Freitag, 14. Mai 2021

Berührend: Blumen für Algernon von Daniel Keyes

Charlie Gordon, ursprünglich kaum des Lesens mächtig, ist zu Forschungszwecken operiert worden und entwickelt eine überragende Intelligenz; schließlich überflügelt er intellektuell und fachlich sogar die Professoren, die das Experiment leiten. Zu seinen Freunden zählt die Maus Algernon - das erste Lebewesen, das mit derselben Methode erfolgreich behandelt wurde.

Mit den überwältigenden Fähigkeiten stellen sich für das Genie Charlie jedoch auch die ersten Probleme ein - in der Bäckerei, in der er früher arbeitete, mit seiner Familie, von der er jetzt entdeckt, daß sie ihn nie akzeptiert hat, und im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht, vor dem er unerklärliche Angst hat.

Als Charlie auf einem Fachkongreß als Attraktion vorgeführt werden soll, flieht er zusammen mit Algernon. Kurze Zeit später zeigen sich im Verhalten der Maus erste Verfallserscheinungen ... Charlies Aufzeichnungen für das Forscherteam geben dem Leser einen atemberaubenden Einblick in seine geistige Entwicklung und das Drama seiner Existenz.


Meine Meinung
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Auf diesen Klassiker aus dem Jahr 1959 bin ich zufällig in einem Buch von Stephen King (The Stand) aufmerksam geworden - und kurz darauf hab ich bei Frank (Der Büchernarr) eine Rezension dazu gesehen. Die Geschichte hat mich sehr neugierig gemacht und erinnert mich ein bisschen an den Film "Zeit des Erwachens" mit Robert De Niro und Robin Williams.
Das Buch wurde übrigens auch verfilmt unter dem Titel "Charly" und den werde ich mir defnitiv noch anschauen!
 
Charlie - er ist hier die Hauptfigur und er beschreibt sich und sein Leben hier in einer Tagebuchform. 
Charlie ist ein "retardierter" Erwachsener, also geistig zurückgeblieben mit einem geringen IQ. Er wird für eine Forschung ausgewählt, sich einer Operation zu unterziehen, die seine Intelligenz fördern soll. Und zwar auf ein sehr hohes Niveau. 
Das erlebt man auch hautnah mit, den er selbst schreibt sein Fortschrittsberichte und alles, was in seinem Kopf vorgeht; was anfangs allerdings sehr anstrengend zu lesen ist. Er kann keine Rechtschreibung oder Zeichensetzung und so wie es für ihn sicher mühsam war, das alles niederzuschreiben, war es auch für mich als Leser nicht so einfach zum lesen. 

Allerdings entwickelt sich nach der Operation seine Lernfähigkeit äußerst schnell und der Schreibfluss wird zusehends leichter. Diese Veränderung zu erleben war ganz schön intensiv und ich hab sehr gut mit ihm mitfühlen können. 
Eigentlich hat er mir durchweg leidgetan. Durch seine Erinnerungen erkennt man, was er bisher alles erdulden musste: von seiner Mutter, die seine beschränkten Möglichkeiten nie wahrhaben wollte und ihn schließlich abgeschoben hat - von seinen angeblichen Freunden, die ihn nur als Lachnummer missbraucht haben ... ein sehr eindringliches Bild, das ihm erst jetzt bewusst wird. 
 
Wenn sie ihm genügend Zeit ließen - wenn sie ihn nicht hetzten oder vorantrieben -, würde er es begreifen. Aber niemand hatte Zeit.
Zitat Position 956

Langsam begreift er, in welcher kleinen Welt er bis dahin gelebt hat ohne wirklich zu verstehen, was um ihn herum vorgeht. Die Hänseleien und der Spott werden ihm bewusst und es gesellen sich auch noch ganz neue Gefühle für ihn dazu, nämlich Scham, Wut und Misstrauen. 
 
