Montag, 21. Juni 2021

Ausnahmetalent: Das Damengambit von Walter Tevis

Das Damengambit von Walter Tevis

 

Mit acht entdeckt Beth Harmon im Waisenhaus zwei Möglichkeiten, der harten Realität zu entfliehen: die grünen Beruhigungspillen, die den Kindern täglich verabreicht werden. Und Schach. Das Mädchen ist ein Ausnahmetalent und gewinnt Turnier um Turnier, mit 16 spielt sie gegen lauter erwachsene Männer um die US-Meisterschaft. Ihr Weg führt steil nach oben, doch bei jedem Schritt droht der Abgrund von Sucht und Selbstzerstörung. Denn für Beth steht viel mehr auf dem Spiel als Sieg und Niederlage.
 
 
 
 
 
 
 
Meine Meinung
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Nachdem ich von der Netflix Serie zum Buch so begeistert war, musste ich natürlich auch die Buchvorlage lesen, die übrigens schon 1983 veröffentlicht wurde. Erschienen ist es im deutschen im Mai 2021 zum ersten Mal - Dank dem großen Erfolg der Serie.

Um Erfolge geht es auch in der Geschichte.
Es beginnt in den 50er Jahren, als Beth Harmon als 8jährige ihre Mutter bei einem Autounfall verliert und ins Waisenhaus kommt. Damals anscheinend üblich, gab es neben Vitamintabletten auch Beruhigungspillen für die Kinder - und Beth findet recht schnell raus, wie gut deren Wirkung ihr über manche unangenehme Situationen und Gefühle hinweghelfen. Leider behält sie diese Art, mit Stress umzugehen bei. Über ihre Kindheit erfährt man nicht wirklich viel, doch scheint sie schon früh recht viel mitgemacht zu haben. 

Im Waisenhaus entdeckt sie recht schnell ihr Interesse für Schach und entwickelt eine nüchterne, bedingungslose Leidenschaft für die logischen Strategien und es entsteht eine regelrechte Obsession, die alles andere aus ihrem Leben verdrängt. Zum Glück wird ihr Talent entdeckt und ihr Ehrgeiz bringt sie später sogar zu den großen Turnieren in der ganzen Welt.

Erzählt wird das ganze sehr bündig, fast wie ein emotionsloser Bericht, eine Aneinanderreihung von Ereignissen, wodurch man aber ein sehr gutes Gespür für die Protagonistin bekommt. Als wäre man in Beth´s Kopf und folgt ihren Gedankensprüngen von kleinen Nichtigkeiten des Alltags, über einschneidende Erlebnisse und den wichtigen Eckpfeilern ihres Lebens. Ich schreibe "fast", denn man fühlt zwischen den Zeilen sehr genau, wie sehr sie sich auf dieses Spiel fixiert, um mit den vielen Widrigkeiten des Alltags klarzukommen.
Es scheint nichts wichtigeres für sie zu geben als das Schachspiel, mit dem sie sich in jeder freien Minute beschäftigt und sie entwickelt ein hervorragendes Können und kompromisslosen Ehrgeiz. Jede neue Herausforderung geht sie mit Logik an und merkt sehr deutlich, wie verkopft sie in all ihrem Denken und Gefühlen ist. Freunde, Beziehungen, Sex, das alles bedeutet ihr nichts - dennoch spürt sie, dass sie das Alleinsein schwer ertragen kann. 
 
"Sie musste Schachbücher lesen und Schach spielen und ihr Leben wieder in den Griff bekommen. Aber der Gedanke an das leere Haus erschreckte sie. Was konnte sie sonst tun? Es gab nichts anderes, ..."
Zitat

Auch trägt sie eine unterschwellige Wut in sich, die sich in manchen Situationen Bahn bricht, die sich jedoch immer unterdrückt. Vielleicht auch ein Grund, warum sie neben den Tabletten schließlich auch zu Alkohol greift und in eine verhängnisvolle Lage abzudriften beginnt. Während sie mit den Pillen versucht, aufsteigende Ängste auszublenden, kam es mir oft so vor, als würde sie mit dem Trinken aus ihrer Routine ausbrechen wollen.

