Sonntag, 16. Februar 2025

Der letzte Mord am Ende der Welt von Stuart Turton

Stuart Turton
122 Überlebende, 1 Mörder, 107 Stunden bis zum Ende der Welt

Die Welt wurde durch einen ­giftigen Nebel zerstört, nur auf einer kleinen Insel im Mittel­meer existieren dank eines kom­plizierten Abwehrsystems letzte Überlebende. Wissenschaftler ­sorgen für ein friedliches Leben, sie überwachen die Landwirt­schaft, die nächtliche Sperrstunde und sogar die Gedanken der ­Dorf­bewohner. Die wiederum ­stellen keine Fragen – bis [Spoiler] eines Morgens ermordet auf­gefunden wird. 
[Spoiler] 
Wird der Mörder nicht inner­halb der nächsten 107 Stunden ­gefunden, wird die Insel von dem Nebel verschluckt. Und auch die letzten Menschen auf Erden werden aussterben. Das Problem: Niemand erinnert sich daran, was in der vergangenen Nacht geschehen ist. 




Der letzte Mord am Ende der Welt von Stuart Turton


Im Original The Last Murder at the End of the World
übersetzt von Dorothee Merkel
Genre Science Fiction - Krimi - Utopie

Verlag Klett-Cotta - Seitenzahl 464 - 1. Auflage Februar 2024



Meine Meinung

Ich muss hier sehr untypisch kurz erst auf das Nachwort des Autors eingehen, denn er schreibt hier selbst, wie ungewöhnlich es ist, dass er uns (ich zitiere ihn hier mal) mit seinem ersten Buch "Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle" einen Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Krimi beschert hat, danach mit "Der Tod und das dunkle Meer eine historische Gespenstergeschichte und jetzt diesen neuen  Sciencfiction-Apokalypse-Roman.
So von einem Genre ins andere zu springen ist ist sehr ungewöhnlich, aber toll zu sehen wie sich Stuart Turton ausprobiert und uns damit jedes Mal wieder überraschen kann!

Der Autor hat hier ein dramatisches Zukunftsszenario entworfen. Nach einer weltweiten Katastrophe gibt es auf einer Insel einen letzten Hort der überlebenden Menschen. Durch eine Barriere vor den schädlichen Einflüssen geschützt leben hier noch 122 Menschen friedvoll miteinander. Es ist eine Gemeinschaft, in der das Miteinander gefördert wird, in der jeder gerne seinen Beitrag für das Gemeinwohl leistet und auf den ersten Blick als perfekte Gesellschaft erscheint. Eine Utopie, in der eine Botschaft mitschwingt, die viele für überzogen halten werden, die Grundessenz aber den Schritt in eine Richtung weist, den wir endlich verinnerlichen sollten.

Das Leben dieser Menschen ist einfach und sie müssen mit dem wenigen auskommen, was hier auf der Insel zu finden ist, aber sie sind zufrieden und haben in ihrer Gemeinschaft einen guten Weg gefunden, um sich gegenseitig wertzuschätzen.

Zweifel tauchten dann für mich allerdings recht schnell auf, denn die drei Wissenschaftler, die diese letzte Bastion am laufen halten, haben Geheimnisse vor den anderen Bewohnern. 
Interessant fand ich die Kommunikation mit "Abi", denn es war lange nicht klar, wer oder was sie darstellt. Sie ist mit allen Inselbewohnern geistig verbunden, kennt also ihre Gefühle und kann in Gedanken mit ihnen interagieren. Mit ihr springen wir sozusagen zwischen den Perspektiven hin und her und sie weist auch immer wieder latent darauf hin, wie einzelne Entscheidungen die Zukunft beeinflussen, die alsbald das Schicksal aller entscheiden wird.
Außerdem war mir das Alter immer etwas unklar, denn Kinder, Eltern und Großeltern hatten seltsame Altersunterschiede, die mir nicht zusammen passen wollten. 
Auch der im Prolog angedeutete Plan, diese Menschen endgültig auf den rechten Weg zu führen in eine ewig friedliche Zukunft und Utopie, verbunden mit einem Mord, löst viele Rätsel aus.
Eine Ausgangssituation also, die eine Menge Fragen in sich trägt und mich sehr neugierig gemacht haben, was sich wohl dahinter verbirgt.

Das Leben spielt sich nur in einem gewissen geschützten Bereich ab, einer Art herunter gekommener Kaserne, dem "Dorf", das die Menschen nachts nicht verlassen dürfen, weil es zu gefährlich sei. Alles wird konsequent geregelt und niemand scheint irgendetwas an dem ganzen System zu hinterfragen. Bis auf Emory. 
Sie hat ihre Mutter und ihren Ehemann durch deren Arbeit mit der Wissenschaftlerin Thea verloren, die auf der Suche nach den alten Technologien die Insel erforschen - und misstraut vielen Regelungen und Entscheidungen. Sie stellt unangenehme Fragen, hat aber auch schnell gemerkt, dass sie damit nicht weiterkommt und sich sogar den Unmut ihrer Mitmenschen einfängt.

