Eine Anthologie mit 17 detektivischen Kurzgeschichten von
Jürgen Bärbig, Richard Fliegerbauer, Christoph Heiden, Regine D. Ritter,
Christian Endres, M.W. Ludwig, Norbert Schäfer, Anke Elsner, Detlef Klewer,
Tanja Brink, Wolfgang Kemmer, Jens Arne Klingsöhr, Kai Bößneck, Monika Grasl,
Alexander Klymchuk, Sarah Lutter, Christoph Grimm
mit Illustrationen von Detlef Klewer
Herausg. Christoph Grimm, Sarah Lutter
Verlag Burgenwelt
Seitenzahl 368
1. Auflage Mai 2023
Stillstand! Nichts ist Sherlock Holmes mehr verhasst! Herausforderungen sind
seine Muse, halten ihn am Leben. Dabei ist es nebensächlich, ob er einen Fall
lediglich durchdenkt, aktiv ermittelt oder en passant in mysteriöse
Angelegenheiten verwickelt wird. Ist erst einmal seine Neugier geweckt, bleibt
kein Fall ungelöst, so verzwickt und rätselhaft dieser auch sein mag. Nur
Stillstand, der darf es nicht sein, sonst ruft die siebenprozentige Lösung
unerbittlich nach dem Meisterdetektiv…
Meine Meinung
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Da ich, seit ich denken kann, ein Fan von Sherlock Holmes und Dr. Watson bin
und Bücher in Bezug auf das Detektiv-Duo sehr gerne lese (sowie auch
Verfilmungen schaue) war ich natürlich neugierig, was sich die Autoren hier
für Geschichten ausgedacht haben.
Da ich mittlerweile auch endlich die meisten der Original Geschichten von
Arthur C. Doyle gelesen habe, hatte ich auch einen guten Vergleich und viele
der Geschichten haben mich authentisch?????
Die besorgte Lady von Christoph Heiden
★★★★
Dr. Watson überredet Holmes zu einem Besuch eines derzeit bekannten
Schriftstellers, um den Detektiv aus seiner Lethargie zu holen. Während der
Zugreise bekommen sie es mit einem vermissten Fahrgast zu tun, dessen
Verschwinden mysteriöse Umstände begleitet.
Ein sehr typisches Szenario, das mich direkt gut eingestimmt hat, weil es sehr
authentisch und nah an den Holmes Geschichten angelehnt ist. Vor allem die
Dialoge zwischen Holmes und Watson haben mir gefallen - die Erklärungen zu
Holmes Deduktionen haben hier aber meist gefehlt, was ich etwas schade fand.
Besuch aus Ägypten von Jürgen Bärbig
★★★★
Während sich Sherlock Holmes in der Baker Street im Rausch von Opium in seine
Lethargie ergibt, bekommt er stürmischen Besuch von Mrs. Watson, deren Mann
verschwunden ist. Sein schlechtes Gewissen treibt Holmes sofort zu den
Nachforschungen an, die mit einer Entführung im Museum zusammenhängen.
Neben dem Einbruch in das Museum spielt hier auch das Streitthema zwischen
Holmes und Watson eine gewissen Rolle, denn der Drogenkonsum ist bei den
beiden ja öfter mal Diskussionsstoff. 2-3 Momente, Entwicklungen fand ich
etwas unlogisch, aber ansonsten war es ein interessanter Fall, der hier mal
aus Holmes Perspektive geschildert wurde.
Die Frau mit dem Handschuh von Christian Endres
★★★★
Das eingeschneite London im Winter hat auch das Verbrechen lahmgelegt -
deshalb kommt die Nachricht von Lestrade über den Fund einer Leiche gerade
recht, um Holmes aus seiner Langeweile zu reißen.
Etwas blumiger geschrieben als man es von den klassischen Fällen her kennt,
passte aber auch hervorragend zu den winterlich verschneiten Schauplätzen und
der leicht romantisch angehauchten Geschichte.
Der Fall des zweifachen Todes von Regine D. Ritter
★★★★
Aufgrund Watsons Bescheidenheit hat Insp. Lestrade diese Geschichte
niedergeschrieben und berichtet von der ermordeten Lady Hemsworth - die nach dem Tod ihres Mannes seine Geschäfte übernahm und damit eine Besonderheit in der Gesellschaft darstellt und auch eine reiche Erbschaft anzubieten hat.
