Dienstag, 20. Oktober 2020

Mein Jahreshighlight: Eines Menschen Flügel von Andreas Eschbach

Eines Menschen Flügel von Andreas Eschbach


Eine ferne Zukunft auf einem fernen, scheinbar paradiesischen Planeten – doch der Schein trügt. Etwas Mörderisches lauert unter der Erde. Daher haben die Siedler ihre Kinder gentechnisch aufgerüstet, sodass sie fliegen können. Es gibt jedoch weitere Rätsel: Noch nie haben die Menschen die Sterne gesehen. Der Himmel ist immer bedeckt, als würde sich dahinter etwas verbergen. Den Himmel, so heißt es, kann man nicht erreichen. Oder doch? Owen, einem Außenseiter, gelingt es – mit tödlichen Folgen …
(Verlagsinfo)
 
 
 
 
 
Meine Meinung
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Ich weiß wirklich nicht, wie ich hier anfangen soll, euch dieses Meisterwerk zu beschreiben. 
1257 Seiten lang und so prall gefüllt mit einer unglaublich genialen Geschichte, dass ich weder Längen wahrgenommen habe, noch das Gefühl hatte, nicht vorwärts zu kommen - im Gegenteil, je weiter ich kam, desto weniger wollte ich, dass es zu Ende geht!
(An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an den Verlag, der dieses Buch nicht wieder in Teile gesplittet, sondern es trotz seiner Dicke in seiner Gesamtheit belassen hat)
 
Der Klappentext hat mir jetzt noch nicht wirklich viel verraten, auf was ich mich hier einlasse, aber es ist von Andreas Eschbach, also hab ich zugegriffen und WOW! 
Der Autor erschafft hier eine Welt auf einem fernen Planeten und beschreibt das Leben dort mit so viel Feingefühl, Detailiertheit und Anschaulichkeit, das ich gar nicht mehr wegwollte. 
Vorne und hinten im Buch gibt es übrigens eine farbige Karte des Kontinents, so dass man einen schönen Überblick hat und jeden Weg der Protagonisten verfolgen kann.
 
Die Menschen dort haben Flügel, die sie von ihren Ahnen erhalten haben, um sich in luftigen Höhen fortzubewegen und in den übermächtigen Bäumen zu wohnen - denn der Boden birgt eine tödliche Gefahr. 
Doch die Ahnen haben ihnen noch mehr hinterlassen, die Großen Bücher, in denen sozusagen das "Regelwerk" steht, wie ihre Gesellschaft zu führen ist und das erlebt man mit dieser Geschichte hautnah: ein System an Regeln, das tatsächlich funktioniert und in dem die Menschen sich respektieren, Freiraum lassen, das Miteinander im Vordergrund steht und das ein Beispiel dafür ist, wie es tatsächlich sein könnte. 
 
"Du musst weitermachen", flüsterte sie ihm zu. "So einen wunderbaren Traum darfst du nicht aufgeben. Ich glaube an dich, Owen."
Zitat Seite 19

 
Natürlich gibt es auch Streitereien und Unstimmigkeiten, Neid und Sorgen und Ängste, aber eben in einem Rahmen, der erträglich und nötig ist, um das Leben in all seinen Facetten zu erleben und daran zu wachsen. Ob es um die Kinder geht, deren Entwicklung gefördert und nicht gemaßregelt wird, um das Zusammenleben, das durch Toleranz und gemeinschaftlichem Wirken funktioniert und auch die Liebe, die zwischen Hoffnung und Enttäuschung, Verbundenheit und Verlust ihre Vielseitigkeit widerspiegelt...

... dass die Sehnsucht, die man verspürte, nicht irgendeiner Frau oder irgendeinem Mann galt, sondern dass man vielmehr ein Bild in sich trage von dem Menschen, mit dem man sein Leben teilen wollte, und dass es die Suche nach diesem Bild sei, die einen antreibe und dieses Gefühl ausmache.
Zitat Seite 651

 
Eschbach erzählt hier in einem ruhigen Stil ohne Effekthascherei, fesselt dabei aber ungemein, in dem er mich als Leser immer mehr in diese Welt integriert hat. Der Einblick auf diese Welt ist faszinierend, die Figuren wirken absolut menschlich mit all ihren Gefühlen und auch der Verlauf der Ereignisse, die nach "Owens Höhenflug" eintreten, sind durch ihre Unvorhersehbarkeit mitreißend und spannend. 

