Montag, 26. Januar 2015

Rezension: Rattentanz von Michael Tietz

Rattentanz

von Michael Tietz

Genre: Endzeit-Roman

Verlag: Ullstein
Seitenzahl: 925
TB nicht mehr erhältlich

1. Auflage: Mai 2009

Verlag: bookspot
Seitenzahl: 856
ebook: 9,99 €

1. Auflage: Sept 2011



"Die beiden besiegelten das Schicksal der Welt. Keiner war sich dessen bewusst, 
am wenigsten sie selbst." S. 38



Zum Inhalt

Ein kleiner, unbedachter Fehler im System legt auf der ganzen Welt alle Computer und Netzwerke lahm. Es funktioniert nichts mehr: kein Telefon, kein Fernseher, aber auch keine Handys oder die Wasserversorgung. Die Menschen sind verwundert, keiner glaubt so recht daran, dass dieser Zustand anhalten wird, doch sie warten vergeblich auf Polizei und Rettungskräfte. Recht schnell kristallisieren sich die katastrophalen Folgen heraus, die die technischen Einbußen nach sich ziehen, denn wer weiß heutzutage noch, wie man Brot bäckt, was man aus der Natur essen kann und wie man ohne Kommunikation eine Gesellschaft zusammenhält? Skrupellosigkeit und das Recht des Stärkeren nimmt überhand und keiner bleibt von den Folgen verschont.

Der Autor beschreibt hier hauptsächlich die Geschehnisse des kleinen 400 Seelen Dorfes Wellendingen im Schwarzwald. Die kleine Gemeinschaft wird brutal aus ihrem Alltag herausgerissen, alles, was bisher galt, ist passé und niemand weiß, wiees weitergehen soll.
Im Mittelpunkt steht die Krankenschwester Eva Seger, deren Mann Hans zum Zeitpunkt des Black Outs auf einer Geschäftsreise in Schweden ist. Sie selbst befindet sich zum Dienst im Krankenhaus, einige Kilometer von Wellendingen entfernt, wo ihre Tochter Lea in der Obhut der Nachbarn ist. Einige Kilometer klingt nicht viel, aber wenn das Chaos ausbricht, kannst du niemandem mehr trauen ...


Meine Meinung

Nachdem mich das Buch "Apfeldiebe" des Autors schon so begeistert hat, wollte ich gerne noch was anderes von ihm lesen und die Idee, dass die komplette Strom- und Wasserversorgung auf der ganzen Welt stillgelegt wird, hat mich interessiert. Die Rezi ist mir nicht leichtgefallen, weil ich noch immer hin- und hergerissen bin. Es gab wirklich gute, überzeugende Momente beim Lesen, aber auch viele Schwachpunkte ...

Der kurze Prolog gibt schon einen sehr deutlichen Vorgeschmack, wie die Gesellschaftsordnung aus den Fugen geraten kann. Wie verhält man sich, wenn die "Zivilisation" zusammenbricht? Wie reagieren die Menschen und welche Saiten treten zum Vorschein, die sie unter dem Mantel des Fortschritts so lange verborgen oder unterdrückt haben? Wie soll man sich organisieren, wenn die Kommunikation komplett ausfällt?

Jeder ist sich selbst der nächste. Diesen Eindruck hat man in dem Szenario, das Michael Tietz hier entwirft. Als der Strom ausfällt, glaubt noch keiner, dass dieser Zustand anhalten wird, doch spätestens als die ersten Flugzeuge abstürzen, ist das Chaos vorprogrammiert.  Ob das alles wirklich so schnell geht, konnte ich nicht so recht nachvollziehen. Schon nach den ersten Stunden wurden die Lebensmittelläden ausgeräumt, Banken überfallen und die Polizeistationen überrannt. Die meisten Charaktere wurden sehr egoistisch und böswillig beschrieben, die kriminelle Ader hervorgehoben. Ich bin ja jemand, der erstmal an das Gute im Menschen glaubt und ich hab mich etwas schwer getan, diese Massenpanik und vor allem die berechnende Rücksichtslosigkeit als normale Folge der Ereignisse zu sehen; zumindest in diesem Tempo. 
Doch das Gewissen verschwindet schnell, wenn Trinkwasser fehlt, Essen, Medikamente ... die Menschen haben Familie, Kinder, um die sie sich kümmern müssen und diejenigen, die alleine sind, müssen erst recht sehen, wie sie weiterkommen. 