Der Ansatz eine Geschichte aus Lestrades Sichtweise zu schreiben fand ich originell, genauso wie die Aufklärung des Falls - auch wenn ich hier den Titel anders gewählt hätte.
Gin von Richard Fliegerbauer
★★★★
Der junge Mr. Reid bittet Holmes, seinen Vater zu suchen. Dieser hat ihm einen Abschiedsbrief hinterlassen und es ist unklar, was mit ihm passiert ist. Die Spur führt sie zu einem ungewöhnlichen Hintergrund, der wieder mit Bravour gelöst wurde.
Etwas nüchterner erzählt erinnert es sehr an die originalen Geschichten von Doyle und hat eine einfallsreiche Auflösung.
Die zweite Begegnung von M. W. Ludwig
★★★★
Hier vermutet ein gut situierter Herr, der jedoch auf moralischen Abwegen unterwegs ist, einen Mordanschlag. Ein guter Freund von ihm wurde getötet und er glaubt, dass dieser vielleicht ihm gegolten hat. Hier spielen die gesellschaftlichen Masken und versteckten Geheimnisse eine Rolle, und die Buße vergangener Taten.
Auch wieder eine interessante und spannende Geschichte, in der man gut miträtseln konnte.
Der weiße König von Norbert Schäfer
★★★★
Der scheinbar recht banale Fall eines versuchten Raubes mit Todesfolge, bei dem Insp. Lestrade um Mithilfe bittet, reißt Holmes aus seiner wochenlangen Trägheit. Als Täter wird ein Landstreicher festgelegt, doch natürlich hat das ganze andere, tragische Hintergründe, die am Ende doch noch zu einem guten Ende führen. Holmes beweist hier Taktgefühl und Nachsehen.
Auch diese Geschichte passt sehr schön zum historischen Schauplatz und typischen Ermittlungsmethoden - hat mir ebenfalls gut gefallen!
Das verschwundene Portemonnaie von Jens Arne Klingsöhr
★★★
Die ersten Sätze beginnend etwas verwirrend, aber schließlich sitzen wir wieder in der Baker Street und lauschen mit Holmes und Watson einer jungen Dame und einem Vorfall im Savoy. Ein Diebstahl mit schon festgelegtem Täter scheint Holmes zu banal, bis ihm ein besonderes Merkmal neugierig macht - und seine Ermittlungen intrigante Hintergedanken zutage fördern.
Der Stil war hier manchmal etwas unpassend formuliert für mich, aber dennoch unterhaltsam mit einem trickreichen Fall.
Das verschlossene Zimmer von Detlef Klewer
★★★
Vom Autor dieser Geschichte stammen auch die Illustrationen, die jeden Fall hier passend skizziert einleiten.
Wie immer ein spannendes Rätsel, wenn ein Toter in einem von innen verschlossenem Raum gefunden wird. Einen Selbstmord schließt Holmes schnell aus und überführt recht schnell den ungewöhnlichen Täter.
Angenehm zu lesen mit dem üblichen Charme des Duos - allerdings war mir die Auflösung etwas zu weit hergeholt.
Das Vermächtnis des Falschmünzers von Wolfgang Kemmer
★★
Auf dem Weg zu den Reichenbachfällen nahe des Genfer Sees im Rhonetal begegnen Holmes und Watson der Witwe eines Falschmünzers. Die Polizei erhofft sich eine Spur auf dessen Nachlass seiner Verbrechen.
Ein kurzer, unaufgeregter Fall, der mich nicht unbedingt mitreißen konnte.
Schachmatt von Tanja Brink
★★★★
Während in London ein großes Schachturnier stattfindet, werden drei Leichen mit einer Morphium Überdosis gefunden. Die Umstände sprechen dafür, dass kein Eigenverschulden oder Selbstmord anzunehmen ist und außerdem gibt es noch etwas, dass alle drei auf kuriose Weise verbindet.
Ein interessant inszenierter Fall mit einer spannenden Ermittlung.
Das Molesey-Rätsel von Kai Bößneck
★★★
Lestrade ermittelt in einer Mordserie, die sehr wahrscheinlich mit einem Geheimbund zusammenhängt. Mit einem erfolgreichen Abschluss dieser Ermittlung dürfte ihm der neue Posten des Chief Inspectors sicher sein. Vor drei Jahren erfuhr er von Dr. Watson, dass Holmes an den Reichenbachfällen den Tod gefunden hat - und seitdem versucht Lestrade sich an den Methoden des berühmten Detektivs.