"Wird es dir nicht manchmal langweilig?"
Verständnislos sah er sie an und sagte: "Was gibt es denn anderes?"
Zitat

Andererseits erlebt sie aber auch immer wieder schöne, ja regelrechte Glücksmomente. Natürlich beim Schach spielen, vornehmlich beim Gewinnen (verlieren ist ein großes Problem für sie), aber auch in trivialen Momenten, in denen sie innehält und den Augenblick genießt, in dem sie das Leben als schön erlebt.
Ob die Schachspieler per se als Kopfmenschen bezeichnet werden können weiß ich nicht, aber es klingt schon so irgendwie durch. Wenn jemand so herausragend in einem strategischen Feld hervorsticht heißt es ja oft, dass andere, vor allem emotionale Merkmale zurückstehen, was hier sehr deutlich wird. 
 
Auch wenn hier viele der Partien in einzelnen Zügen beschrieben wurden, wurde es nie langweilig. Man muss kein Schach können, denn entweder überfliegt man diese Abschnitte oder nimmt teil an Beth´s Überlegungen, die auch immer ihre innere Verfassung widerspiegeln.

Ich hab ja die Serie schon vor dem lesen gesehen und hatte dadurch ständig die Bilder vor Augen. Und ich muss sagen, dass die Serie genial und sehr nah am Buch umgesetzt wurde, was ja leider nicht immer der Fall ist. 
Ob es ohne Vorkenntnis der Serie auch so gut gefallen hätte, wo ich alles schonmal in Bild und Ton erlebt habe (mit einer genialen Schauspielerin) weiß ich nicht - aber ich weiß, dass ich das Buch auf jeder Seite genossen habe. Ich habe Beth gerne auf ihrem Weg begleitet und miterlebt, wie sie aus einer verschlossenen Waise zu einer durchsetzungsstarken und selbstbewussten Frau geworden ist, die sich in einer Männerdomäne durchgesetzt hat.
 
 
Meine Bewertung
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider.
 
 
Ebenfalls rezensiert von
 
 
 

Das Damengambit von Walter Tevis

 
Genre Roman/Drama (Beginn in den 50er Jahren)
verfilmt auf Netflix als Mini Serie mit 7 Folgen
Im Original The Queen's Gambit -- übersetzt von Gerhard Meier
 
Verlag Diogenes -- Seitenzahl 416
1. Auflage 1983 (erste deutsche Übersetzung Mai 2021)



Der Trailer zur Serie
Das Anschauen verbindet euch mit youtube




15 Kommentare:

  1. Hallo liebe Aleshanee,

    ja leider sind Mädels/Frauen im Schach immer noch in der Minder...Minderheit.
    War früher mit meinen Kids öfters bei Meisterschaften und da gab es immer nur 1 Mädel....augenzwickern...

    LG...Karin...

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  2. Hey Aleshanee,
    eine tolle Rezension! Nachdem ich ebenfalls die Serie geschaut habe, habe ich auch mit dem Gedanken gespielt, das Buch auf meine Wunschliste zu setzen. Deine Meinung bestärkt mich darin. Ich glaube, ich schreibe es mir heute wirklich auf die Liste ��

    Liebe Grüße
    Lara

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    1. Dankeschön!
      Nach der genialen Serie wollte ich unbedingt die Buchvorlage lesen und ich fand sie wirklich toll! Vor allem weil sich die Serie wirklich sehr nah am Buch hält, mir hats jedenfalls viel Spaß gemacht :D

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  3. Hallo Aleshanee,

    ich habe auch bereits die Serie auf Netflix gesehen, besser gesagt, gesuchtet. :D
    Ich glaube, wenn ich die Serie vorher nicht kennen würde, würde ich gar nicht erst zum Buch greifen bzw. würde es mir gar nicht zu sehr ins Auge fallen. Aber da ich bereits die Charaktere und die Handlung bereits kenne, und sehr interessant finde und hoffe in dem Buch noch mehr über Beth zu erfahren.

    Das Buch steht bereits auf meiner Wunschliste.

    Liebe Grüße
    Nico. :)

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    1. Ich wäre ohne die Serie auch nie auf das Buch aufmerksam geworden und ich weiß nicht, ob es mich angesprochen hätte ... und ich weiß nicht wie es beim lesen gewesen wäre ohne die Bilder aus der Serie :D
      Aber es lohnt sich definitiv!
      Freut mich dass du es auch lesen magst :)

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  4. Hallo liebe Aleshanee

    Wie schön, dass dir das Buch so gut gefallen hat, ich war ja anfangs ein wenig skeptisch. Ich sollte es mir dann also wohl auch gönnen und werde die Augen danach offen halten, sicher finde ich es irgendwo gebraucht.

