Samstag, 15. März 2025

Lyneham von Nils Westerboer

Nils Westerboer
Henry Meadows wird zwölf, als die Erde stirbt. Mit seinem Vater und seinen Geschwistern reist er nach Perm, einem urzeitlichen Mond in einem fernen Sonnensystem. Henrys Mutter ist mit einem anderen Raumschiff geflogen. Sie wird von der Familie sehnsüchtig erwartet. Doch plötzlich mehren sich die Zeichen: Sie ist schon hier gewesen, vor langer Zeit. Und sie hat eine Warnung hinterlassen.

Mit Hightech trotzt die erste und einzige Kolonie der Menschheit der Natur des Mondes Perm, die faszinierend und bedrohlich zugleich ist. Hier gibt es Berge, die in den Weltraum ragen, zwei Arten von Nächten und eine gefährliche, unsichtbare Tierwelt. Als Henry ankommt, ist die neue Heimat noch nicht "fertig": Die Atmosphäre ist giftig und enthält zu wenig Sauerstoff, ohne Schutz ist ein Aufenthalt im Freien tödlich. Irgendetwas hat das Terraforming Perms verhindert. Henrys Mutter Mildred kennt den Grund. 



Lyneham von Nils Westerboer


Genre Science Fiction

Verlag Klett-Cotta / Hobbit Presse
Seitenzahl 496 --- 1. Auflage März 2025


Meine Meinung
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Einen für Menschen bewohnbaren Planeten zu finden scheint ja bei der Fülle im Universum gar nicht so schwer: überall gibt es Sonnensysteme und die Vermutung, dass sich "das Leben" ähnlich entwickelt liegt nahe, zumindest glauben wir das in unserer eingeschränkten Sichtweise. Nur die zu überbrückende Zeit ist der Knackpunkt. Denkt man sich so. Zumindest ich. Aber ist das tatsächlich so? 

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Von dem Autor hab ich bisher zwei Bücher gelesen, die einen sehr unterschiedlichen Eindruck bei mir hinterlassen haben: Zum einen Athos 2643, einen Science Fiction Thriller aus der Sicht einer KI, der für mich sehr eigen und schwierig zu lesen war, mir in seiner Andersartigkeit aber sehr gut gefallen hat!
Und Kernschatten, einen Wissenschaftsthriller aus dem Jahr 2014, vielleicht also eher aus den Schreibanfängen des Autors, denn hier konnten mich weder Figuren noch Handlung recht überzeugen. 

Gerade deshalb war ich neugierig, wie mir sein neues Buch gefallen würde, denn der Klappentext klang äußerst vielversprechend. 
 
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Als ich dann den Prolog gelesen habe, dachte ich erstmal nur: wow! Der hat mich wirklich geflasht, weil Nils Westerboer hier mit einem kleinen Experiment beginnt, das sicher viele von euch kennen und damit überschwenkt zu dem immer wiederkehrenden Ziel vieler Menschen, einen anderen Planeten zu besiedeln. Die Gedanken hierzu waren so stimmig und dennoch komplett neu für mich, dass ich das erstmal setzen lassen musste.

"Wenn du hundert Meter in der Sekunde fliegst und dein Schiff gegen irgendetwas kracht, und du bist nicht in deiner Kammer, dann wirst du zu einem Gemälde an der Wand."
Zitat

Das erste Kapitel beginnt mit der Ankunft auf Perm. Henry ist 12, als er zusammen mit seinem Vater und seinen beiden Geschwistern auf dem Mond in einem fernen Sonnensystem eine neue Heimat finden will. Es wird sich erstmal nicht groß damit aufgehalten, warum dieser neue Planet beheimatet werden soll - jedoch dass die Lebensfreundlichkeit hier nicht so hoch ist wie erwartet und vor allem gibt es gewisse Anomalien auf der Oberfläche, die eine Gefahr darstellen; und Henrys Vater soll bei deren Erforschung helfen.
Henry und die anderen Kinder lernen schnell, sich diesem Leben anzupassen, auch wenn sie sehr genau spüren, wie unwirklich ihnen all das erscheint.

Als sich unsere Blicke trafen, begriff ich, dass ich niemals auf ihn und das Licht, das er in sich trug, neidisch sein durfte. Neid würde mich weiter davon wegbringen, als ich es mir jemals vorstellen konnte. Die einzige Möglichkeit, etwas von Melchers Licht abzubekommen, bestand darin, es zu lieben.
Zitat

Zwischen den Kapiteln gibt es Auszüge aus Berichten - oder eher einer Beschreibung der Erforschung des Mondes Perm für die Anpassung an das menschliche Leben. Das fand ich immer sehr interessant, weil Nils Westerboer wirklich interessante Ideen aufwirft, die völlig abstrus klingen: aber, so ist es eben. Wir haben überhaupt keine Ahnung, wie sich "Leben" auf anderen Planeten mit anderen Bedingungen entwickeln würde. Welche Voraussetzungen genau nötig sind, was daraus entsteht, welche Geschöpfe mit welchen Eigenarten oder Talenten oder Intelligenz. 