Die 2. Geschichte aus der Sicht von Lestrade und komplett ohne Holmes und Watson. Eine vielschichtige und für mich etwas abstruse Geschichte mit zu vielen Faktoren, dennoch gut gelöst.
Die Toten am Hafen von Monika Grasl
★★★
Erst nach dem vierten Mord in Folge bittet Lestrade den berühmten Detektiv um Mithilfe. Die gefundenen Leichen weisen auf den 1. Blick keine Gemeinsamkeiten auf, aber Holmes entdeckt überraschend schnell die Zusammenhänge.
Eine sehr kurze Geschichte, die auf Missstände der Gesellschaft anspielt. Den Schreibstil empfand ich ein bisschen zu umständlich - den Fall selbst durch die Kürze eher schlicht.
Der Photograph von Anke Elsner
★★★★
Die Fotografie einer jungen Dame, die seit Wochen spurlos verschwunden ist, weckt Holmes Aufmerksamkeit. Witzig immer, wie Dr. Watson versucht es ihm im deduzieren gleich zu tun und jedes Mal vorgeführt wird :) Dr. Watson muss hier eine sehr wichtige Rolle übernehmen und der Fall wird schnell und akkurat gelöst.
Kein Mord, aber dennoch ein übles und verhängnisvolles Verbrechen, das heutzutage leider immer noch praktiziert wird, in noch schlimmeren Maße. Eine kurze, aber passende und authentische Geschichte.
Der Exorzismus der Maria Copperfield von Alexander Klymchuk
★★★★
Da Scotland Yard gerade mit den Ripper Morden zu tun hat, wird Holmes gebeten, einen äußerst merkwürdigen Fall aufzuklären: die Todesfolge nach einem Exorzismus.
Ein sehr spezieller Fall, der sehr findig gelöst wird, und wir hier uns nur in der Baker Street aufhalten und Holmes nicht einmal aus seinem Sessel aufstehen muss, um zur Lösung zu kommen. Manchmal etwas umständlich im Stil, aber eine gute Kurzgeschichte.
Mord in Sachsenhausen von Sarah Lutter
★★
Um nach der Episode an den Reichenbachfällen weiterhin für tot gehalten zu werden, hat sich Holmes nach Deutschland zurückgezogen, um von dort aus gegen Moriartys Kumpane vorzugehen. Auf die Bitten der Wirtin hin verlässt er dann allerdings sein Zimmer, in Verkleidung, um das Verschwinden eines Nachbarn aufzuklären.
Das im Zimmer bleiben mit der einzigen Kommunikation der Zettel ist eine Verbindung zu einer original Holmes Geschichte. Fand ich cool das hier unterzubringen. Manches widerspricht sich aber, was mich gestört hat und der Stil war auch nicht so meins.
Im Klang von G-Moll von Christoph Grimm
★★★
Im letzten Fall müssen Holmes und Watson ihre Vermieterin, Mrs. Hudson, von dem Verdacht befreien, ein ihr bekanntes Ehepaar ermordet zu haben. Die Tragödie zieht seltsame Kreise und obwohl Holmes stur nach seiner Fasson arbeitet merkt man, beweist er hier auf seine Art dass er auch ein Herz hat.
Fand ich eine gute Geschichte zum Abschluss.
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Durch den Titel dachte ich ja eher, dass wir mit Sherlock Holmes und Dr.
Watson auf Reisen gehen, wie es in der ersten Geschichte der Fall war.
Gemeinsam haben sie jedenfalls alle den heimtückischen Charakterzug von
Holmes, es nicht aushalten zu können, wenn einmal Ruhe einkehrt. Sein Geist
muss fortwährend am Arbeiten sein, da er sonst in Lethargie versinkt, die er mit Drogenkonsum bekämpft.
Bis auf drei Ausnahmen waren die Fälle wie gewohnt von Dr. Watson erzählt: ob im verschneiten Winter, im regennassen Herbst oder vor Hitze starrendem Sommer - wir begleiten das Duo hier durch alle möglichen Fälle in und um London herum; einmal allerdings in der Schweiz und einmal in Deutschland.
Insgesamt waren es wirklich viele interessante und auch kuriose Geschichten, die den typischen Flair der damaligen Zeit sowie die Charaktere gut eingefangen haben.
Meine Bewertung
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