Dienstag, 26. Februar 2019

Rezension zu Vollendet - Die Flucht von Neal Shusterman

Nach dem Heartland-Krieg haben sich die Abtreibungsgegner mit den –befürwortern auf die „Charta des Lebens“ geeinigt.

Ausschnitt aus der Charta:

„Das menschliche Leben ist von der Empfängnis bis zum Zeitpunkt des 13. Lebensjahres unantastbar.
 ...
Im Alter zwischen 13 und 18 Jahren können Eltern ein Kind rückwirkend „abtreiben“ unter der Bedingung, dass das Leben des Kindes „streng genommen“ nicht endet, sondern sein Körper und seine Organe durch „Umwandlung“ in anderen Menschen weiterleben.“

 
Connor ist 16 Jahre alt, seine Eltern kommen mit seiner rebellischen Art nicht klar und unterschreiben eine Umwandlungsverfügung.
Das Mädchen Risa ist 15 Jahre alt,  lebt in einem der unzähligen Waisenhäuser und ist ein Mündel des Staates. Da das Budget gekürzt wurde, muss sie für andere Platz machen.
Lev ist gerade 13 geworden und wurde sein ganzes Leben von seinen religiösen Eltern darauf vorbereitet, als 10. Sohn durch die Wandlung zum Zehntopfer Gottes zu werden.

Der Zufall führt die drei zusammen, als Connor und Risa sich zur Flucht entschließen. Lev begleitet sie, anfangs gegen seinen Willen, auf ihrem Weg und schließlich verbindet die drei mehr, als der Wille zu (über)leben.
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Vollendet - Die Flucht

von Neal Shusterman

Im Original Unwind
übersetzt von Anne Emmert, Ute Mihr
Band 1 der vierteiligen Reihe
Genre Dystopie // empfohlen ab 16 Jahren
Schauplatz USA
Verlag Fischer - Sauerländer // Seitenzahl 431
1. Auflage August 2012

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Meine Meinung

Schon die erste Seite des Buches, die „Charta des Lebens“, zeigt auf eine wahrhaft gruselige Art, welch perfide Idee hinter dieser Geschichte steckt. Neal Shusterman kreiert ein Szenario, das hoffentlich niemals eintrifft und das sehr brisante Themen beinhaltet: Abtreibung und die Organspende. Das macht er sehr gekonnt, weil er dem Leser dabei keine konkrete Meinung aufdrängt und auch selbst keine direkte Stellung einnimmt, sondern Fragen aufwirft und Gewissenskonflikte in den Raum stellt, die gerade jugendliche Leser (und sicher auch Erwachsene) bei diesen Themen immer wieder beschäftigen. 

Das ganze verstrickt er in eine spannende Handlung, die aus der Sicht der drei Protagonisten beschrieben wird, aber auch andere Figuren zu Wort kommen lässt. Ein sehr dynamischer Aufbau, der zwischen spannenden Szenen und ruhigeren Momenten abwechselt und den Weg und die große Entwicklung der Charaktere beschreibt.
Jeder von ihnen hatte eine sehr prägende Vergangenheit und wird durch die aktuellen Ereignisse komplett aus der Bahn geworfen. Das führt zu rasanten Entwicklungen, die aber logisch aufgebaut und nachvollziehbar sind. 
Dabei treffen zwar auch viele Zufälle aufeinander - was mich aber nicht gestört hat, denn alles fügt sich so perfekt ineinander, dass ich darüber kaum nachgedacht habe. Ich hab das Buch ja jetzt zum zweiten Mal gelesen und bin wieder nur so durch die Seiten geflogen, denn die flüssige Schreibweise und der beständige Spannungsaufbau haben mich durchweg fesseln können. 

Dazu kommt natürlich die bewegende Thematik, die mich als Mutter kaum glauben lässt, dass diese Konsequenz der "Umwandlung" tatsächlich Realität sein könnte. 
Denn was geschieht, wenn jemand nicht in das vorgegebene Raster der Gesellschaft passt? Wird Hilfe angeboten oder werden sie herausgedrängt aus der Gemeinschaft, die sie so dringend nötig hätten, um ihren Weg zu finden? Besonders dramatisch finde ich auch, dass man tatsächlich den Eindruck gewinnt, dass die Akzeptanz dieser Umwandlung sich wirklich in den Köpfen der Menschen festsetzen könnte. Wie oft schon haben Politik und Gesetze die Gesellschaft verändert und geprägt, eben nur weil es so beschlossen und gerechtfertigt wurde.

Durch die Perspektivenwechsel erhält man einen guten Eindruck über die Denk- und Handelsweise jedes einzelnen. Connor, Risa und Lev sind auf verschiedenen Wegen zu "Wandlern" geworden, was sie schließlich zusammenführt und auf eine Zukunft zusteuern lässt, die alles verändern könnte. Aber auch die Gedanken und Gefühle einiger Nebenfiguren kommen kurz zu Wort, so dass alle Seiten sehr gut widergespiegelt werden.

