Dienstag, 27. April 2021

The Stand - Das letzte Gefecht von Stephen King

The Stand - Das letzte Gefecht von Stephen King

 
In einem entvölkerten Amerika versucht eine Handvoll Überlebender, die Zivilisation zu retten. Ihr Gegenspieler ist eine mythische Gestalt, die man den Dunklen Mann nennt, die Verkörperung des absolut Bösen. In der Wüste von Nevada kommt es zum Entscheidungskampf um das Schicksal der Menschheit. 
 
Meine Meinung
 
Ein sehr knapper Klappentext, der an sich aber schon alles beinhaltet. Bis Amerika allerdings "entvölkert" ist, dauert es schon eine Weile, denn King lässt sich hier mal wieder sehr viel Zeit, um die Protagonisten, die eine Rolle spielen, gut kennenzulernen.

Natürlich erinnert das Szenario mit dem Virus an unser derzeitiges Problem und es gibt so kleine Details, die einen an die jetzige Situation denken lassen - aber im Buch ist die Anzahl der Überlebenden so hoch, wie bei uns die Verstorbenen - die Welt erscheint hier also nahezu leer. 

Bis dahin beschreibt King aber sehr gut, wie das ganze abläuft. Es startet mit der Flucht aus einem Militär-Stützpunkt, einer Flucht aus Angst, die jedoch über das Schicksal der Menschen auf der ganzen Welt bestimmen wird. Der Virus kommt hier aus dem Labor, das er nie hätte verlassen sollen und breitet sich unglaublich schnell aus: Überlebenschance so gut wie Null. 
Wie das ganze seine Kreise zieht und sich ausbreitet erlebt man mit einigen Figuren, wie dem Musiker Larry, dem taubstummen Nick, der schwangeren Frann oder dem jungen Mann Stu. Deren Leben und die Veränderungen werden detailliert geschildert, wie man es von dem Autor kennt, das macht er ja sehr gerne - und dadurch lernt man jeden von ihnen auch sehr gut kennen. King´s Gespür fir seine Figuren ist schon jedes Mal wieder phänomenal!

Diese Überlebenden haben eigentlich eine perfekte Chance, wieder zusammen zu finden und das Leben der Menschen von Grund auf neu zu organisieren. Natürlich gibts da auch ein paar irre Schläger und Waffenfanatiker, die das für sich ausnutzen wollen und denen man lieber nicht über den Weg laufen sollte. Vor allem auch das Fehlen medizinischer Versorgung ist wohl der schlimmste Faktor. Ein Gruppe, die ohne Arzt unterwegs ist, hat auch bei kleinen Infektionen wenig Chancen.
Ansonsten könnte es aber eine Chance auf einen Neuanfang sein. Die Umwelt erholt sich, die Menschen finden sich, Techniker können den Strom wieder hochfahren und die kleinen Städte neu bewohnbar gemacht werden.
Bei The Walking Dead kamen hier ja noch die Gefahr der Zombies dazu; und für King war das Drama  wohl auch noch zu wenig, denn er stellt den Überlebenden einen Gegenspieler: den "dunklen Mann", den "eitlen Geck", eine Art Handlanger des Teufels, der seine ganz eigenen Vorstellungen hat, wie die Zukunft auf Erden aussehen soll. Und natürlich strömen auch zu ihm die Menschen - jene, die sich von der dunklen Aura der Macht und des Bösen angezogen fühlen. 
Dabei geht er teilweise auf sehr subtile und brutale Weise vor, um sich seine Anhänger gefügig zu machen und auch hier lernt man einzelne Charaktere näher kennen um zu verstehen, wie sie in seine Fänge geraten sind. 

Zum einen ist es wieder mal eine genial erzählte Geschichte, zum anderen gibt es aber auch wieder einige Längen. Mit 1400 Seiten kann man es schon als Mammutwerk betrachen, umso mehr fand ich es etwas schade, dass dieses "letzte Gefecht" auf die letzten 200 Seiten runtergebrochen worden ist und auch nicht das Spektakel war, das ich mir darunter vorgestellt hatte. Im Fokus steht das über- und weiterleben und die Bildung der Gruppen und wie sich diese miteinander verhalten.
Andererseits hat er mit den Figuren wieder großartige Charaktere geschaffen, zum Beispiel mit dem taubstummen Nick, der sich nur mithilfe von Notizen verständigen kann - oder gerade auch mit Tom, der geistig zurückgeblieben ist, aber gerade dadurch eine besonders liebenswerte Art hat und dem zwischendurch die besten Gedanken kommen:

Gerade das hatte ihm in [...] gefehlt, überlegte er: einfach Liebe. Gewiss, es gab genug nette Leute, aber in ihnen war wenig Liebe. Sie waren zu sehr mit ihrer Angst beschäftigt. Und dort, wo es nur Angst gab, gedieh Liebe nicht so besonders gut, ebenso wenig wie Pflanzen an Stellen wuchsen, wo es immer dunkel war.
Zitat Seite 530 - Buch 2

Dem "Bösen" hat King Mutter Abagail gegenübergestellt. Eine alte, wirklich sehr alte Frau, von der die Menschen träumen. Mit Träumen, Visionen und "dem Shining" spielt der Autor auch hier wieder und stellt die Menschen vor die Frage nach Gottes Glauben und Führung. 