Inzwischen ist mir klar geworden, dass einer der wesentlichen Gründe, weswegen man aufs College geht und sich eine Bildung aneignet, darin liegt, dass man dort lernt, dass die Dinge, an die man sein Leben lang geglaubt hat, nicht wahr sind, und dass nichts ist, was es zu sein scheint.
Zitat Position 1025

Vor allem, dass er "nur als Textobjekt" gesehen wird, der vor der Operation praktisch ein Nichts war und erst jetzt, durch die Forschung und seiner Intelligenz etwas wert ist, macht ihn zusehends ungehalten und zornig.

Das Problem ist allerdings nicht nur die extrem schnelle und ihn überfordernde Intelligenz, die er fast wie einen Rausch erlebt, sondern der zurückbleibende Aspekt seiner emotionalen Intelligenz. Bisher war seine Gefühlswelt von einfachen Werten wie Freundschaft und Vertrauen zu jedermann geprägt, ohne Feinheiten zu erkennnen, und natürlich stürzt es ihn in einige Krisen wenn er jetzt erlebt, dass so wenig davon tatsächlich "echt" war und vor allem, er es nicht einmal bemerken konnte. 
 
Natürlich hat auch die Maus Algernon eine wichtige Position, sie ist die erste und einzige Maus, die bei den Experimenten mit Tieren Erfolg hatte, wodurch sie schließlich auch den Versuch am Menschen gewagt haben. Bis sich allerdings heraus kristallisiert, dass ihr Verhalten Schwankungen aufweist und die Wissenschaftler nicht sicher sind, was das für Charlie bedeuten könnte. 
Was es wirklich heißt, Charlie´s Leben zu leben, kann niemand begreifen. Wie man auch nie wirklich jemand anderen bis ins tiefste verstehen kann. Übrigens ein Punkt, den ich immer wieder betone, wenn es um Meinungsverschiedenheiten oder verschiedene Wahrnehmungen geht. Man sieht alles immer aus seiner eigenen Sicht heraus, geformt durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse.
 
"Nein, Sie verstehen nicht, denn Sie erfahren es nicht an sich selbst. Niemand außer mir kann das verstehen."
Zitat Position 4183

Es ist ein sehr ernstes und ruhiges Buch mit vielen Einblicken und Botschaften, die sehr ans Herz gehen. Ich hätte mir noch ein bisschen mehr gewünscht, kann aber nicht direkt mit dem Finger darauf zeigen, was mir an der Geschichte gefehlt hat. Dennoch empfehle ich es gerne weiter, weil es eine ganz besondere Erfahrung ist und den Wert jedes Menschen hervorhebt.


Meine Bewertung
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Vielen Dank an Netgalley und den Verlag für das Rezensionsexemplar.
 Es gab diesbezüglich keinerlei Vorgaben und die Rezension 
spiegelt meine ganz persönliche Meinung wider. 
 
 
Rezensiert auch von
 
 

 

Blumen für Algernon von Daniel Keyes


Genre Science Fiction - Klassiker
Im Original Flowers for Algernon / übersetzt von Eva-Maria Burgerer
 
Verlag Klett-Cotta -- Seitenzahl 297
1. Auflage 2006 -- im Original 1959


 

Wie oben erwähnt, wen das Thema interessiert, kann ich auf jeden Fall den Film "Zeit des Erwachens" empfehlen 
 

Dr. Sayer (Robin Williams) ist ein junger Arzt und neu in der Nervenklinik. Neben den "normalen" Geisteskranken begegnet er hier Menschen, die an einer besonderen, äußerst seltenen Gemütskrankheit leiden. Hoffnungslose Fälle, die, von den Medizinern abgeschoben, hinter einer Mauer des Schweigens dahinvegetieren. Leonhard (Robert de Niro) ist einer der Patienten. Fasziniert von seinem grotesken Charme und dem rätselhaften Krankheitsbild, entschließt sich Dr. Sayer, an ihm ein neues Medikament auszuprobieren. Als Leonard eines Morgens tatsächlich sprechen und nach dreißig Jahren auch wieder laufen kann, glauben alle sofort an ein Wunder...