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Also ich fands einfach klasse! Ich hatte beim lesen aber halt auch immer die Serie im Kopf, die Bilder, die Stimmung ... die ist schon wirklich genial gemacht und sehr nah am Buch ;)
      Ich habs leider nur als Ebook sonst hätte ich es dir gerne geliehen.

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  5. Huhu Aleshanee,

    ich kenne die Serie nicht, aber auf das Buch bin ich dennoch aufmerksam geworden, als es erschien. Deine Rezi klingt toll - das macht wirkclih Lust auf Lesen. Und dann kann ich dir auch sagen, wie das Buch auf jemanden wirkt, der die Serie nciht kennt. :-)

    LG Sabine

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    1. Ja, das wäre wirklich interessant zu wissen!
      Ich glaube auch tatsächlich, dass es dir gefallen könnte :)
      Es gibt zwar zwischendurch schon immer Schachzüge, aber ich fands okay, auch weils zur Atmosphäre beigetragen hat und wie Beth das alles erlebt.

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  6. Hallo liebe Aleshanee,
    wie du ja weißt, fand ich die Serie absolut genial.Aus dem Hause Diogenes habe ich bislang auch noch ein Buch gelesen, das mir nicht gefallen hat. Daher wundert es mich kaum, dass das Buch mit der Serie mithalten konnte. Ich kann mir vorstellen, dass man beim Buch sogar noch ein wenig besser in die Gedankenwelt der Protagonistin abtauchen konnte (?)

    Ich freue mich auf jeden Fall sehr, dass du mit dem Buch die Geschichte noch einmal aufleben lassen konntest und so eine schöne und spannende Lesezeit mit dem Damengambit hattest <3

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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    1. Ich hab bisher von Diogenes recht wenig gelesen muss ich sagen. Das meiste trifft halt auch leider nicht so meine Genrevorlieben ...
      Hm, besser abtauchen in die Gedankenwelt - das kann ich ehrlich gesagt gar nicht so gut beurteilen. Das konnte ich in der Serie schon sehr gut und mit dem Vorwissen; ich kann das gar nicht mehr auseinander halten. Während dem Lesen hatte ich die Serie wieder präsent im Kopf, die Bilder, die Gefühle, da hat sich alles vermischt :)

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    2. Ich hatte es z.B. bei Stolz und Vorurteil. Da ist es mir sehr gut aufgefallen, dass das Buch einige Gedankengänge besser beschrieben hat. Es gab Stellen im Film, die haben mir ein Schmunzeln entlockt. Mit dem Hintergrundwissen des Filmes habe ich sie aber besser verstehen können. Ich denke das ist auch der Vorteil bei einem Buch. Man kann besser auf die Gedankenwelt der Charaktere eingehen.

      Huch, böser Tippfehler. Ich meinte natürlich aus dem Hause Diogenes habe ich bislang auch noch NIE ein Buch gelesen, das mir nicht gefallen hat :o) Das letzte Buch aus dem Verlag liegt bei mir schon länger zurück und ich kriege sie jetzt auch nicht mehr alle zusammen. Der große Gatsby, die Geschichte von Blue und der Vorleser fallen mir gerade spontan ein.

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    3. Prinzipiell ist es natürlich schon so, das Buch ist ja meist sehr viel ausführlicher aus die Verfilmung - da es hier allerdings als Mini Serie verfilmt wurde und wirklich nah am Buch war, kam das hier alles schon sehr deutlich rüber. Vor allem auch durch die genial Charakter Darstellerin!

      Hihi, ja das hab ich schon so gelesen, auch wenn ich im ersten Moment gestutzt hab :)
      Was ich bei Diogenes grade entdeckt habe, das mich interessiert: Hard Land von Benedict Wells.

      Ansonsten kenne ich echt wenig aus dem Programm.

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  7. Hihi....Aleshanee....müssen sie wohl...wenn sie bei Meisterschaften waren...
    So Meisterschaften ging meist über 4-5 Tage ...und da muss man schon echt Lust darauf haben

    LG...Karin...

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