Montag, 30. Mai 2022

Amok von Richard Bachmann

Eine High School in Maine: Nach einem Gespräch mit dem Rektor erschießt der Schüler Charles Decker seine Lehrerin und nimmt seine Mitschüler als Geiseln. Sein Amoklauf löst in der Klasse ein unheimliches Psychospiel aus, das unbewußte Konflikte und Traumata mobilisiert. Die Schüler steigern sich in eine unkontrollierte Wut...
 

Amok von Richard Bachmann

alias Stephen King
 
Im Original Rage -- hier übersetzt von Joachim Honnef
 
Verlag Heyne -- Seitenzahl 
1. Auflage im Original September 1977 




Meine Meinung
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"Mittwochmorgen, zehn nach neun, und jeder für einen weiteren Tag gefangen im großartigen, engmaschigen Netz von Mutter Bildung."
Zitat Seite 11

Das sind Charlies Gedanken und er zieht uns gleich von Beginn an in seine Welt. Als Außenseiter, unverstanden und in Schubladen gepresst, fühlt er sich in das System gezwängt, mit dem er nicht klarkommt. 
Man erfährt recht schnell, dass Charlie etwas ziemlich schlimmes getan hat. Dass er wieder in die Schule gehen darf macht es jedoch nicht besser, denn als er zum Direktor zitiert wird, legt es einen Schalter um. Einen Schalter in Charlie, der schon lange auf der Kippe stand.

Er erschießt seine Lehrerin und nimmt seine Klassenkameraden als Geiseln. Doch in diesem geschlossenen Raum, den er mit einer Waffe "beherrscht", entwickelt sich eine gewissen Dynamik. Die Schüler sehen sich als Gruppe, zeigen keine Angst und beginnen, geheime Erfahrungen preiszugeben.
Das war schon ein sehr gekonntest Psychospiel, das King hier aufgezogen hat.
Jugendliche müssen so oft Erlebnisse verarbeiten, an die wir uns als Erwachsene anscheinend kaum noch erinnern, oder erinnern wollen. Da passiert so vieles in den Köpfen, in den Gefühlen und sie alle müssen damit klar kommen und damit leben. Man muss dazu sagen, dass King das Buch 1977 geschrieben hat. Was ich faszinierend finde, wie er die damalige Zeit beschreibt, die Kindheit, die Eltern, was damals so üblich war. Leider alles sehr kurz - denn von King ist man ja meist eher ausschweifende Lektüre gewöhnt, aber hier handelt es sich eher um eine Novelle.
Obwohl die Einblicke sehr intensiv waren, hätte es gerne noch etwas tiefer gehen können. Der Autor hat sich natürlich Momente und Szenen herausgepickt, die sehr deutlich zeigen, auf was er hinausmöchte, dennoch fehlte mir das hier ein bisschen.
 
"Wenn man fünf ist und einem etwas weh tut, läßt man das die Welt mit großem Lärm wissen. Mit zehn wimmert man. Doch mit fünfzehn beginnt man die vergifteten Äpfel zu essen, die auf dem inneren Baum des Schmerzes wachsen."
Zitat Seite 205
 
Charlie hat viel durchgemacht, was man nach und nach erfährt - und hat dadurch auch mein Verständnis. Natürlich nicht meine Akzeptanz für das, was er tut, aber man kann bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, warum er so handelt. Sein Leben lang schien er keinerlei Kontrolle zu haben. Ein Ohnmachtsgefühl, aus dem das Verlangen nach Macht erwächst. Wenn man sich selbst nicht kontrollieren kann, will man über andere herrschen, bestimmen, sie klein machen ... und genau so eine Situation stellt sich mir hier dar.  

Ich fand es wirklich sehr fesselnd und bewegend, grade auch wie die Dynamik innerhalb der Klasse zu spüren war. Das mit- und das gegeneinander, das offene und das verschlossene. Und das verschworene, das Gefühl an etwas außergewöhnlichem beteiligt zu sein. Ein sehr seltsames Empfinden in dieser Situation. 
King hat das Szenario wieder sehr gekonnt in Szene gesetzt, aber für mich hätte es noch mehr Hintergründe gebraucht, um besser mitfühlen zu können. Auch beim Ende war ich mir etwas unschlüssig, denn da hab ich nicht den Lauf der Ereignisse nicht so ganz verstanden... 