Dass Kapitel sich abwechseln, indem sie jeweils aus verschiedenen Sichtweisen der Protagonisten erzählt werden, ist ja nichts neues, doch der Autor setzt hier noch einen drauf, denn es gibt eine Vielzahl an Charakteren, die hier sozusagen zu Wort kommen und die man dadurch näher kennenlernt. Lasst euch davon bitte nicht abschrecken, denn er schafft es, trotzdem oder gerade dadurch für den Leser einen völlig umfassenden und doch im Detail tiefgehenden Eindruck zu schaffen, da alles zusammenhängt und man praktisch jeden von außen und auch von innen kennelernt. 

Dabei treibt er die Geschichte in einem harmonischen, gemessenen Tempo an, bis sich die Ereignisse gegen Ende plötzlich fast schon überstürzen!
Man muss sich hier wirklich auf die einzelnen Momente einlassen, spüren, was gerade passiert, mit den Figuren, mit der Gesellschaft, und wie alles plötzlich immer weitere Kreise zieht. Die Spannung liegt hier in den Menschen selbst, bei jedem einzelnen, der in jeder Momentaufnahme so perfekt skizziert wurde! 

Meine Eindrücke und meine Begeisterung in Worte zu fassen fällt mir wirklich schwer: wie genial Eschbach hier die Geschichte aufgebaut hat, welche vielen Botschaften darin stecken, die zum Nachdenken und in sich gehen anregen und wie er jeden einzelnen Charakter so ausgefeilt und nah an mich heranbringen konnte.
Vor allem auch durch das Ende, auf das ich nicht vorbereitet war und das, auch wenn sie die Geschichte perfekt abrundet, eine tiefgehende Melancholie in sich trägt, die noch lange in mir nachklingen wird.
 
Mein Jahreshighlight und eins der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe!
 
Woher sollte ein einzelner Mensch denn wissen, was für so viele andere Menschen gut und richtig war? Das wussten die Menschen doch im Allgemeinen selber am besten. 
Zitat Seite 1004

 
Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider
 
 
Ebenfalls rezensiert von
 
 

Eines Menschen Flügel von Andreas Eschbach 

 
Genre Science Fiction Roman
Verlag Bastei Lübbe --- Seitenzahl 1257
1. Auflage September 2020
 


23 Kommentare:

  1. Guten Morgen Aleshanee :)

    Jetzt hast du mich doch wieder neugierig gemacht auf das Buch^^ Ich hab ja bisher noch gar nichts von Eschbach gelesen, aber das werde ich nächstes Jahr definitiv mal ändern müssen. Der KT von dem Buch klang schon gut, aber jetzt bin ich definitiv überzeugt, dass ich es auch lesen muss. Ich schätze, vorher werde ich aber mal noch Aquamarin & Co von meinem SuB befreien^^
    Danke für die Rezi!

    Lieben Gruß
    Andrea

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    1. Das freut mich sehr, Andrea <3

      Seine Jugendbücher sind auch toll, allerdings find ich die anderen Bücher von ihm noch besser, vor allem, weil er oft auch schwierige Themen sehr gut verarbeitet.
      Das Buch hier, da muss man sich auf das gemächliche Tempo einlassen und auf das, was er hier erzählt. Ich hab von manchen schon gehört, es gehe zu zögerlich voran, aber man darf nicht auf "etwas" warten, sondern sich auf das konzentrieren was im Moment passiert. Als ich fands mega :D

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  2. Hey Aleshanee =)

    Nach deinem Post zu meinem dicken Wälzer war ich auf deinen dicken Wälzer ebenso gespannt. Scheint, als habe dich deiner noch ein klein wenig mehr begeistern können. Die Prämisse hört sich aber auch super interessant an. Ob die Gesellschaftsutopie auch in der Realität funktionieren könnte?
    Und ich bin total neugierig auf die tödliche Gefahr am Boden. Instinktiv würde ich auf etwas Schlangenartiges tippen. Oder bin ich da auf dem Holzweg?

