2. Juli 2022: In Genf bereiten zwei Einbrecher den Überfall auf einen
Juwelier vor. Doch dieser Raub ist alles andere als zufälliges Verbrechen
...
Fünf Tage zuvor plant Sophie Braun ein großes Fest anlässlich ihres 40.
Geburtstags. Sie lebt mit ihrer Familie in einem großzügigen Haus am Genfer
See, das Leben scheint ihr zuzulächeln. Aber die Idylle trügt. Denn ihr
Ehemann ist offenbar in kriminelle Machenschaften verstrickt. Ihr Nachbar, ein
vermeintlich untadeliger Polizist, spioniert die intimsten Winkel ihres Lebens
aus. Und dann offeriert ihr ein Unbekannter ein Geschenk, das sie tief
erschüttern wird.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade des privilegierten Paars?
Und was verbindet sie mit dem raffinierten Juwelenraub?
Ein ungezähmtes Tier von Joel Dicker
Genre Thriller - Schauplatz Genf / Schweiz
Im Original Un animal sauvage - übersetzt von Michaela
Meßner, Amelie Thoma
Verlag Piper - Seitenzahl 426 - 1. Auflage Februar 2025
Meine Meinung
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Der Clou mit dem Juwelenraub hat mich hier direkt so sehr neugierig gemacht,
dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. So oft geht es um Mord und Totschlag
- aber hier um ein Gaunerstück, das mich sofort an Ganoven und Betrüger
erinnert hat, die eigentlich ja viel interessantes und kurioses in Geschichten
zu bieten hätten.
Beim Aufbau der Geschichte haben wir einmal den Einbruch selbst am 2. Juli,
der minutiös geplant ist - und den Rückblick der 20 Tage vorher, in denen wir
zwei Ehepaare kennenlernen, die auf sehr unglückliche Weise miteinander
verstrickt werden.
Da es sich um zwei Räuber handelt hatte ich sofort die Vermutung im Kopf, das
entweder eines der Pärchen diesen Raub begeht oder sich hier ein Duo bildet,
das ich natürlich noch herausfinden muss. Während ich das in Gedanken behalten
hab, legte sich meine Konzentration aber erstmal auf die Figuren.
Da haben wir einmal das glückliche Vorzeigepaar Arpad und Sophie. Er ist Banker, sie Anwältin, haben also kein Geldsorgen, ein tolles Haus, fahren einen Porsche und haben zwei liebe Kinder. Die Fassade scheint perfekt, aber natürlich ist nie alles so perfekt, wie es von außen scheint.
Auf der anderen Seite sind Greg und Karine vor kurzem in deren Nachbarschaft gezogen - eine durchdachte, finanzielle Entscheidung von Greg, mit der Karine nicht wirklich zufrieden ist. Während er sich hier wohl fühlt, merkt sie genau die Herablassung der anderen Anwohner und kann sich nicht wirklich in das Leben unter "Reichen und Schönen" eingewöhnen.
Fatal wird es, als Greg sich in Sophie verguckt und beginnt, sie auszuspionieren...
Die Gegenüberstellung dieser zwei Leben war schon interessant, auch wenn auf viele Klischees zurückgegriffen wird. Hier fährt Joel Dicker wirklich alles auf: der reichen Femme fatale, dem Mann, der sich von einer reichen Frau unterdrückt fühlt wenn sie mehr Geld hat, der Kollegin, die einfach mal Nacktfotos an einen verheirateten Mann schickt, dem Stalker, der keine Grenzen scheut, die Freundin die fasziniert ist aber auch neidisch - und viele Beziehungsmuster die man eigentlich in der heutigen Zeit nicht mehr erwartet ... hätte der Autor das ganze in eine Zeit versetzt, z. B. in die 70er, 80er Jahre hätte dieses Verhalten noch durchgehen können.
Aus dem ganzen entsteht jedenfalls ein Netz aus Lügen und dem Drang, sich zu profilieren, aus Missgunst, Eifersucht und dem ewigen Dilemma, dass die Kirschen in Nachbars Garten besser sind.
