Montag, 21. November 2022

[Roman] Der Passagier von Cormac McCarthy

Der Passagier und Stella Maris: Zwei Romane ohne Vorbild. Die Wahrheit des einen negiert die des anderen.
 
1980, Pass Christian, Mississippi: Bobby Western, Bergungstaucher mit Tiefenangst, stürzt sich ins dunkle Meer und taucht hinab zu einer abgestürzten Jet Star. Im Wrack findet er neun in ihren Sitzen festgeschnallte Leichen. Es fehlen: der Flugschreiber und der zehnte Passagier. Bald mehren sich die Zeichen, dass Western in etwas Größeres geraten ist. Er wird von skrupellosen Männern mit Dienstausweisen verfolgt und heimgesucht von der Erinnerung an seinen Vater, der an der Erfindung der Atombombe beteiligt war, und von der Trauer um seine Schwester, seiner großen Liebe und seinem größten Verderben.

Der Passagier führt – von den geschwätzigen Kneipen New Orleans‘ über die sumpfigen Bayous und die Einsamkeit Idahos bis zu einer verlassenen Ölplattform vor der Küste Floridas – quer durch die mythischen Räume der USA. Ein atemberaubender Roman über Moral und Wissenschaft, das Erbe von Schuld und den Wahnsinn, der das menschliche Bewusstsein ausmacht.




Der Passagier von Cormac McCarthy 

 Cormac McCarthy ist 1933 geboren und heute 89 Jahre alt
Im Original The Passenger --- übersetzt von Nikolaus Stingl
Schauplatz USA 1980

Verlag Rowohlt --- Seitenzahl 528
1. Auflage Oktober 2022
 

Meine Meinung
✩✩✩✩✩✩✩✩✩✩

Aufmerksam hierauf bin ich geworden durch den Nachfolger "Stella Maris". Der Klappentext hatte mich so angesprungen, dass ich es unbedingt lesen wollte: und dann gesehen habe, dass man den Passagier unbedingt vorher lesen sollte, weil sich diese beiden Geschichten direkt aufeinander beziehen. (Am Ende des Beitrags findet ihr den Klappentext zu Stella Maris)

In "Der Passagier" geht es hauptsächlich um Bobby Western. Auch hier hat mich der Klappentext angesprochen und ich war gespannt, was sich hinter dem Geheimnis des Flugzeugwracks verbirgt, in dem ein Passagier fehlt. Diese Tatsache durchzieht den ganzen Roman, denn Bobby macht sich Gedanken darüber, wie ein intaktes Flugzeug im Meer verunglücken kann und wie ein Passagier aus dem verschlossenen Flieger hätte verschwinden können. Er stellt Überlegungen und Nachforschungen an, ohne etwas greifbares zu finden.
Gleichzeitig tauchen dubiose Männer bei ihm auf, die ihn dazu befragen. Seine Wohnung wird in seiner Abwesenheit durchwühlt, er fühlt sich verfolgt. So weit, so gut. So gesagt klingt es spannend, war es aber nicht so wirklich. Da es immer nur so nebenbei eingeflochtene Szenen waren, die nicht das Grundgerüst für die Handlung waren, aber die Frage immer wieder aufgeworfen wird: Was steckt dahinter?

Ich hatte vor allem das Gefühl, dass es hauptsächlich um einen Mann geht, der um seine Schwester trauert, die sich vor 10 Jahren umgebracht hat. Und in die er verliebt war. 
Über die Schwester Alicia erfahren wir auch einiges; vor allem in den kleinen Zwischenspielen, die die Kapitel einleiten. Ein Rückblick sozusagen in ihre Gedankenwelt von damals, die ich jedoch kaum durchschauen konnte. Sie sind bestimmt von den Zwiegesprächen mit ihren imaginären "Freunden". Sie litt an Schizophrenie und hatte mehrere Klinikaufenthalte hinter sich, bis sie sich schließlich umgebracht hat. 
Diese Gespräche hätten mich faszinieren sollen, aber ich hab sie einfach nicht verstanden. Hauptsächlich hat sie mit einem "Zwerg" geredet bzw. gestritten. Wenn man weiß, dass diese "Person" ein Teil ihrer Persönlichkeit war, war das höchst seltsam. Nicht an sich als Situation, sondern über was sie sich unterhalten haben und wie verquer diese Gespräche waren. Ein wirrer Geist - für mich - dem ich einfach nicht folgen konnte.
Nur eine einsame Traurigkeit konnte man immer wieder heraushören und dass das Leben für sie aus ihrer Sicht nie wirklich gutes bereit hielt.