Der Stil liest sich sehr flüssig. Auch wenn man immer wieder zwischen den Perspektiven hin und her springt, beschränkt sich der Autor auf die wenigen wichtigen Charaktere, die hier eine Schlüsselrolle haben. Sehr geschickt werden immer mehr Wahrheiten offenbart, die das ganze in ein völlig anderes Licht rücken. 
Ich fand es immens spannend, wie immer mehr Geheimnisse gelüftet werden und vor allem das Rätsel, das dieser "Mord" aufgibt, nach dem plötzlich der Countdown beginnt und das Überleben aller in Gefahr ist. Was steckt dahinter?

Während ich anfangs mit Spannung verfolgt habe, wie das Leben auf dieser Insel funktioniert und wer welche Rolle einnimmt, passiert plötzlich ein großes Unglück und ein Mord wird aufgedeckt. Eigentlich sollte aber keiner der hier Lebenden überhaupt zu so etwas fähig sein und Emory begibt sich auf die Suche nach Hinweisen, um den Täter auf die Spur zu kommen: das Überleben der Menschheit hängt davon ab! Ab dem Zeitpunkt konnte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, denn es gibt so viele Spuren und Hinweise, neue Rätsel und offene Fragen, dass sich meine Gedanken ständig im Kreis gedreht haben und ich immer wieder überrascht und weitergetrieben wurde. 

Aus den vorherigen Büchern wusste ich, dass der Autor es sehr gut versteht, eine Dynamik aufzubauen die sich aus komplexen und in sich verschlungenen Anspielungen aufbaut, die erstmal mehr Verwirrung auslösen - um dann umso genialer aufgeklärt werden. 
Auch die Figuren sind großartig gezeichnet. Durch die Einblicke von "Abi", die ja in den Gefühlen und Gedanken der Menschen lesen kann, erhält man eine gut Vorstellung von ihnen, auch wenn sie alle ihre Geheimnisse haben.

Es wirkt schon auch wie ein Appell an die Menschen, denn uns wird hier schon ein Spiegel vor gehalten. Nicht so dass es aufdringlich oder nervig wirkt, aber so, dass man es wahrnimmt und darüber nachdenkt. Was auch mitschwingt ist wieder mal mein Lebensmotto, das man sich wirklich verinnerlichen sollte: control is an illusion. Nicht nur eine Illusion, sondern der falsche Weg, denn mit Kontrolle geht immer eine Menge Macht einher und mit Macht eine Konstellation, die meist mit Selbstüberschätzung einhergeht, bei dem man die wichtigen Dinge aus den Augen verliert.
Hass resultiert ja aus Ängsten und davon haben wir momentan genug in unserer Gesellschaft - so dass wir hoffentlich bald auch einen Weg finden werden uns davon zu lösen und eine Idee anstreben, aus dieser Verunsicherung auszubrechen und ein Miteinander finden, in dem es um Respekt und Toleranz geht.

Meine Bewertung




Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.



Ebenfalls vom Autor gelesen

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle  
Mystery Krimi - 4,5 Sterne - Rezension

Der Tod und das dunkle Meer
historischer Mystery Thriller - 5 Sterne - Rezension

5 Kommentare:

  1. Oh, das klingt spannend. Die sieben Tode fand ich damals schon richtig gut und das hier landet jetzt sofort auf meinem eReader. Ungewöhnlichen Mordszenarien kann ich nicht widerstehen. O.O

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    1. Wie schön mal wieder was von dir zu lesen! *.* Das freut mich sehr! Ich verfolge dich und deine tollen Bilder ja auf insta :D
      Das neue hier von Turton war wirklich klasse! Ich hoffe, es wird dich dann auch so begeistern können!

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    2. Giselas Lesehimmel16 Februar, 2025 13:12

      Ganz tolle Rezi liebe Aleshanee. Ich habe das Buch gestern auch fertig gelesen und rezensiert.
      Die anderen Bücher des Autors werden in meinem Adventskalender 2025 landen.

      Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.

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  2. Hallo Aleshanee,

    ja, ich bin auch neugierig. Du hast ja letztens schon mit deinen Andeutungen mein Interesse geweckt. Es kommt nun gleich auf die Wunschliste.

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Sehr schön! Das freut mich! Das wäre auch ein tolles Buch für eine Leserunde gewesen! Da gibt es auch einiges zum rätseln :)

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