Übrigens hab ich das Buch zusammen mit Jessi, Andrea, Nicole und Nico in einer Leserunde gelesen - wenn euch unsere Gedanken dazu interessieren, schaut gerne rein *hier* Es sind aber natürlich massive Spoiler drin!

Meine Bewertung
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Auch rezensiert von



Von Stephen King gelesen und rezensiert hab ich auch:
(Fortsetzungen sind in den Rezensionen verlinkt)

15 Kommentare:

  1. Hallo liebe Aleshanee,

    ein Buch, dass man immer wieder lesen kann .....
    Ich denke als Herr Bachman muss Herr King seinen Schreibstil schon etwas anderster gestalten und ich finde, es ist ihm gutgelungen...

    Keine überlangen Erklärungen...Schlag auf Schlag...Punkt für Punkt..nimmt die Sache ihren Lauf...

    LG..Karin...

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    1. Es geht wirklich zügig voran - muss ja auch, das Buch ist ja relativ kurz ;)
      Aber am Ende hätte ich mir schon noch etwas mehr erwartet, das blieb mir zu unaufklärt, warum sich alles so auf die eine Person fokussiert hat. Ich hab das tatsächlich nicht so wirklich verstanden - und die beiden, die mitgelesen haben, auch nicht ^^

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    2. Ich habe das auch nicht ganz begriffen, warum auf einmal fast die ganze Klasse gegen den einen Schüler losgegangen sind. Ich habe mich die letzten Seiten über nur gefragt: "Was ist denn jetzt hier los?" Aber ja, das Ende kam auch mir etwas zu abrupt, fast als hätte Herr King Zeitdruck gehabt und alles schnell zu einem Ende zusammengeknotet. :D

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    3. Oh, dann hast du es ja doch auch gelesen Nico! Ich hatte mich schon gewundert, weil du in der Leserunde nichts geschrieben hattest - wir hatten dich vermisst :)

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    4. Ich war eine Woche zu spät dran. :D Und als ich gesehen habe, wie ausführlich ihre über das Buch kommentiert habt, wollte ich mich nicht spoilern lassen, daher habe ich da auch gar nicht weiter reingeschaut. LG Nico :)

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    5. Oh, schade! Aber wir teilen die Bücher ja immer in einzelne Abschnitte, damit wir uns nicht gegenseitig spoilern - nur im Abschnitt selbst wird dann "bis dahin" ausführlich darüber geschrieben :)

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  2. Hallo liebe Aleshanee,

    Amok hatte ich von Stephen King irgendwie noch gar nicht auf dem Schirm. Gerade was du betreffend der Gruppendynamik erwähnst und auch zu Charlies Perspektive berichtest, hat mich sehr neugierig gemacht. Ich bin mir sicher, dass King in der Lage ist, dieses Thema sehr gut und unglaublich spannend rüberzubringen.

    Sehr schade ist es, dass er sich dann hier "nur" für eine Novelle entschieden hat. Das Thema, aber auch der Blick hinter die einzelnen Perspektiven, bietet, meiner Meinung nach, Stoff für einen ganzen Roman. Und wie du ja auch schon so schön geschrieben hast, ist King ja auch ein Autor, der es gerne langsam angehen lässt und dann oft mit sehr viel Schwung ins Finale steuert. Das hätte bei diesem Buch vielleicht gut gepasst (?)