Der Schein trügt und dadurch entstehen eine Menge Lügen und Betrügereien, die nach und nach durch Rückblicke aufgedeckt werden.
Obwohl die Botschaft eigentlich eine Schöne ist: jeden so sein zu lassen wie er ist, ohne ihn verbiegen zu wollen - kommt sie hier etwas unglücklich rüber. Keine der Hauptfiguren ist sympathisch, nur ein Außenseiter hat sich gegen Ende ein bisschen in mein Herz geschlichen. Einfach weil kein anderer da war.
Den Schreibstil fand ich insgesamt leider etwas ungelenk und plump. Ob es an der Übersetzung liegt kann ich nicht sagen; aber die einfache und auch manchmal unbeholfene Art hat mich doch überrascht. Manche Abschnitte wirkten eher wie ein Tatsachenbericht oder das "herunterlesen" was grade so passiert. Andere Rezensenten nennen es "Drehbuch" und ich kann mich da nur anschließen.
Bei einem Thriller erwarte ich natürlich keine blumige Ausdrucksweise oder poetische Phrasen - ein bisschen mehr Feingefühl und Raffinesse hätte dem ganzen aber schon gut getan. Das kenne ich besser von ihm. Oder den Übersetzern.
Die Kapitel sind sehr kurz und springen zwischen den Figuren hin und her. Das war wiederum sehr gut gemacht, weil man dadurch verfolgt, was jeder zur gleichen Zeit so treibt. Vielleicht gehört zu diesem Aufbau und Stil auch diese kurzgefasste Schreibweise eines Berichts. Ich könnte mir vorstellen, dass das anderen gut gefällt. Auch hier hab ich in anderen Rezensionen gelesen, dass gerade der "flüssige Stil" das Buch für sie gerettet hat - so unterschiedlich können Meinungen sein :)
Ich hab mich nach einiger Zeit daran gewöhnt, auch weil so viel passiert ist und immer wieder Spannungen aufgebaut werden, dass man das Buch schlecht aus der Hand legen kann. So viele Vermutungen und Täuschungen, mit denen mich der Autor in die Irre geführt hat. Gegen Ende wird dann jedes Detail wieder und wieder auf den Kopf gestellt und endet schließlich in einem wirklich genialen Coup!
Die Ideen hier sind wirklich super gewesen und die ganzen Zusammenhänge waren vom Aufbau her echt großartig. Entgegen anderen habe ich vieles nicht vermutet und war von der Überraschung am Ende sehr positiv verblüfft. Wirklich schade, dass mir der Schreibstil einfach nicht zugesagt hat und die Figuren so gar nichts an sich hatten, was mich mit ihnen verbindet.
Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
Ebenfalls vom Autor gelesen:
Marcus Goldman (1) Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Marcus Goldman (2) Die Geschichte der Baltimores
Marcus Goldman (3) Die Affäre Alaska Sanders
Das Verschwinden der Stephanie Mailer (Rezension folgt)
Liebe Aleshanee
AntwortenLöschenIch habe immer noch kein einziges Buch von Joël Dicker gelesen, obwohl der doch so ein bekannter Autor ist und schon einige Bücher geschrieben hat, die beim Publikum sehr gut angekommen sind. Schade, dass dich ausgerechnet dieses Buch nicht ganz überzeugen konnte, wenn der Schreibstil nicht passt, ist das auch einfach sehr schwierig. Die anderen Bücher von ihm sind ja aber besser bei dir angekommen, ich habe noch Hoffnung :-D
Alles Liebe
Livia
Anderen gefällt dieses neue hier anscheinend sehr gut! Vielleicht mögen sie einfach diesen "Drehbuch-Stil" - für mich ist er einfach nichts. Auch die Figuren waren hier nicht so authentisch ausgearbeitet, wie ich es von der M. Goldman Reihe gewohnt war...
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