Freitag, 5. März 2021

Toxische Freundschaft: Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl

Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: 
 
Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. 
 
Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht. 
 
Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht.
 
 
"Blutsbrüder", sagte er, ohne zu lächeln.
"Was heißt das?" fragte Motz.
"Dass wir jetzt mehr sind als Freunde. Wie verwandt", sagte Raf und schaute ihn immer noch an. "Dass du mir gehörst."
"Dass wir zusammen gehören", berichtigte Motz.
"Ja", sagte Raf, aber Motz wusste, dass er es nicht so gemeint hatte.
Zitat Seite 44


 
 
Meine Meinung
 ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙ ☙
 
Ich hab ja einige Zeit gezögert, das Buch zu lesen. Zum einen gehe ich solcher Thematik aus dem Weg und zum anderen waren die Rezensionen dazu auch in der Art, dass ich nicht wusste, wie ich damit klarkommen werden. 
Das hat sich beim Lesen aber dann schnell in Luft aufgelöst, denn es entwickelt sich anfangs in ruhigen Bahnen, auch wenn man natürlich merkt, dass da einiges unter der Oberfläche brodelt. 
 
Im Heute wohnt Moritz zusammen mit seiner Freundin, die ein Kind erwartet. Es geht ihm gut, er fühlt sich glücklich und freut sich auf das Baby. Dann steht Raffael vor der Tür, sein bester Freund, den er 16 Jahre lang nicht gesehen hat.  
 
Den Aufbau fand ich sehr genial. Die Autorin springt zwar zwischen den Zeit von früher, noch früher und der Gegenwart hin und her, leitet die Kapitel aber mir Jahreszahlen ein, so dass man sehr schnell spannt, bei wem man sich befindet und welches Alter derjenige hat. 
Überrascht hat mich dabei, dass vieles aus der Perspektive von Marie erzählt wird, der Mutter von Moritz. Ich hatte gedacht, dass sich die Geschichte auf die drei Freunde konzentriert und das war ein sehr genialer Schachzug. Man erlebt Moritz sozusagen von Geburt an, wie er aufgewachsen ist bis heute, als werdender Vater und hat damit durch die Auszüge aus seinem Leben einen perfekten Blick auf seine Persönlichkeit. 
 
Genial fand ich auch wie Mareike Fallwickl aufzeigt, wie sehr alles ineinander greift. Jede Beziehung, jeder Kontakt mit anderen hat Auswirkungen und beeinflusst, mal mehr, mal weniger. Das tragische hier ist, dass so viele hier eigentlich Hilferufe aussenden, die leider nie "gesehen" werden. Auch, dass so wenig miteinander gesprochen wird, also über Probleme oder bestimmte Vorfälle, die in einem nagen, grade auch mit nahestehenden Personen, zeigt sehr deutlich, woran die Menschen krank werden und es so schwer fällt, zu leben.

Äußerst beeindruckt hat mich auch der Schreibstil. Er ist besonders, durchsetzt mit Metaphern, aber doch flüssig zu lesen und mit einer ganz besonderen Poesie, die mitschwingt. Mit einem sehr klaren Blick werden die Details hart aber ehrlich vor Augen geführt, andererseits aber mit vielen subtilen Schwingungen unterlegt, die mir ein sehr gutes Gespür zu jedem einzelnen gegeben haben.
Nicht nur aus Maries Perspektive wird erzählt, sondern auch von Moritz und Johanna. Raffael erlebt man interessanterweise nur über die Sichtweisen der anderen und obwohl er dabei weniger greifbar scheint, entsteht ein sehr gutes Bild aus den Eindrücken der anderen, das aber auch noch einiges für Spekulationen offenlässt.
Jeder von ihnen ist vorbelastet, jeder von ihnen kämpft um Liebe, um Freundschaft und das "gesehen werden", das Gefühl gebraucht zu werden, verstanden zu werden, akzeptiert zu werden - mit unterschiedlichen Mustern, aus denen es sehr schwer fällt, auszubrechen.  

"... Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkle schubsen."
Zitat Seite 302

Ein besonderer Aspekt ist auch, das Moritz schon von klein auf die Menschen "in Farben sieht" (daher auch der Buchtitel). Vielleicht mag man es mit "Auren" gleichsetzen, aber ich möchte das gar nicht so in ein bestimmtes Raster packen. Dass er anders ist als andere merkt er dann doch relativ bald in seiner Kindheit und kann damit gut umgehen, hatte ich den Eindruck. Es war jedenfalls eine sehr schöne, originelle Idee, die für Moritz in vielen Situationen hilfreich war, andere einzuschätzen und ein Gefühl für die andere Person zu bekommen.

