Freitag, 13. Juni 2025

Die stillen Gefährten von Laura Purcell

Laura Purcell
Einige Türen sind aus einem bestimmten Grund verschlossen ...

England, 1866: Als Elsie den reichen Erben Rupert Bainbridge heiratet, glaubt sie, nun ein Leben im Luxus vor sich zu haben. Doch nur wenige Wochen nach ihrer Hochzeit ist sie bereits verwitwet. Und dazu schwanger.
Elsie bezieht das alte Landgut ihres verstorbenen Mannes. Da ihre neuen Diener ihr gegenüber äußerst reserviert sind, hat Elsie nur die ungeschickte Cousine ihres Mannes zur Gesellschaft.
Zumindest glaubt sie das. Doch in ihrem neuen Zuhause existiert ein verschlossener Raum. Als sich dessen Tür für sie öffnet, findet sie ein 200 Jahre altes Tagebuch und eine beunruhigende, lebensgroße Holzfigur – eine stille Gefährtin ...






Die stillen Gefährten von Laura Purcell


Eine viktorianische Geistergeschichte
Schauplatz England
Im Original The Silent Companions - übersetzt von Eva Brunner

Verlag FESTA - Seitenzahl 448 - 1. Auflage 2020


Meine Meinung
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Gleich zu Beginn erleben wir, wie Elsie im St. Joseph´s Hospital, der damaligen Irrenanstalt, von einem neuen Arzt besucht wird, der versuchen möchte, ihr zu helfen. Dr. Shepherd, ein junger, hoffnungsvoller Therapeut, der auf andere Möglichkeiten schwört als Elektroschocks und kaltes Wasser. Für die damalige Zeit sicher eine sehr ungewohnte und bezweifelte Einstellung, die sich aber zum Glück allmählich durchgesetzt hat.
Auch Elise weiß nicht, was sie von ihm halten soll. Denn sie ist sich sicher, dass er ihre Geschichte nicht glauben wird. Niemand, weil sie gar zu unmöglich ist. 
Als Mörderin vorverurteilt bleibt ihr nur der Galgen, denn an einen Freispruch wagt sie nicht zu hoffen ... aber will sie wirklich frei sein? In dieser kalten Welt voller Erinnerungen, die ihr den Verstand rauben? Aber ihr wird klar, dass nur die Wahrheit helfen kann, um sie von ihren inneren Dämonen zu befreien.

Sehr eindringlich beginnt diese Geschichte und mich hat es sofort neugierig gemacht, was dieser Frau passiert ist, die sich hinter diesen tristen Mauern und im Drogennebel der Medikamente verschanzt, um die Vergangenheit weit von sich zu schieben.

Im Jahr 1865 tauchen wir schließlich in ihre Erinnerungen ein. Elsie ist als Witwe unterwegs zu einem vergessenen Landsitz ihres verstorbenen Gatten und erlebt eine herbe Enttäuschung nach der anderen. Das erhoffte herrschaftliche Anwesen entpuppt sich als alter, eingestaubter Bau mit einem Dorf voller argwöhnischer, misstrauischer Pächter, die durch Hunger und Armut ein Bild des Leidens widerspiegeln. 
Die Stimmung des alten Gemäuers, die langjährige Abwesenheit der Erben der Familie Bainbridge und unheimliche Gerüchte um das Grundstück rufen gleich zu Beginn eine ungemütliche Atmosphäre hervor und die leise Hoffnung von Elsie, hier ein Zuhause für sich zu schaffen, wird sehr schnell ausgelöscht.
Vor allem auch durch ihren Bruder Jolyon, der sie hier in diese Einsamkeit auf dem Lande drängt, in das kalte, ungemütliche Haus, um einen Skandal in London zu vermeiden.

Laura Purcell schafft es mit ihren Worten immer sehr gut, etwas verhängnisvolles in der Luft schweben zu lassen, von dem man nicht weiß, was einen erwartet. Der Einstieg erschafft eine unterschwellige, bedrohliche Atmosphäre, die man noch gar nicht zu greifen weiß. 
Dazu kommen Rückblicke auf die Bewohner in der Vergangenheit des Hauses, von Aberglauben geprägt und mit einigen Verbindungen zu den aktuellen Vorkommnissen beginnt man Zusammenhänge zu entdecken, ohne genau zu wissen, wie es tatsächlich zusammenpasst. Das ist sehr geschickt gemacht und vor allem spürt man die Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind. Ob gewollt, bewusst oder aus unsinnigem Streben heraus - gerade das macht das ganze dann auch so erschütternd. 

Jedenfalls lässt die Autorin und immer wieder Zweifeln aufkommen, ob Elsie tatsächlich die Wahrheit sagt oder nur glaubt, dass ihre Wahrnehmungen tatsächlich real sind. In Verbindung mit den Informationen aus den Tagebüchern der früheren Bewohner kam für mich allerdings nur eine Antwort in Frage - die euch aber hier vorenthalten werde um nicht zu spoilern :)
Die Titel gebenden "Gefährten" selbst hatten für mich jedenfalls schon einen ganz schön gruseligen Unterton und die Beschreibungen, wie sie hier Angst und Schrecken verbreiten, auf eine ganz unscheinbare Art, hatte einen besonderen Gruselfaktor. Man merkt genau wie die Autorin mit Worten spielt und jeder Situation dadurch eine schaurige, spukhafte oder seltsame Note verpasst.
Elsies Versuch, ihre Stellung als Hausdame zu festigen und sich als Frau zu behaupten scheitern immer mehr und sie erlebt so viele Schrecken, dass sie ihren eigenen Augen nicht mehr trauen kann - dabei trägt sie aus ihrer Vergangenheit genug seelische Last mit sich herum, dass es ihr zunehmend schwerer fällt, ihrer Verzweiflung Herr zu werden. 
Interessant auch immer wieder, wie oft in dieser Zeit Drogen als Medikamente verabreicht wurden. Laudanum (Opium) gehörte gefühlt ja schon in die Hausapotheke und auch Morphium oder ähnliches wurde gerne gegeben, sollte sich eine Dame mal "hysterisch" zeigen. 

