richtig, nach so einem Erfolg ist es schwer - aber dennoch liegts hier auch ein bisschen am Thema, zumindest was mich betrifft. Denn an sich hat sie es wirklich grandios umgesetzt. Ich kann dir dazu die Rezension von Feiner reiner Buchstoff empfehlen, die ich oben verlinkt habe. Sehr gut geschrieben!
LöschenIch habe "Junge mit schwarzem Hahn" Mut größer Begeisterung gelesen und konnte sogar meinen Lesekreis davon überzeugen.
AntwortenLöschenNun traue ich mich nicht so richtig an das zweite Buch heran. Kann es auch so gut sein?
Tatsächlich ist Verlust und Trauer jetzt auch nicht so ganz mein Thema, allerdings liebe ich Stefanie vor Schultes Sprache. Also werde ich dem Buch über kurz oder lang eine Chance geben wollen.
Das Thema Trauerbewältigung interessiert mich. Bei uns ist es nicht die Mutter sondern der Vater. Außerdem finde ich die ungewöhnliche Herangehensweise spannend. Deshalb würde ich mich sehr freuen es lesen zu dürfen!
AntwortenLöschenEs klingt sehr interessant! Außerdem ganz anders, als die Bücher die ich sonst so lese. Normalerweise setze ich mich lieber nicht mit dem Thema Tod und Trauerbewältigung auseinander, da ich ziemlich starke Verlustängste habe. Dieses Buch klingt jedoch sehr interessant und vielschichtig. Vielleicht hilft es mir dabei mich mit vielen verschiedenen Ansichten und Beschreibungen des Themas auseinanderzusetzen. Vielen Dank für die Rezension und die Möglichkeit dieses Werk kennenzulernen!
AntwortenLöschenIch glaube meine URL funktioniert oben nicht. (https://www.instagram.com/mary_spacetime/?igshid=YmMyMTA2MsY%3D) Hoffe so geht es x.x
LöschenOh man wie peinlich, aber jetzt klappt es.
LöschenMach auf jeden Fall weiter so mit deinen interessanten Rezensionen! LG
Alles gut :D Schön dass du hierher gefunden hast :)
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