Intelligenz beschränkt sich normalerweise auf das Notwendige. In der Regel braucht man keine Primzahlen, um ein Mittagessen aufzuspüren.
Zitat

Über genau diese vielen Unterschiede hab ich noch nie wirklich nachgedacht, obwohl ich schon einiges im Science Fiction Bereich auf fernen Planeten gelesen habe. Auch wenn viele Fachbegriffe angewandt werden, die ich nicht verstehe, kann man meist sehr gut folgen und vor allem den tieferen Hintergrund verstehen. 
Als Überblick helfen die Karten der Mondoberfläche, die vorne und hinten in den Buchklappen zu finden sind. Auch gibt es hinten im Buch ein Glossar der wichtigsten Begriffe. Wobei sich vieles von selbst ergibt.

Eine fremde Welt scheint einfach nicht mit uns kompatibel zu sein - unser Leben auf der Erde hat Milliarden Jahre gebraucht, um sich mit der Evolution anzupassen; wie soll das von Jetzt auf Gleich unter völlig neuen Bedingungen möglich sein?
Der Autor versteht es wirklich sehr gut, langsam darauf hinzuführen und uns die Ausmaße darzustellen, welche Schwierigkeiten sich auftun, in einer völlig fremden Welt überleben zu wollen. 
Die Biome, also die riesigen Glaskuppeln, in denen die Menschen hier den lebensnotwendigen Sauerstoff atmen können, mit nachgestellten Wohnungen, Arbeitsstätten uvm. ist die einzige Zuflucht. Möglich durch die weit entwickelten Maschinen, die den Aufbau in der für uns lebensfeindlichen Welt übernehmen. 
 
"Henry, dein Körper besteht aus 6 mal 10²⁷ Atomen. Jedes von ihnen existiert seit Milliarden von Jahren.
[...]
Du bist eine Burg in einem Sandkasten. Du entstehst, und du vergehst, was bleibt, ist der Sand. Eine Gesellschaft, deren Mitglieder glauben, etwas zu haben, unterliegt einer fundamentalen Illusion, die ihr unweigerliches Scheitern nach sich ziehen muss. 
Zitat
Wie der 12jährige Henry lernen wir. Lernen wir über das Leben, unsere Existenz und wie dankbar wir sein dürfen, uns so an unsere Umwelt angepasst zu haben. Ein Entwicklungsprozess der Millionen Jahre gedauert hat und der so immens ist, das wir kaum darüber nachdenken. 

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Aus dem Klappentext weiß man, dass Henrys Mutter nicht da ist, als sie ankommen. Und sie anscheinend schon früher auf dem Mond Perm war. Wie das möglich sein soll ist lange nicht klar und vor allem, welche Rolle sie spielt. 
Auch was zuhause auf der Erde passiert ist, das zur Flucht geführt hat, bleibt lange nur eine nebulöse Andeutung. 
Hier behält der Autor einige Twists für uns bereit, die mich verblüfft und auch emotional teilweise sehr berührt haben! Die ganze Geschichte hat mich extrem gefesselt, was an der einfachen Schreibweise lag, die auch nötig war, um bei den komplexen Vorgängen den Überblick zu behalten. Gleichzeitig war alles, ob bekannt oder fremdartig, so anschaulich beschrieben, dass ich mich beim Lesen gefühlt habe, als wäre ich selber in dieser fremdartigen Welt unterwegs.
Vor allem auch die vielen Botschaften, die hier übermittelt werden: was das Leben ist, wie einzigartig und gleichzeitig vielfältig, was Besitz bedeutet, Liebe und Güte und Mitgefühl - das alles im Rahmen des Überlebenskampfes, war schon sehr bewegend! 

Gegen Ende werden alle Fragen aufgelöst und da gibt es eine böse Überraschungen, die mich echt kalt erwischt haben! Obwohl man hier wirklich ganz schön mitdenken muss, hab ich bis auf eine Sache alles verstanden und ich fand es wirklich genial, wie der Autor hier die Zusammenhänge aufgebaut hat, um uns rätseln zu lassen und uns am Ende vor eine Wahrheit zu stellen, die alles übertrifft. 

"Es ist immer so," sagte Dahlia leise. "Wer es gut hat, ist ein Dieb. Das Leben der einen ist das Leid der anderen."
Zitat

Meine Bewertung
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 Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.





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