Als ihre Tante Helen zu Besuch kam, fragte sie das Mädchen, was sie denn einmal sein wolle, wenn sie groß sei, und sie antwortet: Tot.
Ich meine es ernst.
Ich auch.
Nein. Du bist schnippisch und frivol.
Also. Was möchtest du gern sein?
Unheilbar krank?
Zitat Seite 223

Joa. Übrigens hab ich hier keine Satzzeichen weggelassen. Die fehlen komplett. Ich hab auch mal ein bisschen gegoogelt und der Autor meinte wohl mal, dass diese "Gänsefüßchen" völlig überflüssig wären und es "keinen Grund gibt, die Seiten mit komischen, kleinen Zeichen zu füllen". :D

Ich muss gestehen dass ich hier einfach überfordert war. Schon der Anfang hat mich verwirrt, vieles hab ich nicht verstanden, viele Szenen erschienen mir auch einfach belanglos. Kein roter Faden, außer dass Bobby von Schuldgefühlen zerfressen durch sein Leben trudelt. Sich mit Freunden trifft, Gespräche führt und nicht wirklich weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll.  
Andererseits muss ich dem Autor schon zugestehen (der ja jetzt immerhin schon 89 Jahre alt ist), dass er auf sehr kuriose Art mit der Sprache und den Wörtern umzugehen weiß - manch einer mag die Raffinesse dahinter erkennen, ich hatte leider nur immer wieder Ahnungen, konnte sie aber nicht so recht zusammensetzen - und hatte am Ende auch nur ein Puzzle mit vielen, vielen Teilen, die einfach nicht zueinander passen wollten. 
Die Gespräche kreisen viel um die Geschichte der USA, den Goldsuchern, dem Ölgeschäft, dem Mord an Kennedy, aber auch Autorennen oder die Einsichten einer Trans-Frau kommen vor. Und die Atombombe, an deren Entstehen Bobbys Vater aktiv mitgewirkt hat. Eine Reise durch die USA und gleichzeitig eine Reise durch die vielen Facetten Amerikas und auch Bobbys Gedankenwelt selbst.

Es heißt ja, dass die Fortsetzung "Stella Maris" einiges aufklärt, also all die Fragen klärt, die unbeantwortet blieben ... ich bin gespannt. Die ganzen Passagen über Wissenschaft, Physik, das menschliche Bewusstsein und dessen Tücken, das sind ja eigentlich Themen die mich stark interessieren - aber eher auf einem alltagsverständlichem Niveau. Die vielen Fremdwörter, Bezeichnungen und Namen teilweise mögen für Kenner der Gebiete den Sinn herauslesen lassen, für mich war es einfach nicht möglich.

Schwierig etwas zu bewerten, das man nicht versteht. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, auf was der Autor mit seiner Geschichte hinauswollte - ich hatte gehofft, dass "Stella Maris" etwas Licht ins Dunkel bringt, aber dem war nicht so. Es wurde zwar etwas offenbart, allerdings komme ich nicht so ganz hinter den Clou des ganzen.


Meine Bewertung
✩✩✩✩✩✩✩✩✩✩




Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.



Stella Maris - die Fortsetzung dagegen war genial
bekommt 4.5 Sterne von mir - Meine Rezension 

1972, Black River Falls, Wisconsin: Alicia Western, zwanzig Jahre alt, lässt sich mit vierzigtausend Dollar in einer Plastiktüte und einem manifesten Todeswunsch in die Psychiatrie einweisen. Die Diagnose der genialen jungen Mathematikerin und virtuosen Violinistin: paranoide Schizophrenie. Über ihren Bruder Bobby spricht sie nicht. Stattdessen denkt sie über Wahnsinn nach, über das menschliche Beharren auf einer gemeinsamen Welterfahrung, über ihre Kindheit, in der ihre Großmutter um sie fürchtete – oder sie fürchtete? 

Alicias Denken kreist um die Schnittstellen zwischen Physik, Philosophie, Kunst, um das Wesen der Sprache. Und sie ringt mit ihren selbstgerufenen Geistern, grotesken Chimären, die nur sie sehen und hören kann. Die Protokolle der Gespräche mit ihrem Psychiater zeigen ein Genie, das an der Unüberwindbarkeit der Erkenntnisgrenzen wahnsinnig wird, weder im Reich des Spirituellen noch in einer unmöglichen Liebe Erlösung findet und unsere Vorstellungen von Gott, Wahrheit und Existenz radikal infrage stellt. 