Die Atmosphäre lässt einige unheimliche Momente zu und die Spannung steigt gegen Ende immer mehr. Während Elsie verzweifelt versucht, für sich selbst die Wahrheit herauszufinden, werden grausame Details aufgedeckt und die Geister der Vergangenheit holen sie ein. 
Für mich war das Ende dieser Art von Horror- bzw. Geistergeschichte perfekt getroffen - ein bisschen überraschend, aber auch wieder nicht. Im Prinzip hab ich es nicht anders erwartet, weil ich bei solchen Geschichten immer einen fiesen Kniff erhoffe. 

Das Buch hab ich mit anderen zusammen in einer Leserunde gelesen und es war überraschend, wie unterschiedlich wir das Ende gesehen haben und das hier doch jeder ein bisschen etwas anderes hinein interpretieren kann. Für mich war alles schlüssig und keine großen Fragen offengeblieben.


Meine Bewertung
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10 Kommentare:

  1. Liebe Aleshanee,
    eine sehr schöne Rezension! Und mir hat es auch sehr gefallen, dass wir gemeinsam gelesen haben. Das Ende hat uns alle etwas diskutieren lassen ;)

    Liebe Grüße
    Martina

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  2. Eine sehr schöne Rezi, liebe Aleshanee.
    Die Leserunde war richtig gut. Die verschiedenen Sichtweisen interessant.

    Ich freue mich auf die nächste Leserunde.
    Als Print sind "Der Schattenriss" und "Das Porzellanhaus" in meinem Adventskalender gewandert.
    Weißt du zufällig, ob von der Purcell was Neues herauskommt?

    Liebe Grüße von der Gisela

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    1. Ja, "Moonstone" von ihr kommt Anfang August raus :)
      Wird allerdings als "Gothic Fantasy Roman" angekündigt und hat ein ganz anderes Cover als die anderen.

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    2. Danke für die Info. Schade, dass sie ihrem Stil bei dem Cover nicht treu geblieben ist. Ich habe es mir gerade angeschaut. Jetzt sieht es aus, wie sämtliche andere. Der Klappentext klingt nicht schlecht. Wirst du es lesen?

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    3. Ich werde es auf jeden Fall lesen! Für mich sieht es danach aus, als wollte sie jetzt einfach mal was anderes versuchen... und der Verlag hat das Cover dann dem auch angepasst damit man erkennt, dass es nicht wieder in die Richtung Horror geht ;)

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  3. Hallo liebe Aleshanee,
    ich bin ja nicht so die hartgesottene Leserin, was Thriller/Horror betrifft. Unterschwellige Spannung, Spannung, die einen durch die Seiten trägt, mag ich gerne. Das, was du über das Buch schreibst, unter anderem auch die kleinen Einblicke, in die damalige Zeit, klingt richtig gut.

    Ich lese aktuell auch gerade ein Buch in einer Zweierleserunde. Und ich verstehe nur zu gut, was du meinst, wenn du von dem interessanten Austausch sprichst. Es ist teilweise doch sehr horizonterweiternd andere Leseeindrücke und Gedanken mitgeteilt zu bekommen und die eigene Sichtweise mit Hilfe anderer Eindrücke zu überdenken.

    Ich freue mich,dass ihr so einen Spaß hattet. Du hast mich definitiv neugierig auf das Buch machen können!

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Dann wären die Bücher hier aber wirklich das richtige für dich, denn mit klassischem "Horror", was man sich darunter vorstellt, haben die nichts zu tun. Die Autorin spielt hier sehr mit der Atmosphäre und der Wahrnehmung /Täuschung, in all den oben genannten Büchern. Wäre ja vielleicht mal was für dich zum ausprobieren :)

      Grade zum austauschen sind die hier auch wirklich toll, weil man bei den meisten Büchern zwei Sichten auf die Dinge haben kann :D

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  4. Hallo Aleshanee,

    ich freue mich, dass ihr in der Leserunde so gut zum Diskutieren gekommen seid. :D Ich finde alle Purcell-Bücher sehr besonders und bin natürlich auch auf das neueste Werk von ihr gespannt. Sogar, wenn Fantasy drauf steht. :D

    Deine Rezension finde ich sehr gelungen. Besonders schön ist auch der Punkt, dass es wirklich gruselig ist ohne zu dick aufzutragen.

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Dankeschön Nicole!

      Ja, das neue soll ja Richtung "Gothic Fantasy" gesehen - deshalb wahrscheinlich auch das völlig anders gestaltete Cover - das mir leider gar nicht gefällt, weil es so typisch nach Romantasy aussieht ... aber es kommt ja auf den Inhalt an und ich denke nicht, dass sie mich, oder dich, enttäuschen wird :)

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