Dienstag, 3. Januar 2017

Rezension: Das Reich der Tränen von Janine Wilk

Das Reich der Tränen

von Janine Wilk
Illustrationen: Karin Lindermann

empfohlen ab 11 Jahren

Verlag: Thienemann
Seitenzahl: 224
Hardcover nur noch gebraucht erhältlich

1. Auflage: Feb 2014






"Obwohl die Flucht in die Fantasie keine Lösung für reale Probleme ist, so kann die Fantasie das Wichtigste bewahren, was es für einen Menschen in schweren Zeiten geben kann: Hoffnung."
Letzter Satz im Nachwort von Janine Wilk

 * * *

Ich musste diesen Satz vorausschicken, weil gerade diese Aussage der Grundgedanken dieses Buches ist, das in all seinen Facetten zwar Mut verleiht, aber doch oft sehr traurig ist und gerade mich als Mutter sehr betroffen macht.

Wir alle wissen, dass es viele Kinder auf der Welt gibt, denen es zwar von außen her gut zu gehen scheint, die sich aber innerlich mit Problemen und Ängsten auseinandersetzen müssen, die so einer zarten Kinderseele schwere Schäden zufügen können. 


  * * *

Mia, die Hauptfigur der Geschichte, ist ein starkes Mädchen, dass sehr unter der grausamen Mutter und dem ohnmächtigen Vater leiden muss. Es gibt auch einige handgreifliche Strafen, aber noch mehr bewegt haben mich die vielen und beständigen seelischen Demütigungen, denen sie hilflos ausgeliefert ist. Ich darf mich dabei gar nicht zu sehr in die Rolle dieser Mutter einfühlen, weil mir da regelrecht schlecht wird wenn ich daran denke, wie sehr ein Kind dabei zu leiden hat. Deshalb ist das für mich nicht (nur) ein Kinderbuch, sondern ein Elternbuch, das sehr deutlich aufzeigt, wie stark der Einfluss der Eltern und wie leicht diese Macht zu missbrauchen ist.

"Mia hatte es satt, sich der Königin gegenüber gehorsam und demütig zu verhalten.
So etwas verdiente nur eine gute Königin, die ihre Untertanen mit Respekt behandelte." S. 60

Die Phantasiewelt, in die Mia "verschwindet" sobald ihr die Tränen kommen, sobald es einfach zuviel ist für ihre Kinderseele, ist eine Zuflucht. Dort hat sie keine fordernde Mutter, die beständig zu viel von  ihr verlangt und der sie doch nichts recht machen kann - und für alles nur schlecht gemacht wird. Auf eine sehr anschauliche Weise verarbeitet sie hier all ihre schlimmen Erfahrungen und die Unsicherheit, die ihre Kindheit prägt. 
Dabei geht es um Einfühlungsvermögen, den Respekt voreinander, das Verständnis anderen gegenüber und den Mut, gegen die Hoffnungslosigkeit vorzugehen und sich nicht davon völlig überrollen zu lassen. Gerade Kinder verstehen die Alltagswelt der Erwachsenen einfach noch nicht - sie können die Probleme und die Zusammenhänge nicht erfassen, die Reaktionen begreifen und den Sinn dahinter verstehen. Da laufen so viele unbewusste Prozesse ab, die sich tief in ihre Herzen graben und die Entwicklung in eine verstörende Richtung beeinflussen können.

"Sie mochte es nicht, wenn sie von anderen berührt wurde.
Berührungen versprachen eine Nähe, 
wo in Wahrheit überhaupt nichts vorhanden war." S. 52

Mia entdeckt dabei aber auch, dass man sich kleine Momente des Glücks bewahren kann, dass Lachen befreiend wirkt und man die Hoffnung nicht verlieren darf! Ein langer Weg, dessen Ende gerade ein Kind kaum überblicken kann und mich immer wieder bewundern lässt, wie stark diese jungen Seelen sind und sein müssen.

