Donnerstag, 5. Dezember 2013

Rezension: Der Märchenerzähler von Antonia Michaelis

Der Märchenerzähler

von Antonia Michaelis

Genre: Thriller
Altersempfehlung: ab 14 Jahren (pers. ab 16 Jahren)

Verlag: Oetinger
Seitenzahl: 448
Hardcover: 16,95 €
ebook: 7,99 €


ISBN:  978-3-7891-4289-5
1. Auflage: Feb 2011




Schockierend und berührend – nicht für Kinder/Jugendliche unter 16 geeignet



Zum Inhalt

Anna ist 17, behütetes Einzelkind, spielt Querflöte und bereitet sich auf das Abitur vor. Sie passt so gar nicht zu Abel Tannatek, dem „polnischen Kurzwarenhändler“, der immer abseits steht und im Schulhof Drogen verkauft.

Durch Zufall erfährt Anna, dass Tannatek eine kleine Schwester hat und heimlich lauscht sie in der Cafeteria dem Märchen, das er ihr erzählt. Die Neugier treibt Anna immer öfter in seine Nähe. Obwohl Abel anfangs sehr abweisend auf sie reagiert, gibt sie nicht auf; Unterstützung erhält sie auch von seiner kleinen Schwester Micha, die sich über Anna´s Besuche freut.

Anna´s  Gefühle für Abel werden immer stärker, sie spürt, dass hinter Abel´s Maske aus Stolz und Pflichtgefühl etwas sehr verletzliches steckt. Sie lässt sogar ihre treue Schulfreundin Gitta links liegen und gerät immer mehr in den Sog des Märchens, in dem die „kleine Klippenkönigin“ vor Gefahren flüchten muss. Die „kleine Klippenkönigin“ ist Micha, Abel´s kleine Schwester und in den Märchen warnt er vor den bösen Verfolgern, die ihr Herz stehlen wollen. Denn das Leben der beiden Geschwister ist alles andere als leicht. Sie leben im Plattenbau, haben kaum Geld und die Mutter ist schon seit einiger Zeit „verreist“.

Anna erkennt, dass Abel schon seit längerem neben der Schule allein für Micha sorgen muss und Angst hat, dass neugierige Nachbarn, Micha´s Vater oder das Jugendamt Wind davon bekommt und ihm seine kleine Schwester wegnehmen könnte.  Nach und nach lässt er Anna´s Nähe zu, doch das Schicksal meint es hart. Als plötzlich tatsächlich Micha´s Vater auftaucht nimmt das Verhängnis seinen Lauf – und Anna weiß bald nicht mehr, wem sie trauen kann.

Zum Schreibstil


Wieder wunderbar geschrieben. In die Handlung wird immer wieder das Märchen eingebunden, das Abel erzählt. Das Märchen ist eine kindliche Umschreibung dessen, was real passiert; in der auch Hinweise zu finden sind, die einem aber bis zum Schluss nicht verraten, was wirklich hinter den Fassaden der Protagonisten steckt.

Die Charaktere

Sind allesamt gut beschrieben. Für mich ist die Handlungsweise von Abel und Anna durchaus nachvollziehbar (obwohl ich dazu schon anderes gelesen hab). Viele Menschen handeln nicht – ich nenn´s mal sinnvoll - was nicht heißt, dass es unglaubwürdig ist.
Wie Anna gegen Ende mit dem „Vorfall“ umgeht (ich will nicht spoilern), ist auf keinen Fall ein Vorzeigemodell, aber sie ist so mit Abel und seinem Leben verstrickt, dass sie gar nicht anders kann. Ich denke, Erwachsene können durchaus mit dieser Thematik umgehen.

Meine Meinung

Schon im Prolog erkennt man, dass dieses Buch eine dunkle, bedrohliche Saite birgt.
Man wird langsam in diese Welt, in der sich Abel mit seiner kleinen Schwester durchschlagen muss, eingeführt und wird auf viele Missstände gestoßen, die es in unserer heutigen Gesellschaft so nicht mehr geben sollte. Natürlich wird einiges auf die Spitze getrieben (manche prangern hier diese überzogenen Klischees an) aber es ist ein Buch, eine Geschichte, die uns fesseln und berühren soll, und genau das hat sie bei mir getan. Ich habe mit Anna mitgelitten, die aus ihrer „heile Welt Familie“ ausbrechen will und vor allem mit Abel, der mit seinen 17 Jahren schon so viel durchmachen musste. Schlimm besonders deshalb, weil es sicher viele „Abels“ auf die ein oder andere Art in dieser  Welt gibt.

