Die Welt wurde durch einen giftigen Nebel zerstört, nur auf einer kleinen
Insel im Mittelmeer existieren dank eines komplizierten Abwehrsystems letzte
Überlebende. Wissenschaftler sorgen für ein friedliches Leben, sie überwachen
die Landwirtschaft, die nächtliche Sperrstunde und sogar die Gedanken der
Dorfbewohner. Die wiederum stellen keine Fragen – bis [Spoiler] eines
Morgens ermordet aufgefunden wird.
[Spoiler]
Wird der Mörder nicht innerhalb der nächsten 107 Stunden gefunden, wird die
Insel von dem Nebel verschluckt. Und auch die letzten Menschen auf Erden
werden aussterben. Das Problem: Niemand erinnert sich daran, was in der
vergangenen Nacht geschehen ist.
Der letzte Mord am Ende der Welt von Stuart Turton
Im Original The Last Murder at the End of the World
übersetzt von Dorothee Merkel
Genre Science Fiction - Krimi - Utopie
Verlag Klett-Cotta - Seitenzahl 464 - 1. Auflage Februar 2024
Meine Meinung
ጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠ
Ich muss hier sehr untypisch kurz erst auf das Nachwort des Autors eingehen,
denn er schreibt hier selbst, wie ungewöhnlich es ist, dass er uns (ich zitiere ihn hier mal) mit seinem
ersten Buch "Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle" einen
Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Krimi beschert hat, danach mit
"Der Tod und das dunkle Meer eine
historische Gespenstergeschichte und jetzt diesen neuen Sciencfiction-Apokalypse-Roman.
So von einem Genre ins andere zu springen ist ist sehr ungewöhnlich, aber toll
zu sehen wie sich Stuart Turton ausprobiert und uns damit jedes Mal wieder
überraschen kann!
Der Autor hat hier ein dramatisches Zukunftsszenario entworfen. Nach einer
weltweiten Katastrophe gibt es auf einer Insel einen letzten Hort der
überlebenden Menschen. Durch eine Barriere vor den schädlichen Einflüssen
geschützt leben hier noch 122 Menschen friedvoll miteinander. Es ist eine
Gemeinschaft, in der das Miteinander gefördert wird, in der jeder gerne seinen
Beitrag für das Gemeinwohl leistet und auf den ersten Blick als perfekte
Gesellschaft erscheint. Eine Utopie, in der eine Botschaft mitschwingt, die
viele für überzogen halten werden, die Grundessenz aber den Schritt in eine
Richtung weist, den wir endlich verinnerlichen sollten.
Das Leben dieser Menschen ist einfach und sie müssen mit dem wenigen
auskommen, was hier auf der Insel zu finden ist, aber sie sind zufrieden und
haben in ihrer Gemeinschaft einen guten Weg gefunden, um sich gegenseitig
wertzuschätzen.
Zweifel tauchten dann für mich allerdings recht schnell auf, denn die drei
Wissenschaftler, die diese letzte Bastion am laufen halten, haben Geheimnisse
vor den anderen Bewohnern.
Interessant fand ich die Kommunikation mit "Abi", denn es war lange nicht
klar, wer oder was sie darstellt. Sie ist mit allen Inselbewohnern geistig
verbunden, kennt also ihre Gefühle und kann in Gedanken mit ihnen
interagieren. Mit ihr springen wir sozusagen zwischen den Perspektiven hin und
her und sie weist auch immer wieder latent darauf hin, wie einzelne
Entscheidungen die Zukunft beeinflussen, die alsbald das Schicksal aller
entscheiden wird.
Außerdem war mir das Alter immer etwas unklar, denn Kinder, Eltern und
Großeltern hatten seltsame Altersunterschiede, die mir nicht zusammen passen
wollten.
Auch der im Prolog angedeutete Plan, diese Menschen endgültig auf den rechten
Weg zu führen in eine ewig friedliche Zukunft und Utopie, verbunden mit einem
Mord, löst viele Rätsel aus.
Eine Ausgangssituation also, die eine Menge Fragen in sich trägt und mich sehr
neugierig gemacht haben, was sich wohl dahinter verbirgt.
Das Leben spielt sich nur in einem gewissen geschützten Bereich ab, einer Art
herunter gekommener Kaserne, dem "Dorf", das die Menschen nachts nicht
verlassen dürfen, weil es zu gefährlich sei. Alles wird konsequent geregelt
und niemand scheint irgendetwas an dem ganzen System zu hinterfragen. Bis auf
Emory.