    Dennoch eine sehr interessante Vorstellung, die mich neugierig zurückgelassen hat. Werde ich mir gleich mal auf die Wunschliste setzen :o)

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Hi Tanja! Vielleicht ist er die Geschichten als "Richard Bachmann" anders angegangen? Ich kenne sonst - glaub ich - noch keine, oder es ist schon zu lange her... jedenfalls hätte hier wirklich noch mehr Potenzial drin gesteckt. Trotzdem war es ein sehr interessantes und intensives Leseerlebnis

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  3. Hallo Aleshanee,

    dieses Buch hast du wunderbar erfasst und besprochen. Auch bei mir hat das Ende ein wenig für Irritationen gesorgt, selbst beim zweiten Mal lesen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es vornehmlich darum ging, dass Ted für das „System" steht und daher für die Klasse ein Dorn im Auge, da er bei der Beichtrunde nicht mit machen wollte und sich als einziger gegen Charlie gestellt hat.
    Gut fand ich bei diesem Buch den knackigen Stil, der zwar viel von King aber auch den Stil von Bachman aufzeigt, der in den weiteren Büchern von ihm noch viel mehr durchschlägt. Unbedingte Empfehlung wäre da Menschenjahr, dass ich als Bachnans bestes Buch empfinde.

    Ich werde mal weiter verfolgen, was du noch so für Bücher von King lesen wirst und deine Besprechungen unter meine verlinke .

    Liebe Grüße
    Marc

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    1. Dankeschön Marc!
      Bei der "Beichtrunde" haben wir ja nur 2-3 Schüler erzählen hören, sozusagen, wenn da jeder erzählt hätte wäre es ja wieder ein mega Schinken geworden :D Ted war ganz klar auf seiner ganz eigenen Seite, aber nur aufgrund dessen dieser Ausraster am Ende? Mir hätte da doch ein wenig mehr Zusammenhang gut getan.

      Ich werde definitiv auch noch die anderen Bücher von Bachmann lesen, ich muss schauen, was mein Bruder noch so im Repertoire hat, die kommen dann als erstes dran ... jetzt am 8. Juni starten wir ja ein kleines gemeinsames Lesen mit "Sie" :)

      Dankeschön! Ich hab deinen Blog auch direkt mal in meiner Leseliste eingetragen :)

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    2. Ja, es war etwas knapp am Ende. So richtig durchdringen kann man das wohl nicht. Es war aber auch eines seiner ersten Bücher, die er geschrieben hat, da kann man das ein bisschen nachsehen. Hätte er das Buch in den 80ern geschrieben, wäre es sicher ausgefeilter geworden.

      Sie habe ich vor kurzem schon gelesen. Ein wahnsinnig intensives Buch. Über wen läuft die Leserunde? Da die Gedanken noch frisch sind, werde ich mich in eure Diskussionen mit einbringen.

      Viele Grüße
      Marc

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    3. Oh das wäre ja schön, die Leserunde läuft bei Sabine auf Buchmomente
      https://buchmomente.blogspot.com/2022/05/leserunde-stephen-king-sie.html

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  4. Huhu Aleshanee :D

    Das Buch war wirklich sehr kurz, aber gleichzeitig auch echt intensiv! Ich muss schon sagen, dass mir King besser gefällt, wenn er sich etwas kürzer hält und auch so ein "halboffenes" Ende fand ich hier ganz passend, so kann der Leser selbst entscheiden, wer denn nun für den ganzen Schlamassel verantwortlich ist.

    Es war auf jeden Fall eine ganz andere Art eines Amoklaufs. Es war nicht der typische Ablauf und die Einteilung in Opfer und Täter, deswegen mochte ich das Buch auch so sehr!

    Liebe Grüße
    Jessi

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  5. Hallo Aleshanee,

    ich schließe mich deinen Worten zu dem Buch an und mag die ausgewählten Zitate sehr. Die passen perfekt!

    Ich denke noch immer über das Ende nach! :D Nein, so ganz logisch erscheint es mir nicht. Wenn ich darüber nachdenke, fühlt es sich sogar an, als ob wesentliche Passagen aus dem Buch gestrichen worden werden. Dafür hat das Gesamtpaket gepasst und ich hatte eine tolle Lesezeit mit euch.

    Liebe Grüße
    Nicole

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  6. Liebe Aleshanee

    Erst gerade habe ich mir die Rezension von Nicole angesehen und das Buch klingt schon sehr faszinierend und natürlich auch extrem tragisch.

    Ich werde es auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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