Dienstag, 25. Februar 2025

Die Bücher, der Junge und die Nacht von Kai Meyer

Kai Meyer
Dichter Nebel wogt durch die Gassen der Bücherstadt Leipzig, 1933, als das Böse die Macht ergreift. Hier entspinnt sich die tragische Liebe des Buchbinders Jakob Steinfeld zu einer rätselhaften jungen Frau. Juli hat ein Buch geschrieben, das sie einzig ihm anvertrauen will. Doch bald darauf verschwindet sie spurlos.

Fast vierzig Jahre später ist auch Jakobs Sohn Robert den Büchern verfallen und reist auf der Suche nach seltenen Ausgaben durch ganz Europa. Er liebt seine Arbeit und die Bücher – von Menschen hält er sich meist eher fern. Doch als die Bibliothekarin Marie ihn bittet, ihr bei einem Auftrag der geheimnisumwitterten Verlegerfamilie Pallandt zu helfen, stoßen sie auf das Mysterium eines Buches, dessen Geschichte eng mit Roberts eigener verknüpft ist – es ist der Schlüssel zum Schicksal seiner Eltern.

Bestseller-Autor Kai Meyer hat eine wunderschöne Liebeserklärung an die Welt der Bücher geschrieben, die zugleich ein berührender historischer Roman und ein hochspannendes Stück Zeitgeschichte vom Zweiten Weltkrieg bis in die 70er Jahre ist.



Die Bücher, der Junge und die Nacht von Kai Meyer


Band 1 der unabhängigen Bände um die graphischen Viertel Leipzigs
Genre Historische Fiktion
Schauplatz Leipzig in den 30er und 70er Jahren

Verlag Knaur -- Seitenzahl 496 -- 1. Auflage November 2022



Meine Meinung
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Wie mittlerweile für mich üblich hab ich den Klappentext nicht gelesen - ich wusste aber, dass wir hier in die Zeit des 2. Weltkriegs eintauchen und es eine zweite Zeitebene in den 70er Jahren geben wird. Keine bevorzugte Zeitspanne für mich und auch Familiengeheimnisse sind nicht so meins ... aber da ich schon seit Jahrzehnten ein Fan von Kai Meyer bin, musste ich jetzt auch endlich das erste Buch versuchen, in dem er die graphischen Viertel von Leipzig zum Schauplatz nimmt.

Es beginnt im Jahr 1943, als ein Junge, der bisher noch nie das Haus verlassen durfte, bei den Bombenanschlägen ins Freie flüchtet - und springen direkt weiter ins Jahr 1971, in dem Robert mit seiner Arbeitskollegin (und Freundin +) eine Bibliothek in einem alten Schloss nahe München besichtigt, wo sie auf ein mysteriöses Familiengeheimnis stoßen.
Und nochmal weiter zurück, im Jahr 1933, begegnen wir dem Buchbinder Jakob, dem nicht nur seine Liebe zu Büchern zum Verhängnis zu werden droht.



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Schon auf den ersten Seiten sprüht einem die Liebe zu Büchern entgegen und man ist sofort mitten im Geschehen. Ich merke, dass ich Kai Meyers Bücher doch etwas vermisst habe in letzter Zeit, denn er schafft es wirklich auf wenigen Seiten schon ein Gespür für die Figuren und einen lebhaften Blick auf die jeweilige Vergangenheit zu wecken. 
Die graphischen Viertel in Leipzig damals sind toll beschrieben. Der immerwährende Nebel und die Rauch geschwängerte Luft sind allgegenwärtig zwischen all den Verlagen, Buchdruckereien, Antiquariaten und vielen anderen Firmen und Geschäften, in denen sich alles um Bücher gedreht hat.

Alle Figuren haben etwas mit Büchern zu tun. Auch wenn dieses Thema ständig präsent ist, bleibt es ein gleichbleibendes Nebengeräusch, während man dem Hauptgeschehen folgt. 
Alle Zeitebenen wurden überaus anschaulich vor Augen geführt und ich hab mit Spannung jeden Moment verfolgt. 

Im Jahr 1933 spürt man sehr gut, wie sich alles ändert, während Hitler an die Macht kommt. Für den Buchbinder Jakob scheint das erstmal keine Auswirkungen zu haben, aber er merkt recht schnell, dass die Willkür und Ausgrenzung sehr schnell um sich greift. Er hat ein gutes Herz, das er an eine junge Dame verliert, die ein großes Geheimnis hat.
Hier hat es mir ja vor allem der Russe angetan. Die Dialoge mit ihm, mit all seinen Phrasen aus den vielen Abenteuerromanen, sein großes Herz, das man hinter dem ungeschlachten Kerl gar nicht vermuten würde und seine tatkräftige Hilfe in allen Lebenslagen machen ihn für Jakob zu einem ganz besonderen Freund.

Das Jahr 1943 ist natürlich geprägt von der Angst, der Hilflosigkeit und der Schrecken, in dem Deutschland erstarrt. Die schlimmen Momente, als die Bomben fallen und der Junge seine neue Freiheit in den brennenden Trümmern erleben muss, prägen ihn stark. Sein Glück ist ein unerwarteter Retter, der ihn schließlich durch das traumatisierte Deutschland führt und auf einer ganz eigenen, speziellen Mission unterwegs ist.

Aber auch das Jahr 1971 ist lebendig beschrieben, in der Robert und Marie dem Geheimnis von Roberts Vergangenheit auf die Spur kommen wollen. Vor allem die Stationen in München, meiner Heimat, haben mich gefreut. Die Cafés in Schwabing, die beliebten Rollkragenpullis oder Schlaghosen und die ganze Atmosphäre sind hier mitgeschwungen. Vor allem auch bei einer Reise in die damals ja noch bewachte DDR spiegelt einen Eindruck wider, wie überwacht die Menschen waren.
Robert hat sich zwar 1-2 Mal etwas merkwürdig verhalten, was für mich gar nicht so zu seinem Charakter gepasst hat, aber das war wohl seinem Gefühlschaos zuzuschreiben.
  
Ich fand alles super recherchiert und habe einige Details erfahren, die mir nicht bekannt waren. Kai Meyer hat die verschiedene Zeiten mit der dazu passenden Atmosphäre präsentiert, die politischen Entwicklungen verdeutlicht und jeden Abschnitt mit all seinen Facetten perfekt in die Handlung integriert.   
Interessant fand ich die Verbindung mit Spiritismus, der ja in den 20er Jahren geboomt hat und natürlich auch viele Verschwörungstheorien, die schon immer ihre Kreise zogen.  

Insgesamt ist es gelungen aufgebaut, weil man mit jedem Abschnitt ein bisschen mehr von dem Puzzle erfährt, das man erst ganz zum Schluss richtig zusammensetzen kann. Wie immer ist es flüssig zu lesen und die Spannung wird auch immer aufrecht erhalten, während man versucht, die vielen kleinen Rätsel zu lösen. Es wirkt erstmal sehr komplex, aber ich hatte keine Probleme, mich im jeweiligen Zeitfenster zurecht zu finden und den Figuren auf ihrer Suche zu folgen.


Meine Bewertung
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 Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.




Die drei bisher erschienen Bücher um die graphischen Viertel
(diese hässlichen roten Spiegel Aufkleber sind wirklich eine Unsitte)


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