12 Kommentare:

  1. Hallo liebe Aleshanee,

    hm, ist aber nicht der einzige Film/Geschichte, der in diese Richtung geht..."siehe" der Rasenmähermann" ..aus dem Jahre 1992 mit Pierce Brosnan..

    Zeit des Erwachens....ist so toll, aber auch so traurig...

    LG...Karin..

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    1. Das kann gut sein dass es da noch mehr gibt, aber ich kenne ja nicht alle ;)

      Den Rasenmähermann hab ich damals aber tatsächlich gesehen, aber von der Atmosphäre her passt "Zeit des Erwachens" besser zu dem Buch.
      Von der Thematik her ist es aber auf jeden Fall ähnlich. Übrigens auch ein Buch von King das ich noch nicht kenne :)

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  2. "Blumen für Algernon" war übrigens zunächst eine Kurzgeschichte, die von Keyes erst später zu einem kompletten Roman erweitert bzw. umgearbeitet wurde. Auch die KG ist schon extrem beeindruckend.

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    1. Vielen Dank für die Info, das wusste ich gar nicht!

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  3. Ja, Zeit des Erwachens ist ein großartiger Film, der vor allem von den Schauspielern lebt. Der allerdings auch das traurige Ende von Robin Williams vor Augen führt.
    Ich finde ja, dass solche Bücher gar nicht erst aus den Bücherregalen verschwinden sollten. Die "Klassiker" (wer auch immer definiert, was einer ist) sollten immer bei irgendeinem Verlag verfügbar sein ...

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    1. Ja, "Klassiker" sind schon sehr breit gefächert ...
      Ich lese ja grade so nebenher "Wonderlands", das Buch in dem die ganzen "Größen" der Fantasy und Science Fiction der letzten 2000 Jahre beleuchtet werden. Manche kenne ich, ein paar hab ich gelesen und von vielen noch gar nicht gehört!

      Die müssten wirklich immer in Buchhandlungen und Büchereien greifbar sein, sehr schade dass da so viel aus den Augen verloren wird.
      Aber auch jetzt merkt man es extrem, manche Bücher von vor fünf Jahren sind jetzt schon nicht mehr erhältlich... oft nicht mal als Ebook.

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    2. Okay, wenn Bücher aber nach so kurzer Zeit nicht mehr verfügbar sind, dann waren die Verkaufszahlen sicherlich enttäuschend. Erlebt habe ich es aber durchaus auch schon mal, wenn ich mir z.B. eine Blogger-Empfehlung notiert habe und das Buch dann nicht mehr erhältlich war, als mir danach war.

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    3. Also mir fällt da z. B. die Grischa Reihe ein, die ja grade einen großen Hype erlebt. Die Hardcover Ausgaben der ersten Auflage waren lange nicht mehr erhältlich und sind es jetzt auch nicht: wurde neu aufgelegt.

      Oder auch die Alterra Reihe von Maxime Chattam, die waren eigentlich schon beliebt und gab /gibt es nicht mehr.

      Aber auch sonst fällt es mir immer wieder auf - da hab ich jetzt aber die Titel nicht mehr im Kopf, wo es mich schon sehr wundert. Aber wer weiß woran sowas liegt...

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  4. Es gibt übrigens mindestens zwei Verfilmungen von "Charly"/"Flowers for Algernon".

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    1. Das wusste ich nicht! Hast du einen Tipp welche dir am besten gefallen hat?

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  5. Hi, ich kenne "nur" die Kurzgeschichte, aus der SF Hall of Fame, die hat mich aber sehr beeindruckt. Eine krass gute Story. Danke für deine Rezension! LG Yvonne

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    1. Sehr gerne! Die Kurzgeschichte kenne ich dafür nicht :)

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