Die Stimmung ist meist beklemmend, man weiß nie, was als nächstes passiert und hofft die ganze Zeit, dass die drei es irgendwie schaffen werden. Die vielen, verschiedenen Fragen, die hier aufgeworfen werden und wie unterschiedlich die einzelnen Charaktere damit umgehen, lassen einen sehr nachdenklich zurück. Ab wann besitzt ein Mensch eine Seele? Wie weit kann man bei der Organspende gehen? Ist ein Mensch mehr wert als der andere?
Ein schwieriges Thema, in einer rasanten, düsteren Geschichte verpackt, die das moralische Gewissen aufrütteln soll.

Bewertung



Die Reihe

1 - Vollendet - Die Flucht
2 - Vollendet - Der Aufstand
3 - Vollendet - Die Rache
4 - Vollendet - Die Wahrheit


8 Kommentare:

  1. Hallo Aleshanee!
    Das Buch hatte ich vor vielen Jahren mal gelesen und es steht fest auf meiner Re-Read-Liste! Ich kann mich dran erinnern, dass ich es damals als sehr beklemmend und spannend empfunden habe, war da glaub 13 oder so und fand das mit den Gehirnoperationen echt gruselig. :O
    Freut mich, dass es dir so gefallen hat. :)
    Liebe Grüße, Aurora

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    1. Oh ja, beklemmend ist es wirklich, vor allem einige Stellen sind schon echt gruselig ^^ Aber er hat das Thema sehr gut umgesetzt, auch grade für Jugendliche.
      Band 4 steht ja jetzt endlich in den Startlöchern, jetzt muss ich schauen dass ich im März noch Band 2 und 3 lese, damit ich dann fit bin für das Finale :)

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  2. Hallo Aleshanee,

    ein Lieblingsautor schlecht hin....besonders gruselig war doch die Einstellung wo der eine Junge nach und nach "verwertet" wurde und das bei Bewusstsein zumindest am Anfang noch war.....

    Interessant auch wie die ganze Gesellschaft da so mitgezogen ist und letztendlich jeder Erwachsene seine Lücke im System gefunden hat. Florians-Prinzip für sich in Anspruch genommen hat und der Staat so die volle Gewalt über die Jugendlichen erhalten hat.


    Ich bin gespannt , wie es endet.....LG..Karin..

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    1. Jap, heftige Stelle, wobei sie beim zweiten Mal lesen nicht mehr ganz so schlimm war, beim ersten Mal hat es schon schockiert muss ich sagen ^^

      Das ist auch genau das was er so gut kann, der Autor, er bringt es so rüber das man tatsächlich den Eindruck hat, dass es von der Gesellschaft so angenommen wird - und sowas gab es ja schon oft genug, nur eben mit anderen "Überzeugungen"

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  3. Ich sehe, du bereitest dich schon mal auf Band 4 vor, liebe Aleshanee. :D
    Es freut mich, dass es dir auch beim wiederholten Lesen gefallen hat! Ich weiß nämlich noch, wie es mir vor dem Re-read erging. Da musste ich mich fragen, was ich mache, wenn es mir nach knapp 5 Jahren gar nicht mehr so anspricht oder aus den Socken haut? Aber dies scheint bei uns beiden gar nicht der Fall zu sein.
    Jetzt hoffe ich, dass du die beiden anderen ohne Druck einbauen kannst und wie sie auf dich wirken.
    Sei mir ganz lieb gegrüßt, Hibi

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    1. Ja, das ist immer so eine Sache wenn man ein Buch ein zweites Mal liest. Wobei das ja jetzt noch gar nicht sooo lange her ist - zumindest von meinem Gefühl her. Meine Lynley Krimis sind ja schon 20 Jahre her gewesen, aber selbst die gefallen mir noch genauso gut :D

      Bei "Krieg der Eulen" wars anders, das hatte mir damals super gefallen und jetzt beim zweiten Mal lesen nicht mehr so.

      Und ja, die Vorbereitung läuft! Band 2 wird jetzt als nächstes gelesen ;)

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  4. Hallo,

    das klingt gruselig und beklemmend.
    Von der Thematik fällt das voll in mein Beuteschema. Danke für die Vorstellung.

    LG Anja von Tii & Ana‘s kleine Bücherwelt.

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    1. Jap, das ist es auch. Auch wenn der Autor mit der Spannung und den Charakteren einiges davon rausnimmt und den Fokus auf die Entwicklung legt - es gibt doch einige Momente, wo man schlucken muss und grade wenn man beim Lesen immer wieder darüber nachdenkt, was hier in der Geschichte passiert, ist es doch eine ganz schön gruselige Vorstellung.

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