    Landet auf jeden Fall auf meiner Liste, vor allem weil du so begeistert darüber geschrieben hast (und ein bisschen, weil das Cover echt gelungen ist).

    Liebe Grüße,
    Nico

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    1. Oh ja, ich denke, da war schon einiges mehr Begeisterung dabei :D Wobei du Infinitum ja auch sehr gut bewertet hast.

      Ob diese Gesellschaft funktionieren könnte? Ich würde sagen ja - aber da gehört einiges dazu, das wir leider verlernt haben.
      Die Gefahr auf dem Boden ... da haben sich viele zu viel erhofft, das ist wichtig, aber nicht das worum es hier geht. Ich könnte mir aber wirklich vorstellen, dass es dir auch echt gut gefällt. Du kannst dich ja auch in ruhiger temperierten Geschichten gut fallen lassen oder?

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  3. Hi Aleshanee,
    wie beruhigend, dass das Buch so gut bei Dir angekommen ist. Ich bin grad noch am Anfang und kann bisher Deine Begeisterung teilen, obgleich hinsichtlich der Welt ein paar Ungereimtheiten bestehen, die hoffentlich am Ende aufgelöst werden ;)
    Viele Grüße
    Frank

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    1. Oh, welche Ungereimtheiten? Für mich war alles stimmig, wenn ich mich richtig erinner - jetzt bin ich neugierig :D

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    2. z.B. die undurchdringliche Wolkendecke. Das "große Licht" kommt zwar durch, aber auf unserem Planeten wachsen Pflanzen nicht sonderlich gut, wenn der Himmel permanent bewölkt wäre (das lehrt uns zumindest die Vergangenheit :))

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    3. Hm, undurchdringlich weil nicht erreichbar oder? Und bei fremden Welten vergleiche ich das nicht so sehr mit unserem Ökosystem. Das sind halt Pflanzen, die auch mit Sonnenlicht auskommen, das abgeschwächt durch eine Wolkendecke scheint ;) Wie du schon sagst: auf unserem Planeten ... ich denke nicht, dass das auf jedem gleich ist. Deshalb brauche ich dazu keine so genaue Erklärung.
      Das mit der Wolkendecke wird aber noch aufgeklärt!

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    4. ... und das es nicht auf der Erde spielt? Es heißt zwar am Anfang mehrfach, dass die Ahnen von den Sternen kommen, aber es hätte auch symbolisch gedeutet werden können ... ;)
      Aber gut zu wissen, dass noch ein paar Auf- und Erklärungen kommen werden :D

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    5. nein, das ist definitiv nicht auf unserer Erde ;)
      Eschbach hat alles eigentlich immer sehr stimmig. Klar kann ich hier was übersehen haben, aber soweit ich das mitbekommen habe, ist alles, was aufgeklärt wird, auch richtig so.
      Was nicht aufgeklärt wird, ist unwichtig :D

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    6. Jetzt habe ich meine Logiklücken, die ich gefunden habe, offenbart 😄:
      https://buechernarr.org/science-fiction-eines-menschen-fluegel/

      Viele Grüße
      Frank

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  4. jetzt bin ich auch sehr neugierig. Ich mag ein gemächliches Tempo und dike Bücher, das liegt aber nicht jedem. Ich habe ja vor kurzem erst NSA gelesen und fand das schon sehr gelungen

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    1. Da bin ich sehr gespannt ob dir das auch so gut gefällt!