9 Kommentare:

  1. Liebe Aleshanee,
    das Buch an sich klingt ultra spannend! Und irgendwie stelle ich es mir sehr erfüllend vor, im Rentenalter Autor zu sein und dann die Muße zu entwickeln, mich so der Literatur zu verschreiben.
    Ich glaube, nur mit dem Klappentext und vielleicht dem ein oder anderen Blick in das Buch hätte ich es auch gelesen. Es erinnert mich ein weeeeeenig an Illuminati, bezogen auf die Schnittstelle von Krimi/Physik und Philosophie. Das Problem mit den fehlenden Zeichen kenne ich aus einem anderen Roman (Der endlose Sommer), dort wurden als stilistisches Mittel endlose Sätze gebildet und es gab auch keine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Furchtbar, es war so anstrengend, zu lesen!
    Schade, dass du also von dem Roman nicht so zufrieden warst, aber wenigstens konnte dich die Fortsetzung packen!

    Liebe Grüße,
    Isa

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    1. Liebe Isa, mit Illuminati kann man es gar nicht vergleichen - ich wüsste auch ehrlich gesagt nicht, mit was man es überhaupt vergleichen könnte...

      An die fehlenden Satzzeichen hab ich mich relativ schnell gewöhnt, auch wenn es an manchen Stellen schon unübersichtlich ist, wer jetzt grade redet.
      Ja, leider hab ich es einfach nicht verstanden.

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  2. Liebe Aleshanee,

    oh - das HB ist erst vor kurzem auf meinen SuB gewandert - jett lese ich, dass du es gar nicht gut fandest. UNd ich frage mich gerade, ob das HB eine gute Idee ist... Wenn das Ganze so schwer zu verstehen ist. Da muss ich mal nachdenken.

    Es ist natürlich toll, dass dich der Nachfolger so begeistert hat, aber erstaunlich, dass du dioch überhauot dran gewagt hast. Stimmst du denn der Meinung zu, dass man den ersten Teil wirklich unbedingt vorher lesen muss?

    LG Sabine

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    1. Hm, vielleicht funktioniert es ja sogar als HB besser? Ich weiß es nicht, ich fands schon sehr, naja, irgendwie konnte ich mir so gar nichts aus der Handlung mit rausnehmen. Es ist echt schwer zu beschreiben. Vielleicht hörst du einfach mal rein.

      Naja, ich hatte beide als Rezi-Ex, also "musste" ich das zweite noch lesen und ich hatte echt Bammel dass es genauso ist. Aber es ganz anders, weil es wirklich nur das Gespräch zwischen der Schwester und dem Psychiater gibt. Und das ist echt sehr cool!

      Wenn was zusammenhängt bin ich ja normalerweise IMMER dafür beides zu lesen, aber ich weiß echt nicht, ob das hier sein muss. Es gibt schon einen Clou, der sich dann aufdeckt, aber mir hätte Stella Maris gereicht.

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    2. Danke für deine Einschätzung. :-)

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  3. Hallo Aleshanee,

    deine Rezension liest sich richtig verzweifelt. Einerseits tut es mir leid, dass du dich mit dem Buch eher quälen musstest, andrerseits freut es mich, weil ich wohl gleich zu "Stella Maris" greifen werde. Ich hätte mir schon gedacht, dass es mehr um "den Passagier" geht und nicht nur um Zwiegespräche mit einem Zwerg. ^^ Es hört sich jedenfalls nach einer mühsamen Erfahrung an.

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Hm, dann kam das wohl etwas falsch rüber. Diese Zwiegespräche der Schwester mit dem Zwerg waren immer nur kurz am Anfang der Kapitel.
      An sich ging es immer um den Bruder - wobei ich jetzt wohl doch tatsächlich auf etwas gekommen bin, was mir zuvor nicht aufgefallen ist. Wobei mir das letzten Endes auch nicht wirklich weiterhilft *lach*
      Ich kann leider nicht wirklich zum Passagier raten und hoffe, dass Stella Maris zu Weihnachten bei dir einzieht :)

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    2. Guten Morgen Aleshanee,

      nein, das mit dem Bruder hatte ich schon verstanden, nur hat mich die Unterhaltung mit dem Zwerg irritiert.

      Schauen wir mal, ob ich "Stella Maris" unterm Christbaum finde. Ich bin gespannt.

      Liebe Grüße und einen guten Start in den Tag
      Nicole

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  4. Hallo liebe Aleshanee,
    dieses Buch (und "Stella Maris") habe ich auch schon eine Weile auf der Merkliste, war mir aber unsicher, was mich wirklich erwartet. Ich war daher sehr gespannt auf deine Rezension. Danke für deinen sehr guten Einblick in das Buch!
    Der Klappentext klingt wirklich spannend (wie du ja auch schreibst), aber es ist ja schade, dass das alles so abdriftet in seltsame Abschnitte, die etwas unverständlich sind.
    Deine Rezension zu "Stella Maris" habe ich auch gelesen und das Buch klingt wieder sehr interessant. Ich überlege es mir noch, vielleicht warte ich auch auf die Onleihe.

    Liebe Grüße und danke für die beiden hilfreichen Rezensionen! :)
    Nicole

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