Es gibt viele brutale Aspekte, die teilweise auf leise, berührende Art, teilweise in grausamer Offenheit beschrieben werden, weshalb ich das Buch für Jugendliche nicht geeignet finde. Ich bin prinzipiell nicht dafür, Kinder und Jugendliche nicht in die Gefahren, die überall lauern, einzuweihen, aber ich denke, speziell in diesem Fall fehlt da noch das Verständnis und es werden vielleicht auch Eindrücke aus der Handlung falsch interpretiert.

Fazit

Die Geschichte ist mir nahgegangen und hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen. Großartig geschrieben, mit einem eindringlichen Thema, das polarisiert.

Bewertung

 

© Aleshanee



Über die Autorin:  Antonia Michaelis, Jahrgang 1979, in Norddeutschland geboren, in Süddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in der Nähe der Insel Usedom und hat zahlreiche Kinder und Jugendbücher veröffentlicht, facettenreich, fantasievoll und mit großem Erfolg. »Der Märchenerzähler«, ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Quelle: Oetinger Verlag

11 Kommentare:

  1. Tolle Rezi. Dieses Buch habe ich irgendwie schon seit Ewigkeiten auf meiner WuLi, aber immer noch nicht im Regal. :-( Nach Deiner Rezension werde ich mal zusehen, das dieses Buch in mein Regal wandert. ;-)

    Liebe Grüße
    Katie

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    1. Ja, das Buch war wirklich ziemlich krass. Hatte ja was völlig anderes erwartet, aber es hat mich sofort mitgerissen. Ziemlich heftiges Thema!

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  2. Bei diesem Buch scheiden sich ja wirklich die Geister. Die einen mögen es die anderen nicht aber bisher hab ich doch überwiegend positive Rezis dazu gelesen.
    Ich hab es auch schon länger auf meiner WuLi und hoffe doch es bald mal zu lesen :)

    LG

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    1. Das liegt aber am Thema des Buches, denke ich, das die Gemüter trennt, nicht das Buch selbst.
      Die Handlung löst natürlich Diskussionen aus, aber ich finde diese Geschichte äußerst greifbar und fesselnd!

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  3. Das klingt wirklich nach einer berührenden Geschichte

    und ich sehe, du list grad "Keinmärchen"? Das hab ich mir auch gedownloaded, aber noch nicht gelesen. Interessiert mich aber sehr

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    1. Das werd ich heute Abend anfangen, bin schon sehr gespannt drauf, hört sich sehr skurril an ;)

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  4. Wirklich tolle Rezi und kann dir bezüglich der Altersempfehlung nur zustimmen. Mich hat das Buch auch total nachdenklich gestimmt, als ich die letzte Seite gelesen hatte war ich erst mal nur sprachlos und konnte meine Gefühle und Gedanken nicht richtig einordnen.

    Ganz liebe Grüße
    Juliana

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    1. Ja, ich finde es ab 14 schon bedenklich. In der Bücherei hatten sie das Hörbuch mit "ab 12" ausgezeichnet! Ich hatte es eigentlich für meine Tochter mitgenommen, die ist 11 und durch ihre drei großen Brüder schon einiges gewohnt, also sie liest halt auch Sachen für das Alter ab 12.
      Ich war echt froh, dass ihr Bruder das Hörbuch zuerst angehört und mir gesagt hat, dass das nichts für sie ist ...

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  5. Das Buch möchte ich auf jeden Fall auch noch lesen, deine Rezension ist echt toll! :D
    LG
    Krypta :-)
    http://planet-der-buecher.blogspot.de/

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    1. Danke, das Buch gefällt sicher nicht jedem, aber ich bin froh, dass ich es gelesen hab, es hat einen sehr nachdrücklichen Eindruck hinterlassen.

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