Es geht um Abhängigkeiten, die hier ein beängstigendes Ausmaß annehmen und aus denen jeder von ihnen kaum auszubrechen weiß.

Ich hatte überhaupt keine Vorstellung, auf was ich mich hier einlasse und bin sehr positiv überrascht. Es ist rundum gelungen, vom Aufbau, vom Schreibstil, den Charakteren, der Entwicklung und war ein sehr intensives Leseerlebnis. 
Das Ende war mir dann fast einen Tick zu einfach, war aber ein guter Abschluss und zeigt vor allem, dass die Chancen für Veränderungen immer möglich sind. Dennoch hätte ich mir da noch einen gewissen Kick erwartet, deshalb der halbe Stern Abzug - ansonsten war es wirklich mega gut!


Meine Bewertung
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In einer Leserunde gelesen mit Martina und Sabine - nachzulesen bei Martinas Buchwelten
 
 
Rezensiert auch von
 
 
 

 

Dunkelgrün fast schwarz von Mareike Fallwickl

 
Genre Roman / Drama
Schauplatz Hallein, Österreich
Verlag Frankfurter Verlagsanstalt --- Seitenzahl 480
1. Auflage März 2018 


 

8 Kommentare:

  1. Hallo liebe Aleshanee

    Dir ist da wirklich eine einfühlsame und wunderschöne Rezension gelungen, toll. Ich habe das Buch vor bald drei Jahren unmittelbar nach dem Erscheinungstermin gelesen und förmlich inhaliert. Wie du ist auch die Sprache in meinen Augen einfach nur grandios und ich habe beim Tippen der Rezension fast ein wenig um Worte gerungen, weil ich meine Begeisterung nur schwer konkret ausrücken konnte.

    Ich finde es übrigens auch sehr schön, wie du auf die Zusammenhänge im Buch eingehst. Darauf, dass alles miteinander verbunden ist. Jede Beziehung, alle Menschen, alle Ereignisse... Wirklich schön geschrieben.

    Alles Liebe an dich und vielleicht magst du dir meine Rezension ja auch gerne ansehen ;-)
    Livia
    https://samtpfotenmitkrallen.blogspot.com/2018/05/rezension-dunkelgrun-fast-schwarz.html

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    1. Ich fand das auch nicht leicht in Worte zu fassen, der Stil war wirklich toll! Vielen Dank dass ich es so rüberbringen konnte, wie ich mir das gedacht habe <3

      Klar, da schau ich direkt vorbei!

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  2. Liebe Aleshanee,
    eine wunderbare und sehr einfühlsame Rezension, die du geschrieben hast.
    Ich habe sie auch gleich bei mir verlinkt.

    Liebe Grüße
    Martina

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  3. Liebe Aleshanee,

    eine tolle Rezi, die ich sofort unterschreiben würde! Du hast es auf den Punkt gebracht - und hätte ich das Buch nciht schon gelesen - jetzt würde ich es auf jeden Fall tun!

    LG Sabine

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  4. Hallo liebe Aleshanee,
    du hast es mal wieder geschafft: Schon wieder ein Buch mehr auf der Wunschliste. Ich lese Bücher, die sich mit zwischenmenschlichen Konflikten beschäftigen oder auch mal eine etwas schwierigere Thematik behandeln, sehr gerne.
    Dunkelgrün fast schwarz ist mir schon mehrfach vom Cover her im Netz aufgefallen, aber erst deine Rezension hat mein Interesse voll geweckt.

    Das von dir angeführte Zitat ("... Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkle schubsen.") ist schon sehr bezeichnend finde ich. Es macht neugierig und sagt einiges über die Beziehung der Beiden aus.

    Vielen Dank für diese interessante und fesselnde Buchvorstellung!

    Liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Na das freut mich sehr! Ich denke, dass dir das Buch sicher gefallen wird, grade weil du dich buchtechnisch ja auch gerne mit solchen Themen beschäftigst.
      Hierfür Worte zu finden war echt nicht einfach, umso schöner, wenn es dann bei euch auch so ankommt, wie ich es gehofft habe <3

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