Das wird auch einmal in einem Gespräch vertieft, das ich sehr berührend fand. Im Raum stand die Frage nach dem Sinn ihrer Aufgabe:

"Vielleicht, um durch einen Reinigungsprozess Kraft und Frömmigkeit zu erlangen", sagte Glen. "Ihr müsst wissen, dass es hier symbolisch darum geht, Dinge abzuwerfen. Es ist eine Art Magie. Wenn man Dinge abwirft, wirft man auch andere Dinge ab, die symbolisch mit ihnen verbunden sind. Man beginnt einen Reinigungsprozess. Man beginnt, das Gefäß zu entleeren."
Zitat Seite 561 - Buch 2

Glen erklärt hier, wie man durch zeitweiligen Verzicht eine andere Sicht auf das Leben bekommt. Er spricht auch über die Initiationsriten von Stämmen, bei denen gefastet wird und bestimmte Aufgaben erfüllt werden müssen. Eine Tradition, die schon über tausende von Jahren den Menschen begleiten. 
Für mich betrifft es eher den "häuslichen" Gebrauch, mich von "Dingen" zu lösen, die ich nicht unbedingt brauche, die mich eher fesseln als befreien und je mehr ich mich von diesem Ballast lossage, desto mehr Raum schaffe ich für anderes. 
Übrigens ja auch heute noch praktiziert im Sinne der Fastenzeit, wobei mir der eigentliche Zweck nicht mehr so ganz überlebt hat. 
Glen beschreibt es auch wie eine Batterie, die sich nicht voll aufladen kann, wenn sie nicht entladen wird. Den Vergleich fand ich sehr treffend. 
 
Was so ein "Neustart" wirklich bewirken würde ist schon eine Überlegung wert. Wie King hier die positive Seite des Wiederaufbaus mit kleinen negativen Steinchen spickt, die einem beim weitergehen immer wieder in die Füße stechen, hat er sehr gut gemacht!

Insgesamt ein wirklich fesselndes und sehr wirklichkeitsnahes Endzeit Szenario, das an einigen Stellen zu ausufernd ins Detail geht. Mit dem Ende hatte ich mir etwas anderes erwartet, aber vielleicht muss ich das einfach auch noch etwas sacken lassen, denn ich hab so eine leise Ahnung, das ich noch nicht ganz erfasst habe, was King hier wirklich damit aussagen wollte. 


Meine Bewertung



Ebenfalls rezensiert von




 

The Stand - Das letzte Gefecht von Stephen King


Genre Post/Apokalypse - Horror
Schauplatz USA 1990
Im Original -- übersetzt von Joachim Körber

Verlag Bastei Lübbe
2bändige Ausgabe im Schuber mit 1401 Seiten
1. Auflage im Original Oktober 1978


 

12 Kommentare:

  1. Is' ja nen Ding. Ich hätte jetzt erwartet, dass Du mehr Gefallen an "The Stand" hast. Klar, es hat die ein oder andere Länge und das Ende ist vergleichsweise kurz, aber in meinen Augen liegt der Fokus in dem Buch im Zwischenmenschlichen und weniger im Endkampf. Wie die Menschen in dieser Welt miteinander agieren und wie sich Beziehungen formen und wieder vergehen. Vielleicht brauchst Du noch ein paar Adaptionen, um andere Blickwinkel kennenzulernen :D

    Viele Grüße
    Frank

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    1. Es hat mir ja gut gefallen :)
      Aber für 5 Sterne wars mir dann doch stellenweise etwas zu zäh. Ich fand das zwischenmenschliche und wie die Leute mit der Situation umgehen wirklich gelungen, das kann King einfach.
      Aber es fehlte mir irgendwie noch was, keine Ahnung *lach* Vielleicht lag es auch an meiner Erwartungshaltung

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    2. Letzteres macht mir auch manchmal einen Strich durch die Rechnung - die Erwartungshaltung zu einem Buch sind manchmal einfach zu hoch. Oder Du hast einfach noch nicht das gefunden, was Du gesucht hast -> also einfach in ein paar Jahren nochmal lesen :D

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    3. Sie müssen manchmal gar nicht "zu hoch" sein, sondern einfach andere. Also wenn man sich auf was anderes einstellt und dann was überraschendes kommt. Das kann super funktionieren oder eben auch nicht :D

      Haha, ja, bevor ich das nochmal lese, kommen erst die vielen anderen ungelesenen Bücher von Herrn King dran xD

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  2. Es ist ewig her, dass ich "The Stand" gelesen habe, das war in den Achtzigern. Und ich fand es so klasse, dass ich es irgendwann sogar ein zweites Mal gelesen habe. :-) Aber damals habe ich eh alles von King verschlungen. Vielleicht wäre meine Meinung heute auch eine andere. Wer weiß....