"Kasi meint, man muss besonders in solchen Momenten lachen, in denen das Leben dunkel
und hoffnungslos erscheint. Durch das Lachen holt man das Glück nämlich wieder zurück." S. 132

Janine Wilk hat dafür einen kindgerechten, aber trotzdem anspruchsvollen Stil eingesetzt, der bildhaft und aussdruckstark viele philosophische und metaphorische Ansätze deutlich macht. Ob das so junge Menschen alles wirklich verstehen und nachvollziehen können weiß ich nicht, aber wie in den Märchen werden auch sie den Kern der Aussagen unbewusst sehr wohl entdecken und verinnerlichen können. 
Die verschiedenen Abschnitte werden mit kleinen Zitaten aus Kinderbüchern eingeleitet, die auch mich durch meine Kindheit begleitet haben und man merkt auch, dass die Geschichte von Mia von einigen inspiriert ist. 

Der Wechsel zwischen Mias realem Leben und ihre Flucht in ihre Traumwelt hat in die bedrückende Atmosphäre immer wieder etwas Licht gebracht - zum Glück, denn das Schicksal des kleinen Mädchens ist mir schon sehr zu Herzen gegangen. Wie es sich für ein Kinderbuch gehört hat es natürlich ein positives Ende und ich würde mir wünschen, dass sich all die Kinder auf der Welt, denen es ähnlich geht, auch einen Traum schaffen können, an dem sie festhalten oder Hilfe finden, die sie in ihrer ausweglosen Lage unterstützt.

Bewertung
  http://blog4aleshanee.blogspot.de/search/label/4%2F5%20Sonnen

© Aleshanee 



Über die Autorin: Janine Wilk wurde am 07.07.1977 in Mühlacker geboren. Schon im jungen Alter konnte sie sich für Literatur begeistern, mit 11 Jahren schrieb sie dann bereits ihre ersten Geschichten. Anfang 20 begann sie mit den Arbeiten an ihrem ersten Buch. Bald darauf folgten die ersten Veröffentlichungen im Bereich Kurzprosa und Lyrik. Janine Wilk lebt mit Mann und zwei Kindern in der Nähe von Heilbronn.
Quelle: lovelybooks




7 Kommentare:

  1. Hallo,

    das klingt nach einem anspruchsvollen Märchen! Wenn die Hoffnung immer durchschimmert, finde ich es für Kinder sehr passend geschrieben. Die positiven Aspekte müssen immer überwiegen, sonst bedrückt der Inhalt mehr als das er mit Freude lesen lässt.

    LG Barbara

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    1. Ich finde, dass die Autorin hier einen sehr guten Mittelweg gefunden hat, der zwar sehr deutlich zeigt, wie das Mädchen leidet, aber durch die "Ausflüge" in die Phantasiewelt das - gerade für Kinder - wieder etwas relativiert und Abstand gewinnt.
      Der positive Schluss ist hier auf jeden Fall sehr wichtig, gerade weil es ein Kinderbuch ist, obwohl es gerade für Eltern noch wichtiger wäre ^^

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  2. Hey, ich habe gerade deinen Blog entdeckt und finde ihn wirklich sehr schön!:) ich bin gleich mal neue Leserin geworden. ich würde mich wirklich sehr freuen wenn du auch mal bei mir vorbeischauen würdest :) Lg, Aileen. http://meinlebenvollerbuecher.blogspot.de/

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  3. Hey meine Liebe,

    dieses Buch ist mir vom Bild her schon ein paar mal über den Weg gelaufen, aber ich habe ihm nicht genug Respekt gezollt wie ich gerade lese. Eine wirklich tolle Rezi, zu einem besonderen Buch dass mit Sicherheit im Kopf bleibt. Ich werde es mir gleich mal etwas genauer anschauen :)

    Liebe Grüße,
    Ruby

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    1. Ja, ich hab das Buch auch schon mehr oder weniger seit "Jahren" verfolgt, denn das Cover hat mich vom ersten Moment an angesprochen. Aber irgendwie ist es immer an mir vorbeigegangen ... zum Glück hab ich es wiederentdeckt und gelesen!

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  4. Hallo Alex,
    deine Rezension ist wirklich sehr berührend und die Zitate so passend gesetzt, dass man sich vorstellen kann, was das Buch mit einem macht. Die Geschichte scheint berührend zu sein. Eine wirklich tolle Rezension.

    Liebe Grüße,
    Vanessa

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    1. Dankeschön Vanessa! Freut mich sehr, dass ein bisschen von dem rübergekommen ist, was ich beim Lesen empfunden hab. Es ist ja oft schwer, das dann irgendwie in Worte zu fassen ...
      Jedenfalls eine sehr bewegende und lesenswerte Geschichte!

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