Samstag, 29. Januar 2022

[Science Fiction] Grenzwelten von Ursula K. Le Guin

Grenzwelten von Ursula K. Le Guin

 
Zwei große SF-Romane von Ursula K. Le Guin in vollständiger Neuübersetzung.

Ursula K. Le Guins visionäre Hainish-Romane, die davon erzählen, wie die Menschheit ferne Planeten besiedelt, haben die Landkarte der modernen Science Fiction neu entworfen. 
In "Das Wort für Welt ist Wald" versklaven Kolonisten einen ganzen Planeten, um sich seiner Ressourcen zu bemächtigen – doch die Waldbewohner wissen sich zu wehren. 
"Die Überlieferung" ist die erschütternde Geschichte einer Gesellschaft, die ihr kulturelles Erbe unterdrückt hat.
 
 
 
 
 
 
Eine straffe, an Gehorsam gewöhnte Organisation war leichter zu übernehmen als ein lockerer Verband eigenständig denkender Männer ...
Zitat Seite 93
 
 
Meine Meinung
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Der erste der beiden Romane "Das Wort für Welt ist Wald" spielt auf einem fernen Planeten in einer fernen Zukunft. Ein bisschen hat mich das Szenario an den Film "Avatar" erinnert - aber die Idee an sich ist schon recht alt, denke ich, denn was hier auf fernen Planeten passiert, geschah und geschieht auf unserer Erde leider schon seit Menschengedenken. 

Es ist mein erstes Buch von der Autorin und an den Schreibstil hier musste ich mich etwas gewöhnen. Ich weiß natürlich nicht, wie die vorherige Übersetzung ausgefallen ist und habe deshalb keinen Vergleich... Es wirkte etwas sehr sachlich und nüchtern auf mich, direkt und ohne Umschweife, auch wenn es an manchen Stellen unnötig kompliziert war - also etwas mühsam, zumindest für mich, aber insgesamt gut zu lesen. In manchen Passagen durchaus auch elegant, wortgewandt und immer anschaulich. 
Ich hab allerdings auch schon lange keine SciFi mehr gelesen, erst recht nichts älteres aus dem Genre und es kann gut sein, dass ich mich da einfach wieder reinlesen muss.

Die Handlung ist ein bekanntes Muster: ein Gebiet - hier die "Welt 41" wird entdeckt, von den Einheimischen Athsche genannt, und vor allem die darauf befindlichen Rohstoffe, die man dringend braucht. Das Volk, das hier lebt, wird als unzivilisiert betrachtet und als Arbeitskraft und schlimmeres missbraucht - ob als Mensch angesehen oder nur als "besseres Vieh" ist je nach Nutzen Auslegungssache. 
Dieses Volk, das inmitten riesiger Wälder lebt, ist friedliebend. Sie kennen keinen Krieg und sie kennen auch nicht, sich gegenseitig zu töten - sie haben andere Mittel gefunden, um eventuelle Streitigkeiten zu regeln, was die Autorin zwar immer nur kurz aber verständlich erklärt.

Was passiert nun mit Menschen - denn trotz ihres unterschiedlichen Aussehens sind sie den Menschen sehr ähnlich - die plötzlich von anderen so übermannt werden. Die keine Unterdrückung kennen, keine Gewalt (zumindest nicht in dem Ausmaß) und deren Welt Stück für Stück zerstört wird? 
 
Ich war während dem Lesen die ganze Zeit gefesselt von dem Verlauf, der zum einen durch den durchweg bösen Captain Davidson erzählt wird, durch den Vermittler Lyobov und den Athscheaner Selver. Während die ersten beiden sehr stereotyp sind, ist Selver ein sehr komplexer "Mensch" der sich wandelt. Sich wandeln muss aufgrund der Umstände und der am Ende zeigt, wie einschneidend solche Übergriffe werden können und damit eine ganze Welt verändern.  
Grade zum Schluss wird einem das so richtig bewusst und geht total unter die Haut. Eine sehr eindringliche und aufrüttelnde Geschichte, die Vergangenheit nicht immer und immer wieder zu wiederholen.
 
"Du sprichst die Wahrheit, die du kennst", sagte Selver. "Und ich die Wahrheit, die ich kenne. ..."
Zitat Seite 129


 
Der zweite Roman "Die Überlieferung" handelt von Sati, die auf unserer Erde aufgewachsen ist; in einer Zukunft, die von Glaubenskriegen regiert wurde. 
Für ein Studium der Schriften ist sie auf einen fernen Planeten umgesiedelt, allerdings wird ihr der Zugang verwehrt, weil altes Wissen und das geschriebene Wort als gefährlich eingestuft wurden und verboten sind. Die Zeit, die sie in einer der Großstädte dort lebt, ist einsam und nicht wirklich zielführend, da ihr der Kontakt mehr oder weniger versagt wird. Bis plötzlich ein Antrag bewilligt wird, sie reisen zu lassen. In einem kleinen Dorf schließlich lernt sie hiesige Bewohner kennen, die noch um die alten Überlieferungen wissen. 
 