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  5. Hallo liebe Aleshanee,
    also alleine die Erwähnung, dass es sich bei diesem Buch um dein Jahreshighlight handelt, hat mich schon sehr neugierig gemacht. Ich muss allerdings sagen, dass du mich mit der Erwähnung der Seitenzahl doch ein wenig verschreckt hast. Das ist ja ein ganz schöner Wälzer!
    Viele Charaktere und unterschiedliche Perspektiven stört mich dahingegen weniger.
    Von Andreas Eschbach habe ich bislang noch gar kein Buch gelesen. Etwas, das ich vielleicht mal ändern sollte, wenn ich deine Rezension so lese.
    Vielen Dank für diese schöne Buchempfehlung. <3

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Die Anzahl der Seiten hat es schon in sich - deshalb konnte ich mich auch von Anfang an gut auf das gemächliche Tempo einlassen, mit der Eschbach hier diese grandiose Geschiche erzählt. Man darf hier kein großes Tempo erwarten, sondern sollte sich direkt auf eine ruhige Erzählweise einstellen - und es bietet so unendlich viel <3

      Von Eschbach kenne ich ja mittlerweile doch schon einige und da sind so viele tolle Bücher dabei! Also unbedingt mal ausprobieren ;)

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  6. Hey Aleshanee,

    ich kann vieles nachvollziehen, was du schreibst, auch wenn ich nicht ganz so begeistert bin wie du. Für mich war das Buch doch teilweise ein wenig anstrengend und zu lang gezogen, aber wie Andreas Eschbach diese Welt erschaffen hat und in welcher Detailverliebtheit er diese beschreibt, flößt auch mir großen Respekt ein. Ich war ein wenig ähnlich wie die Bewohner dieser Welt, die das alles als gegeben und selbstverständlich genommen haben und erst das letzte Drittel, als die Bedrohung wahr wird, hat mich so richtig mit den Bewohnern dieser Welt mitfiebern lassen, aber da habe ich dann auch gemerkt, wie sehr mich diese Gesellschaft für sich eingenommen hat.
    Meine Rezension kommt nächste Woche online und ich habe dich bei mir verlinkt.

    LG, Moni

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    1. Es freut mich, dass es dich am Ende dann doch noch überzeugt hat - auch wenn es dich nicht so begeistern konnte wie mich ...

      Vielen Dank auch fürs verlinken! Ich werde danach Ausschau halten und setz deine Rezension dann auch gerne oben ein :)

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  7. Hallo Aleshanee,

    ich bin jetzt auch neugierig geworden. Eigentlich lese ich Eschbach nicht, weil er mir nicht besonders liegt. Aber wenn das Buch bei dir sogar als Jahreshighlight zählt, werde ich hellhörig. Ich schaue es mir näher an.

    Liebe Grüße,
    Nicole

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    1. Das könnte dir tatsächlich gefallen denke ich.
      Seine Bücher sind aber auch teilweise schon sehr unterschiedlich ...

      Es ist sehr ruhig erzählt, aber das ist ja nicht schlimm, war ja bei Boy´s Life oder Die Wälder am Fluss. Natürlich ist das hier was ganz anderes, aber eben auch ruhig erzählt mit so einer Kraft und so fesselnd, also ich fands genial :D

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  8. Schwubbs, da bin ich schon (=

    Und oh ja, das klingt mega reizvoll was du da (be)schreibst und ich glaube, der Titel wandert mal auf meine Wunschliste. Die erschaffene Welt klingt interessant und allein schon "ohne Effekthascherei" spricht mich an! Ich mag keine sich überholende und überzogene Szenerien, egal in welchem Genre.
    Ich muss gestehen, das mich die Seitenzahl etwas abschreckt XD Bücher mit über 1000 Seiten, sind selten bei mir zu finden.

    Mukkelige Grüße,
    Janna

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    1. Schön dass du auch hier vorbeigeschaut hast!
      Ja, die Seitenzahl fand ich erstmal auch ganz schön happig. Aber: als ich ungefähr bei der Hälfte war, wollte ich langsamer lesen, weil ich nicht wollte, dass es aufhört :D Besser kanns ja nicht sein oder? ;)

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    2. Da hast du absolut ercht! Hab mir den Titel nun bei Audible geholt (=

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    3. Cool! Da wünsch ich dir ganz viel Spaß damit!

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