Sie hat ihre Mutter und ihren Ehemann durch deren Arbeit mit der
Wissenschaftlerin Thea verloren, die auf der Suche nach den alten Technologien
die Insel erforschen - und misstraut vielen Regelungen und Entscheidungen. Sie
stellt unangenehme Fragen, hat aber auch schnell gemerkt, dass sie damit nicht
weiterkommt und sich sogar den Unmut ihrer Mitmenschen einfängt.
Der Stil liest sich sehr flüssig. Auch wenn man immer wieder zwischen den
Perspektiven hin und her springt, beschränkt sich der Autor auf die wenigen
wichtigen Charaktere, die hier eine Schlüsselrolle haben. Sehr geschickt
werden immer mehr Wahrheiten offenbart, die das ganze in ein völlig anderes
Licht rücken.
Ich fand es immens spannend, wie immer mehr Geheimnisse gelüftet werden und
vor allem das Rätsel, das dieser "Mord" aufgibt, nach dem plötzlich der
Countdown beginnt und das Überleben aller in Gefahr ist. Was steckt dahinter?
Während ich anfangs mit Spannung verfolgt habe, wie das Leben auf dieser Insel
funktioniert und wer welche Rolle einnimmt, passiert plötzlich ein großes
Unglück und ein Mord wird aufgedeckt. Eigentlich sollte aber keiner der hier
Lebenden überhaupt zu so etwas fähig sein und Emory begibt sich auf die Suche
nach Hinweisen, um den Täter auf die Spur zu kommen: das Überleben der
Menschheit hängt davon ab! Ab dem Zeitpunkt konnte ich das Buch gar nicht mehr
aus der Hand legen, denn es gibt so viele Spuren und Hinweise, neue Rätsel und
offene Fragen, dass sich meine Gedanken ständig im Kreis gedreht haben und ich
immer wieder überrascht und weitergetrieben wurde.
Aus den vorherigen Büchern wusste ich, dass der Autor es sehr gut versteht,
eine Dynamik aufzubauen die sich aus komplexen und in sich verschlungenen
Anspielungen aufbaut, die erstmal mehr Verwirrung auslösen - um dann umso
genialer aufgeklärt werden.
Auch die Figuren sind großartig gezeichnet. Durch die Einblicke von "Abi", die
ja in den Gefühlen und Gedanken der Menschen lesen kann, erhält man eine gut
Vorstellung von ihnen, auch wenn sie alle ihre Geheimnisse haben.
Es wirkt schon auch wie ein Appell an die Menschen, denn uns wird hier schon
ein Spiegel vor gehalten. Nicht so dass es aufdringlich oder nervig wirkt,
aber so, dass man es wahrnimmt und darüber nachdenkt. Was auch mitschwingt ist
wieder mal mein Lebensmotto, das man sich wirklich verinnerlichen sollte:
control is an illusion. Nicht nur eine Illusion, sondern der falsche Weg, denn
mit Kontrolle geht immer eine Menge Macht einher und mit Macht eine
Konstellation, die meist mit Selbstüberschätzung einhergeht, bei dem man die
wichtigen Dinge aus den Augen verliert.
Hass resultiert ja aus Ängsten und davon haben wir momentan genug in unserer
Gesellschaft - so dass wir hoffentlich bald auch einen Weg finden werden uns
davon zu lösen und eine Idee anstreben, aus dieser Verunsicherung auszubrechen
und ein Miteinander finden, in dem es um Respekt und Toleranz geht.
Meine Bewertung
ጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠጠ
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
Ebenfalls vom Autor gelesen
Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Mystery Krimi - 4,5 Sterne -
Rezension
Der Tod und das dunkle Meer
historischer Mystery Thriller - 5 Sterne -
Rezension
Oh, das klingt spannend. Die sieben Tode fand ich damals schon richtig gut und das hier landet jetzt sofort auf meinem eReader. Ungewöhnlichen Mordszenarien kann ich nicht widerstehen. O.O
AntwortenLöschenWie schön mal wieder was von dir zu lesen! *.* Das freut mich sehr! Ich verfolge dich und deine tollen Bilder ja auf insta :D
LöschenDas neue hier von Turton war wirklich klasse! Ich hoffe, es wird dich dann auch so begeistern können!
Ganz tolle Rezi liebe Aleshanee. Ich habe das Buch gestern auch fertig gelesen und rezensiert.
LöschenDie anderen Bücher des Autors werden in meinem Adventskalender 2025 landen.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.
Hallo Aleshanee,
AntwortenLöschenja, ich bin auch neugierig. Du hast ja letztens schon mit deinen Andeutungen mein Interesse geweckt. Es kommt nun gleich auf die Wunschliste.
Liebe Grüße
Nicole
Sehr schön! Das freut mich! Das wäre auch ein tolles Buch für eine Leserunde gewesen! Da gibt es auch einiges zum rätseln :)
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