"Klammer dich nicht an Dinge, sie belasten dich nur. Was du behalten willst, behalt im Kopf."
Zitat Seite 245

Ich hab mich etwas schwer getan, in die Geschichte reinzufinden. Es kommen auch sehr viele fremde Wörter vor, mit denen ich nichts anfangen konnte (Prox, partizzen, VR-Proprios ect). Ob es daran liegt, dass es sich ja hier um den 5. und 8. Band der Hainish Romane handelt und mir deshalb vielleicht einiges Vorwissen fehlt, weiß ich nicht. Manche Wörter erklären sich zwar von selbst, aber eben nicht alle. 
Da die beiden Geschichten so unterschiedlich sind, denke ich, dass jede für sich alleine steht. Dennoch hab ich das Gefühl, dass in den ersten Büchern dieser Romanreihe doch einiges erklärt wurde, das mir hier weitergeholfen hätte.

Das Thema in dieser Geschichte ist jedenfalls die Vergangenheit und vor allem, diese zu bewahren. Geschichten zu erzählen, weiterzugeben, sie festzuhalten, ob im Wort oder schriftlich - und was es für Auswirkungen hat, wenn dieses Wissen vernichtet wird. 
Auch über den Glauben wird viel gesprochen, von Gott (dem einen) oder den vielen und welche Auswirkungen eine fanatische Religion haben kann. 

Besonders schön fand ich hier die Geschichten auf diesem Planeten, da sie keine direkt Moral haben am Ende, so wie man es ja kennt, grade natürlich auch bei Märchen und Sagen. Man muss sich selbst Gedanken darüber machen und es für sich enträtseln, was dahinterstecken könnte oder welche Bedeutung man herausliest. Es sind Anregungen, kein Wissen, die vermittelt werden - und jede davon ist ein Teil vom großen Ganzen, also nur Stückwerk. Denn "alles" zu wissen ist unmöglich.

Es hat mich schon ganz schön gefordert, hier am Ball zu bleiben, mitzudenken und den Faden nicht zu verlieren. 
Am Ende zeigt sich, wie aus Hass Verständnis erwachsen kann, in dem man einfach nur zuhört. Und zwar richtig hinhört, damit man verstehen lernt, die Hintergründe erkennen kann - auf beiden Seiten und schließlich, vielleicht, auf einer gemeinsamen Basis eine friedliche Lösung findet.

Ich fand das Vorwort der Autorin (von 1977) übrigens sehr interessant. Es geht um Kriege, Rebellionen und dem Traum von Freiheit: in unserer, realen Welt. Etwas, dass sie zu diesen Geschichten inspiriert hat.
 
 

Meine Bewertung
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Das Wort für Welt ist Wald

Die Überlieferung



Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.




Grenzwelten von Ursula K. Le Guin

 
Genre Science Fiction
beinhaltet "Das Wort für Welt ist Wald" und "Die Überlieferung"
Teil 6 und 8 aus den Hainish Romanen
Im Orginal The Word for World is Forest / The Telling
Neu übersetzt von Karen Nölle
 
Verlag Fischer TOR --- Seitenzahl 398
Neuauflage Januar 2022
Im Original März 1972 / September 2000



 
 Die Hainish Romane

1 - Das zehnte Jahr
2 - Rocannons Welt
3 - Stadt der Illusionen
5 - Planet der Habenichtse / Die Enteigneten / Freie Geister
6 - Das Wort für Welt ist Wald
7 - Four Ways to Forgiveness
8 - Die Erzähler / Die Überlieferung

4 Kommentare:

  1. Für mich ist sie eine der ganz Großen im Bereich Science Fictio. Ihre Themen sind zeitlos und regen auch heute noch zum nachdenken an. Ich habe als letztes Satdt der Illusionen gelesen und Hanish. Diese beiden Romane kenne ich nicht, also werde ich mal schauen, ob ich sie bekomme

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    1. Welches "Hainish"? Das scheint ja eine ganze Romanreihe zu sein, wie ich gesehen habe. Da gehören ja diese zwei hier auch dazu...

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  2. Liebe Aleshanee

    Oh, das klingt sooo gut und ich möchte gefordert werden und mitdenken müssen und gleichzeitig ist das Buch sehr schön aufgemacht und ausserdem nicht ganz sooo umfangreich, wie viele andere Schinken aus diesem Genre ;-)

    Lieben Dank für den Tipp, ich werde mir die Autorin und diese Reihe generell einmal näher ansehen
    Livia

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    1. Das freut mich sehr, dass ich dich neugierig machen konnte. Die Geschichten sind wirklich lesenswert!

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