Im Fokus steht die Familie Seger. Die Mutter Eva ist Krankenschwester und hat erstmal nur ein Ziel: vom Krankenhaus zurück nach Wellendingen zu kommen, wo ihre Tochter bei den Nachbarn untergekommen ist. Ihr Mann Hans ist in Schweden, als das Unglück passiert und alles, was er will, ist nach Hause zu kommen, zu seiner Familie. 
Aber auch der Handwerker Frieder Faust, der Rechtsanwalt Basler oder der Exmann von Eva, Martin Kiefer versuchen, mit der Tragödie klarzukommen - jeder auf seine eigene Weise. Viele negative Seiten werden offenbart, doch es gibt auch den ein oder anderen, der versteht, dass es jetzt darauf ankommt, zusammenzuhalten und den Schwächeren beizustehen.
Der im Aufzug eingeschlossene Thomas Bachmann, den ich anfangs so gar nicht einschätzen konnte, hat bei mir immer mehr Sympathien gewonnen, genauso ein eher unscheinbarer, in seinem Alltag festgefahrener Mann, der durch die Katastrophe über sich hinauszuwachsen lernt. Die Entwicklung von Hans Seger dagegen hat mir gar nicht gefallen. 
In dieser Ausnahmesituation kann man das Verhalten natürlich nie wirlich nachvollziehen, aber manches war mir dann doch zu "typisch" und aufgesetzt.

Auch wenn das Dorf Wellendingen Hauptschauplatz ist, gibt es zwischendurch immer wieder Szenenwechsel in andere Länder und kurze Einblicke in das Schicksal einzelner Menschen, die mit ganz anderen Zuständen konfrontiert werden. Jedes Kapitel beginnt mit einer Orts- und Zeitangabe und wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt - manchmal wechselt auch mittendrin die Sichtweise, was den Lesefluss etwas gehemmt hat. Ich kam erst nach ca. 200 Seiten so richtig in die Geschichte rein, wurde ab da aber auch neugierig, wie sich das ganze entwickeln wird. Ein großes Tempo braucht man nicht erwarten, erst am Ende wird es nochmal etwas spannend, auch wenn das Ende vorherzusehen ist. 
Hier hat sich der Autor manchmal selbst im Weg gestanden, denn der Schreibstil wirkte an einigen Stellen etwas umständlich und auch der Handlungsverlauf war nicht immer gut gewählt. Trotzdem hat es mich dann doch gereizt weiterzulesen, obwohl ich bei einigen Passagen versucht war, sie eher zu überfliegen.

Zusammengefasst


Thematik: Denn sie wissen nicht, was sie tun
Schreibstil: manchmal umständlich, manchmal fesselnd, etwas sprunghaft
Charaktere: typisch, zu sehr aufs negative fixiert (obwohl nachvollziehbar)
Spannung: erst gegen Ende
Umsetzung: zwischendrin zu zäh, macht neugierig, ist aber teils auch vorhersehbar

Fazit


Ein gut durchdachtes, streckenweise etwas umständliches Endzeitszenario, in der die Menschen lernen müssen, ohne jegliche technische Hilfsmittel auszukommen. Originalität hat mir hier ein bisschen gefehlt und etwas Spannung kam erst gegen Ende auf. 

Bewertung




© Aleshanee






5 Kommentare:

  1. Danke für die Rezi. Das Buch liegt noch auf meinem SuB. Bin gespannt, ob ich deine Meinung teilen werde.

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  2. Ich habe das Buch vor ein paar Jahren bereits belesen. Ich fand es ziemlich gut. Einige Kritikpunkte von dir habe ich auch gefunden, allerdings fand ich es wieder passend. Vielleicht bin ich auch einfach zu pessimistisch eingestellt, wenn ich auf unsere Mitmenschen blicke. Aber ähnlich kann es meiner Meinung wirklich laufen, wenn unsere Welt, wie wir sie kennen, von heute auf morgen zusammen bricht.

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  3. Hört sich total interessant an, trotzdem weiß ich nicht, ob das Buch etwas für mich wäre. Leider gibt es es ja anscheinend eh nicht mehr als Print, daher hat sich die Frage, es zu holen für mich eh erledigt. :/

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  4. Danke für die Rezension! Das Thema interessiert mich und ich schaue es mir näher an. Bei dem Titel hätte gar nicht an so ein Szenario gedacht.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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  5. Das Buch habe ich auch irgendwo und schon länger auf meinem SuB liegen, mal sehen ob ich mal dazu kommen werde es zu lesen. Danke auf jeden Fall für Deine Rezi!
    Liebe Grüße,
    Melanie

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