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    1. Ich weiß auch nicht, wie ich es vielleicht vor 20 Jahren empfunden hätte beim lesen ... an sich finde ich die Ideen und die Charaktere auch wirklich genial, trotzdem zieht es sich halt doch etwas an manchen Stellen und vom "Ende" hab ich mir einfach mehr erwartet.
      Aber es waren auf jeden Fall eine Menge sehr unterhaltsamer Lesestunden :D

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  3. Hallo liebe Aleshanee,

    hm, eines der Bücher von Herrn King ..die einen Platz in meinem Bücherregal besetzen....ungelesen..ich bin einfach keine Dicke-Wälzerin-Leserin mehr....
    Früher ja....heute nein...

    LG...Karin...

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  4. Loons Gerringer27 April, 2021 15:28

    Hi Aleshanee,

    The Stand ist einer von den Kings, die ich immer mal wieder gelesen habe. Ich mochte gerade die Figuren, ihre Entwicklungen und Verwicklungen und das apokalyptische Szenario. Klar, er geht sehr ins Detail, aber ich finde das meistens so interessant, dass ich ihm gern folge. Er hat einfach eine immense Lebenserfahrung und Weltkenntnis. Seine Texte enthalten lässig eingestreut so viel Wissen, das ich immer erst mühsam recherchieren müsste.

    Wie du mochte ich Nick und Tom, fand aber auch Larry und viele Figuren von der "bösen" Seite toll: den Mülleimermann, Llyod Henreid, sogar Harold Lauder irgendwie. Die waren alle überzeugend.

    Probleme habe ich bei King immer, wenn er mit dem Übernatürlichen und vor allem dem übernatürlichen Guten anfängt. Auf Mutter Abigail und alles, was mit ihr zu tun hat, die ganze mythisch überhöhte Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hätte ich verzichten können. Zumal King ja selbst mit seinen Figuren zeigt, dass auch die Bösen meistens nicht einfach nur böse sind.
    Aber alles in allem einer der richtig guten Kings für mich.

    Liebe Grüße, Loons

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    1. Das ist auf jeden Fall richtig, seine Figuren sind immer sehr genial und was zwischen den Zeilen steckt wird man alles erst bei mehrmaligen Lesen so richtig begreifen :)
      Dennoch, wenn ich zwischendurch Phasen habe, in denen es sich zieht ...

      Haha, ja der Mülleinermann, sehr genialer Charakter - überzeugend waren sie definitiv alle und ich hab mit allen irgendwie mitgelitten, auf beiden Seiten.

      Gegen mysteriöses hab ich nicht, aber die "Gott" gegen "Teufel" Philosophie war mir hier einen Tick zu viel - bzw. hätte es dann noch etwas mehr sein dürfen. Für die ganze Vorbereitung und alles hat sich das dann zu sehr verlaufen.

      Ich bin definitiv auch sehr begeistert, auch wenn ich "nur" vier Sterne vergebe, bin ich trotzdem total gefesselt davon gewesen!

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  5. Hallo Aleshanee,

    vor diesem Wälzer tigere ich seit einigen Jahren schon drum herum und genauso lange werfe ich auch immer wieder Blicke zu ihm, da ich ja doch auf die Geschichte gespannt bin. Aber die 1700 Seiten der Neuauflage vom Heyne Verlag, schrecken mich doch schon ganz schön ab.

    Ich glaube ja, dass Stephen King seine ganze Kraft in die Charaktere steckt, was dann natürlich bei seinen Enden spürbar ist und bekannterweise sind ja die Enden seiner Geschichten nicht gerade das, was seine Bücher ausmacht. Da war ich bei einigen seiner Bücher am Schluss doch ganz schön enttäuscht, wie banal diese endeten.

    Mal schauen, wann ich den Mut aufbringen kann, mich diesem Endzeit-Epos zu stellen. Deine Rezension hat bei mir jedenfalls die Lust auf dieses Buch vergrößert.

    LG
    Nico

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    1. Hm, also im Moment hab ich grade an keines von seinen Büchern die Erinnerung, dass mich das Ende enttäuscht hätte ... viele sind aber schon 20 Jahre her, also da ist meine Erinnerung einfach nicht mehr da ;)
      Ich mag es ja eigentlich echt gerne, wie er die Figuren aufleben lässt, das kann er schon echt sehr gut!

      Freut mich, wenn du es doch mal damit versuchen willst, lesenswert ist es auf jeden Fall!

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